Keine Feier zum Kriegsende

Luzern gedenkt Krieg statt Frieden

Die Kriegs-Urkunde von 1415. König Sigismund erteilt Luzern und den anderen Städten und Ländern der Eidgenossenschaft die Erlaubnis, den Frieden mit den Habsburgern aufzukünden und diese zu bekriegen. (Bild: Staatsarchiv Luzern)

Der Regierungsrat will von einem kantonalen Gedenkanlass zum Ende des Zweiten Weltkriegs am 8. Mai nichts wissen. Er befürchtet eine «Übersättigung» wegen anderer Jubiläen. Gefeiert wird im Kanton Luzern stattdessen ein kriegerisches Ereignis von 1415.

In der ganzen Welt wird am nächsten Freitag das Ende des Zweiten Weltkriegs mit seinen 60 bis 70 Millionen Toten und die Befreiung Europas von der Nazi-Diktatur gefeiert. Mit der bedingungslosen Kapitulation Nazi-Deutschlands endete vor 70 Jahren die Katastrophe des 20. Jahrhunderts.

SP regt Friedenslinde an

Trotz dieser Fakten hält die Luzerner Regierung nichts von einem eigenen Gedenkanlass, schreibt sie in der Antwort auf ein Postulat von SP-Kantonsrat David Roth. Roth und die SP-Fraktion hatten die Wichtigkeit eines solchen Anlasses betont – in einer unfriedlichen Zeit. Der Bundesrat begrüsse solche Aktivitäten ebenfalls. Das Gedenken dürfe aber nicht nur eine Angelegenheit von Regierungen und Diplomaten sein, so die Linken. Deshalb sollten auch auf kantonaler und lokaler Ebene Anlässe stattfinden.

Ziel sei, die breite Bevölkerung anzusprechen und ein nachhaltiges Zeichen für den Frieden zu setzen und allen zu danken, die Europa und die Welt von Nationalsozialismus und Faschismus befreit hätten. Die SP regt konkret an, als Symbol in Luzern beispielsweise eine Friedenslinde an diesem Tag zu setzen.

Ein solcher Anlass wäre von «begrenzter Nachhaltigkeit» hält die Regierung hingegen fest. Sie halte den Zweiten Weltkrieg zwar für eine der grössten Tragödien in der Geschichte der Menschheit und begrüsse Aktivitäten zum Gedenken an das Kriegsende vor 70 Jahren. Aber sie will nichts eigenes auf die Beine stellen.

Zum dritten Mal Holocaust-Gedenkprogramm

Die Regierung weist darauf hin, dass der Kanton Luzern sich, gerade im schulischen Bereich, seit Jahren um eine Vorreiterrolle bei der publikumsnahen Aufarbeitung des Zweiten Weltkriegs bemühe. 2015 werde das dritte Mal mit einem umfangreichen Programm der Opfer des Holocausts gedacht. Ein weiteres Thema an den Schulen seien Menschenrechtsverletzungen und Zivilcourage gewesen.

Warum so spät?

zentral+ hat beim Kanton nachgefragt, warum die Antwort der Regierung so spät, kurz vor dem historischen Datum, erfolgte. Der Informationsdienst der Staatskanzlei schreibt: «Der Vorstoss wurde Ende Januar 2015 eingereicht, was, im Hinblick auf eine Behandlung im Rat und eine allfällige Umsetzung vor dem 8. Mai, sehr ambitiös ist.» Sie weist darauf hin, dass die Regierung bisher an keine Fristen zur Beantwortung gebunden gewesen sei. Im Normalfall dauere die Beantwortung wenige Monate. Ab 1. Juni gelte mit dem neuen Parlamentsrecht die Frist von einem Jahr. Das Postulat hätte, im Fall einer Erheblicherklärung, wohl nur bei einer dringlichen Behandlung im Januar umgesetzt werden können, schreibt der Informationsdienst. «Diese wurde von den Postulanten aber nicht verlangt.»

Ein weiteres Argument, das die Regierung gegen die Organisation eines eigenen Gedenkanlasses anführt, ist die Vielzahl von Jubiläen in diesem Jahr: Morgarten 1315, Marignano 1515 und der Wiener Kongress 1815 jähren sich. «Im laufenden Jahr ist die Gefahr einer gewissen Übersättigung mit Gedenkanlässen gegeben. Es gilt deshalb Schwerpunkte dort zu setzen, wo direkte Berührungspunkte mit dem Kanton Luzern bestehen», schreibt die Regierung.

Zudem könne so der Gefahr, dass Gedenkanlässe «für politische Inszenierungen missbraucht werden» wirksam begegnet werden.

Eidgenossen eroberten Aargau

Viel prägender als jene von 1945 findet die Exekutive die Ereignisse von 1415. Diese würden am Forum Geschichte der Gedenkfeier zur Schlacht von Sempach, Ende Juni, ausgiebig thematisiert – mit Referaten und einem Podiumgespräch mit Regierungspräsident Reto Wyss. Es gehe dabei um das Thema des Stadt–Land–Grabens. Die damaligen Ereignisse seien für Luzern prägend gewesen, so die Regierung.

Zur Erinnerung: 1415 eroberten und unterwarfen die Eidgenossen das so genannte Michelsamt von den Habsburgern. Die Stadt Luzern konnte durch die Einverleibung dieses Gebiets rund um den Sempachersee, das damals aargauisch war, ihr Herrschaftsgebiet markant vergrössern. Es kam laut Historikern zu Scharmützeln, Belagerungen, teilweise ergaben sich Orte wie Sursee. Auf jeden Fall war es ein kriegerisches Ereignis.

Der Luzerner Regierungsrat spricht statt von Krieg oder Schlacht lieber von einer «territorialen Ausbreitung von Luzern in Richtung Westen.» Das Michelsamt sei damals an die Luzerner «gefallen», womit das heutige Kantonsgebiet seine heutige Ausdehnung erreicht habe.

Späte Antwort lässt gar keinen Anlass zu

Der Regierungsrat lehnt das SP-Postulat also ab und empfiehlt dies auch dem Kantonsrat. Was auffällt, ist der Zeitpunkt der Beantwortung am 21. April (siehe Infobox mit Stellungnahme). Auch wenn er wollte, könnte der Kantonsrat das Postulat gar nicht mehr umsetzen lassen – der 8. Mai wird dann bereits Geschichte sein, denn die nächste Sitzung findet ohnehin erst im Juni statt.

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