Neue Sachlichkeit im Kanton Luzern

Asylzentren: Eine pragmatische Zwischenlösung

Das ehemalige Altersheim Hirschpark wird ab Frühjahr 2014 zum Asylzentrum (Bild: Google Maps)

Die Stadt Luzern will im ehemaligen Altersheim Hirschpark ein Zentrum für 100 Asylsuchende einrichten. Im Vergleich zu anderen Gemeinden erfolgt die Umsetzung eines Asylzentrums geradezu im Rekordtempo. Grosse Nebengeräusche blieben bisher aus. Hat der Kanton Luzern aus den Kommunikationsfehlern von Fischbach & Co. gelernt?

 «Wir wissen, dass die Kommunikation sehr sorgfältig geplant werden muss. Deshalb sind wir hier. Um ihre Fragen zu hören und sie aus erster Hand zu informieren», sagte Erwin Roos, Vertreter des kantonalen Gesundheits- und Sozialdepartements gestern Abend. Rund 70 Personen erschienen zur Informationsveranstaltung im Pfarreisaal St. Karl. Im ehemaligen Altersheim Hirschpark beim Kantonsspital wird für drei Jahre ein provisorisches Asylzentrum mit 100 Plätzen eingerichtet. Das ist beschlossene Sache. Ab Frühjahr 2014 soll die Liegenschaft für die Zwischennutzug bereit stehen.

Überraschend war gestern vor allem, dass der Entscheid keinen grossen Diskussionen auslöste. Aussagen zu Ängsten und Sorgen blieben aus. Die Reaktionen des Publikums betrafen vor allem Einzelheiten. Das meiste schien offenbar geklärt. Gestellt wurden gezielte Detailfragen zu Sicherheitslösungen, Aufenthaltsorten, Betreuung, Unterbringung.

Vom Pflege- zum Asylzentrum

Das ehemalige Pflegeheim Hirschpark wird für drei Jahre als Asylzentrum genutzt. Die rechtlichen Voraussetzungen für einen Zentrumsbetrieb sind gegeben. Eröffnet wird im Frühjahr 2014, mit einem Platzangebot für 100 Personen. Dank dieser Übergangslösung könne die angespannte Unterbringungssituation im Kanton Luzern entschärft werden, schreibt der Kanton in einer Medienmitteilung.

Die Liegenschaft Hirschpark wurde in den letzten Jahren durch die Stadt Luzern als Pflegeheim genutzt. Mit dem Abschluss des Pflegeheim-Sanierungsprogrammes in der Stadt Luzern kann der Hirschpark einer Übergangsnutzung zugeführt werden. Ab 2017 ist eine längerfristige Nutzung durch die Luzerner Psychiatrie vorgesehen.

Die Investitionskosten für das neue Asylzentrum Hirschpark belaufen sich auf 400'000 Franken.

Dabei kam die Neuigkeit für die Anwohnerinnen und Anwohner vor ein paar Tagen ziemlich unerwartet. Der Entscheid fiel rasch. Vor allem, weil bei diesem Asylzentrum Hirschpark mit der Stadt Luzern und dem Kanton nur zwei Akteure das Sagen haben. Es sind keine Einsprachen mehr möglich. Die Stadt erteilte die Baubewilligung und der Kanton auf der Gegenseite ist gleichzeitig Landbesitzer und Bauherr. «Die rechtliche Einzonung als «Alterswohn- und Pflegeheime sowie Sozialbauten» lässt generell begleitete Wohnformen zu», bestätigte Martin Merki, Sozialdirektor der Stadt Luzern.

Widerstand in anderen Gemeinden

Die Stadt Luzern scheint mit Blick auf andere Gemeinden eine Ausnahme darzustellen. An anderen Orten im Kanton kämpft die Sozialdirektion mit zahlreichen Widerständen. Die Klärung von Standortfragen zieht sich dort in die Länge. Als erstes Beispiel zu nennen wäre Fischbach: «Wir waren mit dem Druck und der unpräzisen Kommunikation des Kantons überfordert», sagt Benjamin Steinmann vom «Komitees gegen ein Asylzentrum Fischbach».

Ein grosser Teil der Fischbacher Bürger wehrt sich nach wie vor vehement gegen ein Asylzentrum. Das besagte Bürger-Komitee zieht Einsprachen bis vor Bundesgericht; 17 davon betreffen das Baugesuch des Kantons. «Es ist die einzige Möglichkeit, gegen den Druck des Kantons vorzugehen», so Steinmann.

Überdies richtete der Gemeinderat von Fischbach einen offenen Brief an die Luzerner Regierung. Darin enthalten: Die Forderung, auf das Asylzentrum zu verzichten. In Fischbach wären eigentlich 35 Plätze für Asylsuchende geplant.

Zweitens stand kürzlich in Kriens das Vorhaben «Asylzentrum Grosshof» knapp vor dem Scheitern. Das Krienser Stimmvolk lehnte im September die SVP-Initiative «Zonenplanrevision Grosshof» ab, mit welcher das geplante Asylzentrum hätte verhindert werden sollen. Der Kanton Luzern will in Kriens langfristig ein Zentrum für 120 Personen realisieren. Die Eröffnung ist auf 2015 angesetzt. Zurzeit läuft das Baubewilligungsverfahren – der Gemeinderat unterstützt das Vorhaben grundsätzlich.

Als Drittes Beispiel sei noch Weggis erwähnt. Dort war ein Asylzentrum mit 60 Plätzen geplant. Mit dem privaten Besitzer der Liegenschaft hatte sich der Kanton zwar geeinigt, aber auch dort reagierten die Gemeinde und die Bevölkerung ablehnend auf die Pläne. Anfang 2012 scheiterte dieses Vorhaben definitiv.

Zu wenig Plätze

Dabei wäre Luzern dringend auf langfristige Lösungen angewiesen. Nach der Schliessung des grossen Bundeszentrums in Nottwil betreibt der Kanton mit dem Sonnenhof in Emmenbrücke nur noch ein einziges Asyl­zentrum – mit gerade mal 120 Plätzen. Langfristig braucht es aber Kollektivplätze für 400 Asylsuchende, wie der Kanton in einer Mitteilung schreibt.

Zudem verschwanden im letzten Jahr mehrere kleine Zentren ersatzlos. Provisorische Einrichtungen im Eigenthal und das Zentrum Eichhof schlossen ihre Tore. Und das während langer Zeit bestehende Asylzentrum in Malters wurde 2012 ebenfalls geschlossen.

Aktuell ist der grösste Teil der rund 900 Asylsuchenden in Wohnungen untergebracht. Das sei für ein erstes Ankommen aber nicht ideal, sagte Departementssekretär Roos gestern Abend an der Informationsveranstaltung. «Neu ankommende Asylsuchende werden die ersten zwei bis sechs Monate in einem Asylzentrum untergebracht. In dieser Zeit können sie mit Schweizer Lebensgewohnheiten vertraut gemacht werden und erwerben rudimentäre Deutschkenntnisse», sagte er.

Daraus Lehren ziehen

«Wir haben viel aus unseren Fehlern gelernt», sagte auch eine Vertreterin des Kantons noch vor Beginn der eigentlichen Veranstaltung in der Stadt Luzern. Und auch die Stadt selber schien auf allfällige Widerstände und Bedenken von Anwohnerinnen und Anwohnern gut vorbereitet. Sozialdirektor Martin Merki präsentierte konkrete Pläne für die Umsetzung des neuen Asylzentrums: «Es werden Begleitgruppen aus verschiedenen Akteuren zusammengestellt. Vertreten sind die Quartiervereine, die Luzerner Polizei, das Kantonsspital, Schulen und freiwillige Helfer.»

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Markus Aregger
    Markus Aregger, 06.12.2013, 08:27 Uhr

    Die gestrige Informationsversammlung für die Anwohnerinnen des Asylzentrums war beeindruckend. Nicht nur, dass die «Nebengeräusche» ausblieben – im Gegenteil. Die BewohnerInnnen des St.-Karli-Quartiers zeigten Solidarität gegenüber Flüchtlingen. Mit Applaus begrüssten sie das Angebot der Schule, die Kinder des Zentrums auf dem Spielplatz spielen zu lassen und auf Schulreisen einzuladen. Ängste waren vor allem auf der Seite der Behörden zu spüren.
    Die Fischbacherinnen und Fischbacher, Krienserinnen und Krienser und alle anderen in der Schweiz in Sicherheit und Wohlstand lebenden Menschen können sich ein Vorbild nehmen!

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