Vor dem zweiten Wahlgang

Paul Winiker, sind Sie ein Blender?

Auch in Kriens, wo Paul Winiker (noch) Gemeindepräsident ist, hängen Wahlplakate des SVP-Kandidaten. (Bild: rob)

Mit seinem Resultat aus dem ersten Wahlgang rechnet sich SVP-Kandidat Paul Winiker gute  Chancen aus, in den Regierungsrat gewählt zu werden. Das Bild, dass er ein netter «Plauderi» ist, der gerne andere die Arbeit machen lässt, sei völlig falsch, meint der 59-Jährige im Interview mit zentral+. Und er verrät, auf welches Departement er bereits jetzt schielt.

zentral+: Sagen Sie selbst: Was ist Ihr grosser Vorzug gegenüber Ihren beiden Kontrahenten?

Paul Winiker: Zunächst meine Lebenserfahrung, ich war beruflich 30 Jahre in leitender Stellung, gepaart mit meiner politischen Erfahrung …

zentral+: … die Frage zielt eher auf Ihre kommunikativen Fähigkeiten, die man Ihnen nachsagt und in denen Sie den anderen eine Nasenlänge voraus zu sein scheinen. Es heisst, Sie seien einer, der es mit allen kann. Sind Sie ein Blender?

Winiker: Sicher nicht, ich leiste solide Arbeit. Aber es freut mich natürlich, wenn man mir nachsagt, dass ich kommunikativ bin. Ich glaube, das ist in einem Exekutivamt äusserst wichtig. Man muss offen sein, auch gegenüber anderen politischen Meinungen.

zentral+: Dafür ist Ihre Partei nicht gerade berühmt geworden …

Winiker: Das sehe ich nicht so. Ich bin über die Parteigrenzen hinaus offen und lösungsorientiert.

zentral+: Kommunikative Menschen haben auch Schattenseiten. Da und dort heisst es, Sie seien nicht der geborene «Schaffer-Typ» und liessen die Knochenarbeit gerne andere machen. Stimmt das?

Winiker: Diese Sicht erstaunt mich. Ich würde mich eher als Macher beschreiben. Natürlich muss man als Gemeindepräsident die operative Umsetzung eines Entscheids der Verwaltung übertragen. Aber ich scheue mich nicht vor Detailarbeit. Ich kann mich durchaus auch mal reinknien.

zentral+: Interessant ist, dass Sie auf der Website der Gemeinde beim Gemeinderat nicht mehr aufgelistet sind. Geht man in Kriens also von einer sicheren Wahl aus?

Winiker: Was? Davon weiss ich nichts, das prüfe ich nach. Er lacht.

«In der Zeitung hiess es anfänglich, ich hätte geringe Chancen. Nun sieht es etwas anders aus.»

zentral+:  Wie gross schätzen Sie Ihre Chancen ein? Am Anfang des Wahlkampfes hiess es, Sie seien klarer Aussenseiter.

Winiker: Das war tatsächlich so. In der «Luzerner Zeitung» etwa hiess es, ich hätte geringe Chancen. Nun sieht es etwas anders aus, ich bin auf Augenhöhe mit dem Bisherigen Schwerzmann, zudem werde ich von den drei grossen bürgerlichen Parteien CVP, FDP und SVP empfohlen.

zentral+:  Also haben Sie den Champagner schon mal kühl gestellt?

Winiker: Wir von der SVP trinken «suure Moscht». Zur Frage: auf keinen Fall. Die Bevölkerung muss wählen, nicht die Parteispitzen. Beim zweiten Wahlgang fängt alles wieder bei null an.

Kopf-an-Kopf-Rennen

Paul Winiker tritt für die SVP an und will am zweiten Wahlgang vom 10. Mai neu in die Regierung einziehen. Für die restlichen zwei Sitze bewerben sich der bisherige Parteilose Marcel Schwerzmann und die SP-Frau Felicitas Zopfi, welche für die zurücktretende Yvonne Schärli kandidiert.

Paul Winiker erreichte im ersten Wahlgang überraschend mit 42'842 Stimmen nur knapp weniger Stimmen als Schwerzmann (43'562), Zopfi erreichte 34'231 Stimmen, wobei sie für den zweiten Wahlgang noch mit der Unterstützung der Grünen rechnen kann.


zentral+: Mit etwas Glück ist die jüngste Rechnung in Kriens positiv ausgefallen, die Jahre davor mussten Sie als Finanzdirektor der Gemeinde stets rote bis tiefrote Zahlen präsentieren. Eigentlich kein so guter Leistungsausweis.

Winiker: Die Verantwortung für eine Rechnung kann man nicht einseitig dem Finanzvorsteher übergeben. Weder bei guten noch bei schlechten Abschlüssen. Viele Leistungen, die wir erbringen, sind von Kanton oder Bund vorgegeben. Uns wurde etwa die Pflegefinanzierung oder die KESB aufs Auge gedrückt. Wer ist da nun Schuld an einem Defizit? Wichtig ist, dass ich mich mit Zähnen und Klauen für die schrittweise Sanierung eingesetzt habe und dass dabei trotzdem wichtige Investitionen für die Zukunft in Kriens realisiert werden konnten.

zentral+: Gemeinhin geht man aber doch davon aus, dass der Finanzdirektor zumindest Einfluss auf die Zahlen hat.

Winiker: Selbstverständlich. Aber der Finanzchef kann nicht über die Leistungen bestimmen, in zu vielen Fällen leider nicht mal der Gesamtgemeinderat. Wenn der Gesetzgeber vorschreibt, dass wir zwei Jahre Kindergarten oder die Integrative Förderung anbieten müssen – gegen beides wehrte ich mich –, dann wird es halt teuer.

zentral+: Dennoch wird gemunkelt, Sie hätten in Kriens bisher nicht allzu viele Stricke zerrissen. Wehren Sie sich bitte.

Winiker: Gerne! Bei der Sanierung und Ausgliederung der Pensionskasse konnte ich in Kriens beispielsweise eine drückende Altlast bereinigen, die Gemeinde muss nun nicht mehr für eine Unterdeckung haften. Zudem konnten wir in einer schwierigen Zeit das Zentrumsprojekt realisieren. Auch dieses Projekt durfte ich aktiv mitprägen, damit im Zentrum von Kriens 130 Millionen Franken investiert werden, der Grossteil durch private Investoren. Es gibt viele Erfolge, die Sanierung der Gemeindefinanzen ist aber noch nicht abgeschlossen.

zentral+: Sie haben 2012 die Steuern erhöht. Eigentlich ein No-Go für ein SVP-Mitglied. Werden Sie das auch als Regierungsrat in Erwägung ziehen angesichts der schlechten Finanzlage?

«Ich bin nicht per se gegen Steuererhöhungen.»

Winiker: Der Kanton hat dies ja letztes Jahr bereits getan, es geht also eher um die Frage, ob man dies wieder rückgängig machen kann oder nicht. Man muss immer das Gesamtpaket anschauen, warum damals die Erhöhung in Kriens unausweichlich war. Zunächst haben wir viele Millionen eingespart. Ich bin also nicht per se und immer gegen Steuererhöhungen. Was nicht geht, ist, bei jedem Problem sofort die Steuern heraufzusetzen. Dagegen wehre ich mich vehement. Der Kanton braucht eine Konsolidierung auf der Leistungsseite und keine Steuererhöhungen im jetzigen Umfeld.

zentral+: Auf Wahlplakaten der SVP war die Rede von den überbordenden Kosten im Asyl- und Sozialwesen, die man in den Griff bekommen sollte. Als Präsident einer grossen Agglomerationsgemeinde müssten Sie doch wissen, dass diese Probleme nicht so einfach zu lösen sind. Ist das nicht etwas polemisch?

Winiker: Das sehe ich nicht so. Die Haltung der SVP ist, dass man die Zuwanderung auf ein vernünftiges Mass reduziert. Und die Zuwanderung in unserem ausgebauten Sozialstaat ist ein Problem – das bereitet uns Sorgen. Auch müssen die Anreize wieder richtig gestellt werden, dass sich Arbeit für jedermann lohnt.

zentral+: Ihr politischer Werdegang begann relativ spät, erst mit 51 wurden Sie Kantonsrat. Warum das?

Paul Winiker

Paul Winiker

Winiker: Ich war Anfang der 90er-Jahre Gründungsmitglied der SVP und 1995 bis 1999 erster Ersatzmann für den Grossen Rat. Später habe ich mich aus beruflichen – ich habe in Zürich gearbeitet – und privaten Gründen auf die Familie konzentriert und mich etwas zurückgezogen.

zentral+: Was sind Sie denn für ein SVP-Politiker, wo stehen Sie?

Winiker: Die SVP ist liberal-konservativ. Ich bin grundsätzlich liberal, vor allem für eine freie Gesellschaft und Wirtschaft. Zwischen liberal und konservativ gibt es manchmal Zielkonflikte, vor allem wenn es um den Schutz unserer Heimat geht, da bin ich konservativ.

zentral+: Liberal ist ein Begriff, den heute von links bis rechts fast alle verwenden.

Winiker: Genau, und vielfach wird er umgedeutet. Wenn man etwa für eine umfassende Kinderbetreuung durch den Staat ist und das als gesellschaftsliberal bezeichnet wird, muss ich den Kopf schütteln. Das ist Etikettenschwindel. Zu einschneidende und interventionistische Massnahmen sind grundsätzlich nicht liberal.

zentral+: Und wie steht es um Ihr Frauenbild?

Winiker: Ich habe ein modernes Frauenbild.

zentral+: Tatsächlich? Schliesslich möchten Sie eine Regierung ganz ohne weibliche Beteiligung.

Winiker: Sehen Sie, heute gibt es für Frauen keine Hindernisse mehr, irgendeine Berufslaufbahn zu ergreifen. Das finde ich absolut gut und richtig. Zum modernen Frauenbild gehört aber auch, dass es völlig unerheblich ist, ob eine Frau oder ein Mann eine bestimmte Aufgabe übernimmt. Wichtig ist einzig und allein das Anforderungsprofil und ob jemand diesem entspricht. Der Kanton hat ein Budget von 2,6 Milliarden Franken und die Verantwortung für Tausende von Mitarbeitenden, da können wir es uns nicht leisten, beim Anforderungsprofil – und dazu gehört Führungserfahrung – nicht genau hinzuschauen.

«Es ist völlig unerheblich, ob eine Frau oder ein Mann eine bestimmte Aufgabe übernimmt. Wichtig ist einzig und allein das Anforderungsprofil und ob jemand diesem entspricht.»

zentral+: Ist das ein Seitenhieb an die Adresse von Frau Zopfi, der man zu wenig Führungserfahrung nachsagt?

Winiker: Das gilt für alle Kandidaten, auch für mich selbst. Aber es müssen einfach die geeignetsten Leute in die Regierung – egal, ob Mann oder Frau.

zentral+: Aber wäre so eine reine Männerregierung nicht etwas langweilig?

Winiker: Wie gesagt: Es geht hier nicht um irgendein Gremium, sondern um das oberste Führungsgremium des Kantons, verantwortlich für die Strategie und die Führung einer grossen Verwaltung.

zentral+: In der Planungs- und Finanzkommission des Kantonsrats sprachen Sie sich für einen Marschhalt bei staatlichen Leistungen aus, insbesondere bei der Volksschule. Angenommen, Sie werden gewählt: Wird dann dort noch mehr abgebaut? Müssen sich die Lehrer vor Ihnen fürchten?

Winiker: Im Gegenteil, die Lehrer können sich freuen. Ich war gegen die Revision des Volksschulbildungsgesetzes. Aber jetzt soll es umgesetzt werden, weil es demokratisch beschlossen wurde. Ich bin für eine Stabilisierung und gegen eine Hüst-und-Hott-Politik mit dieser dauernden Revisionitis. Es soll im Bildungswesen endlich wieder etwas Ruhe einkehren, finde ich. Wir brauchen gute Schulen für jedermann.

«Die Lehrer können sich freuen, wenn ich gewählt werde. Ich bin für eine Stabilisierung und gegen eine Hüst-und-Hott-Politik mit dieser dauernden Revisionitis.»

zentral+: Wenn Sie und Schwerzmann gewählt werden, wäre es naheliegend, dass er die Finanzen weiterführt. Welches Departement käme für Sie nicht in Frage?

Winiker: Als Betriebswirtschaftler bin ich Generalist, jedes Departement würde mich reizen. Aber ich kenne die Spielregeln, dass Bisherige in der Regel nicht wechseln.

zentral+: Also bliebe Ihnen je nachdem das Justiz- und Sicherheits- oder das Finanzdepartement.

Der SVP-Kandidat Paul Winiker hat ein rechts-bürgerliches Profil.

Der SVP-Kandidat Paul Winiker hat ein rechts-bürgerliches Profil.

(Bild: smartvote.ch)

Winiker: Genau, mit beiden könnte ich gut leben. Als langjähriger Milizoffizier habe ich natürlich auch für die Sicherheit eine grosse Affinität.

zentral+: Zum Schluss noch ein Wort zu Ihrer Gefühlslage, über die Sie nicht gerne sprechen. Können Sie trotzdem etwas verraten?

Winiker: Vor dem ersten Wahlgang war es noch viel stressiger als jetzt. Ich bin bis Ostern an den Anschlag gekommen, was die Kräfte betrifft. Darum war ich froh, ein paar Tage ausspannen zu können.

zentral+: Sind Sie denn nicht nervös zurzeit?

Winiker: Natürlich bin ich angespannt. Wie gesagt: Trotz aller Parteiempfehlungen und Einschätzungen entscheidet immer noch der einzelne Wähler.

zentral+: Sehen Sie Ihre Frau noch ab und zu?

Winiker: Er schmunzelt. Heute morgen habe ich sie gesehen, an den Abenden wird es etwas schwieriger. Klar ist jetzt eine hektische Zeit für mich, darum bin ich froh, wenn es am 10. Mai endlich entschieden sein wird.

zentral+: Was hören Sie in Kriens von den Leuten?

Winiker: Viele unterstützen mich. Es gibt aber auch Leute, die mir zulächeln und sagen, dass sie mich nicht wählen.

zentral+: Tatsächlich?

Winiker: Sie sagen, dass sie mich lieber als Gemeindepräsident in Kriens behalten möchten. Das sind für mich trotzdem schöne Zeichen, die ich schätze.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von tonino wir sind cool.org
    tonino wir sind cool.org, 01.05.2015, 00:23 Uhr

    Ein GROSSES Kompliment geht an Zentral+ , denn die Fragen sind direkt und klar und Antworten…
    Na ja – Jede/Jeder soll sich selber ei Urteil bilden.!

    Soviel zur «aalglatten Kompetenz» der bürgerlichen Männer. Als Schweizer Bürger wähle ich mindestens EINE kompetente Frau in die Regiergung – und Felicitas Zopfi bringt eine zusätzliche Kompetenz in eine sog. bürgerliche Mehrheit.

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