Die Zahlen zum Podium 41 sind da

«Ich finde das eine billige Ausrede»

(Bild: zvg)

«Streng vertraulich» steht auf der Zuger Polizei-Statistik, trotzdem hat das Referendumskomitee sie erhalten und durfte sie veröffentlichen: Was geht wirklich ab im Podium? Gewalt und Drogen, sagen die Podiumsgegner. Wer genau hinschaut, entdeckt allerdings etwas anderes.

Jetzt ist sie da, die ominöse Statistik über Gewaltvorfälle im Podium (zentral+ berichtete) – Gregor Bruhin vom «Komitee gegen eine offene Drogenszene im Podium 41» hat per Öffentlichkeitsgesetz Zugang dazu erhalten. Und Bruhin findet scharfe Töne: «Wer nun behauptet, im Podium 41 verläuft alles friedlich und ohne Probleme, der ist entweder schlecht informiert oder macht sich der Lüge schuldig.»

28 Einsätze sind im Jahr 2015 bis im Mai im Podium durchgeführt worden, und daraus haben 19 Anzeigen resultiert. Im ganzen Jahr davor waren es insgesamt 43 Einsätze und 32 Anzeigen.

«Die Anzahl Einsätze und Anzeigen in den ersten 5 Monaten vom 2015 sind jetzt schon über der Hälfte des Vorjahreswertes», schreibt Bruhin dazu. «Dies zeigt, dass fürs Jahr 2015 wieder ein Anstieg an deliktischem und gewalttätigem Verhalten vorkommen wird.» Das klingt übel.

Neue Chefin greift schneller zum Telefon

Nur präsentieren sich die Zahlen etwas anders, wenn man die Statistik genauer betrachtet. Wegen Gewaltdelikten gab es von Januar bis Mai 2015 sechs Einsätze und nur eine Anzeige. Im Jahr davor gab es insgesamt drei Anzeigen wegen Gewalt und im Jahr 2013 waren es vier.

«Das hat damit zu tun, dass das Podium eine neue Leiterin hat»

Urs Raschle, Stadtrat

Wegen Drogen gab es von Januar bis Mai 2015 zwei Anzeigen und drei Einsätze. Im ganzen Jahr davor gab es fünf Anzeigen wegen Drogenbesitzes. 2013 waren es noch 26 Anzeigen, die Verminderung hat mit dem neuen Gesetz zu tun: Neu wird der Besitz von Kleinmengen Cannabis mit einer Busse und ohne Anzeige abgehandelt. Sieben Verzeigungen gab es aufgrund des Ausländergesetzes.

Tatsächlich stark angestiegen ist die Zahl der Verzeigungen wegen Hausfriedensbruchs, von neun Anzeigen im Vorjahr auf neun Anzeigen im ersten Halbjahr 2015. Im Klartext: Das Hausverbot wurde nicht eingehalten. Die Podiumsleitung hat Konsequenzen gezogen – und die Polizei geholt.

Für diese Steigerung gebe es allerdings einen konkreten Grund. «Das hat damit zu tun, dass das Podium eine neue Leiterin hat», sagt Stadtrat Urs Raschle. «Sie hat tatsächlich etwas öfter die Polizei gerufen – sie musste sich bei den Podiums-Gästen erst durchsetzen.» Einzelne Gäste hätten ausprobiert, wie weit der Spielraum bei der neuen Chefin gehe – und Hausverbote missachtet. «Da hat sie schneller die Polizei angerufen, als das die vorherige Leitung tat.»

«Billige Ausrede»

Jürg Messmer vom Referendumskomitee lässt das nicht gelten: «Ich finde das eine billige Ausrede», sagt er. «Wenn jemand Hausverbot hat und weiss, wie das in einem Haus gehandhabt wird, dann verhält er sich nicht plötzlich anders, nur weil eine neue Chefin da ist.»

Und die Gewalt? Sind diese Zahlen wirklich so dramatisch? Stadtrat Raschle verneint. «Wir halten diese Zahlen für sehr moderat. Es gibt im Podium kein Problem mit Gewalt – die Podiums-Besucher haben gar kein Interesse daran und wirken selber schlichtend aufeinander ein. Das Podium ist für sie wie eine Stube.»

Auch die anderen Zahlen findet Raschle nicht besorgniserregend. «Es sieht eher so aus, als wären die Zahlen rückläufig.»

Zu tief im Kaffesatz gelesen?

Tatsächlich machen die Zahlen einen harmlosen Eindruck: Eine Anzeige wegen Gewalt, zwei wegen Drogen – nimmt das dem Referendumskomitee nicht die Luft aus den Segeln? Von «massiver Gewalt» und einer «offenen Drogenszene» wie das Referendumskomitee schrieb, kann ja wohl keine Rede sein. Jürg Messmer sieht das anders. «Sehen Sie, wichtig sind nicht die Anzahl Anzeigen, sondern die Einsätze. Wenn wir zwei miteinander eine Schlägerei haben und die Polizei kommt, dann haben wir beide ein schlechtes Gewissen und werden uns wahrscheinlich nicht anzeigen. Fakt ist, dass die Polizei sechs Mal ausrücken musste.»

«Jede Prognose ist ein Stück weit Kaffeesatzlesen.»

Jürg Messmer, SVP-Gemeinderat

Wenn man das hochrechne, dann komme man auch im Jahr 2015 wieder auf zirka 14 Einsätze, wie im Jahr davor. «Und ich glaube, dass es eher noch mehr werden: Die Sommermonate waren nicht einberechnet, da ist immer mehr Publikum vor Ort.» Ist das nicht etwas gar im Kaffeesatz gelesen? Messmer: «Jede Prognose ist ein Stück weit Kaffeesatz lesen. Aber für mich sind die Tendenzen klar.»

Trotzdem will der Stadtrat, dass neue Stellenprozente eingeführt werden – und das hatte die Podiumsgegner schlussendlich auf den Plan gerufen. Es könne ja nicht sein, dass die Stadt immer mehr für das Podium bezahlen müsse, hat Rainer Leemann (FDP) gegenüber zentral+ gesagt. «Das stimmt natürlich», sagt Raschle, «es sind 25’000 Franken mehr als vor vier Jahren. Aber es ist wichtig, dass in den Abendschichten zwei Personen im Podium arbeiten können, das ist in jedem Restaurant so. Wenn die Angestellte zwischen zwei Gästen schlichten will, dann muss sie das tun können, ohne die Kasse alleine zu lassen.» Die zusätzlichen Kosten würden sich lohnen, sagt Raschle.

«Das finden wir nicht peinlich»

Er fände es seltsam, sagt Raschle, dass ausgerechnet eine Partei, die sonst auf Sicherheit bedacht sei, hier etwas abschaffen möchte, das für Sicherheit sorgt. «Sogar die Polizei ist der Meinung, dass wir im Podium Kontrolle über die Situation haben. Und man muss sich schon fragen, ob die Zuger Bürger das lustig fänden, wenn die Leute aus dem Podium einfach in der Stadt in den Hauseingängen rumhängen würden, statt im Podium. Und das wäre die Konsequenz, wenn wir dem Podium das Geld streichen.»

Ob es nicht etwas peinlich sei, dass das Referendumskomitee die Zahlen präsentiere und nicht der Stadtrat selber? «Nein», sagt Raschle, «das finden wir nicht peinlich. Es ist gut, dass das Öffentlichkeitsprinzip so funktioniert. Wir werden zu gegebener Zeit auch selber die Zahlen veröffentlichen und kommentieren.»

Die Zuger werden am 29. November über das Referendum zum Podium 41 abstimmen. Wie schätzt Raschle die Lage ein? «Ich denke, der Souverän wird so entscheiden, dass es gut für Zug ist. Ich rechne mit einem Nein zum Referendum, also einem Ja fürs Podium.»

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Stefan Gisler
    Stefan Gisler, 20.08.2015, 11:21 Uhr

    Wer die Statistik betrachtet, sieht: Seit 2012 nehmen Anzeigen/Einsätzt wegen Gewalt und Drogen ab oder stagnieren. Das Referendumskomitee will das nicht wahrhaben und macht fragwürdige negative Zukunftsprognosen, um ihre lancierte Hysterie ums Podium zu rechtfertigen. In mir nährt sich der Verdacht, dass sie alles Non-Konforme aus Zug vertreiben wollen – ein Zug als schöne Scheinwelt und «gated community». Probleme verdrängen statt lösen, koste es, was es wolle (Menschlichkeit, Sicherheitskosten, etc.).

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