Zuger Gartenstadt soll Neubauten weichen

«Ich habe gehört, dass Leute geweint haben»

13 Häuser der Gartenstadt (Bildmitte) sollen Neubauten weichen. Zehn gehören der kantonalen Gebäudeversicherung. (Bild: Flying Camera Baar)

Ein Drittel der Häuser in der Zuger Gartenstadt soll in den nächsten Jahren durch Neubauten ersetzt werden. Das kritisieren die Christlichsozialen scharf, denn mit dem Abriss geht ein grosser Teil des günstigen Wohnraums in der Stadt Zug verloren. Aber nicht nur das.

Anfangs des 20. Jahrhunderts liess die Landis & Gyr in der Stadt Zug die sogenannte Gartenstadt bauen. Kleinere Arbeiterwohnungen mit Garten nach englischem Vorbild, welche dafür sorgten, dass Fabrikarbeiter in günstigen und gleichzeitig geordneten Verhältnissen wohnten. Diese Häuser gibt es noch heute. Einigen von ihnen geht es jedoch bald an den Kragen.

Sowohl ein sozialer als auch ein städtebaulicher «Skandal»

Zwei Baugenossenschaften und die kantonale Gebäudeversicherung, welche jeweils Häuser in der Gartenstadt besitzen, planen in den nächsten Jahren den Abriss von 15 Wohnblöcken entlang der Aabach- und der Hertistrasse. Diese sollen durch Neubauten ersetzt werden.

Die Stadtzuger CSP wehrt sich gegen diese Entwicklung. In einer Interpellation betitelt sie den Abriss dieser Häuser als zweifachen Skandal. Einerseits sei es sozial nicht vertretbar, dass um die hundert sehr preisgünstige Wohnungen vernichtet würden. Anderseits sei es ein städtebaulicher Skandal, da die Gartenstadt unter Ortsbildschutz stehe und im Inventar schützenswerter Ortsbilder der Schweiz als erhaltungswürdig aufgeführt sei.

Die CSP-Gemeinderätin Monika Mathers-Schregenberger erklärt: «Auch wenn dort nachher günstiger Wohnraum geplant ist: Günstig ist nicht gleich günstig. In der Gartenstadt kostet eine Miete im Moment um die 1’000 Franken für eine Drei-Zimmer Wohnung. Unter kostengünstig versteht die Stadt jedoch eine Miete von 2’500 Franken für eine Viereinhalb-Zimmer Wohnung. Das können sich viele dort niemals leisten.» Viele der Bewohner der Gartenstadt sind Pensionäre, Ausländer und Alleinerziehende.

«Eine Katastrophe für die ganze Siedlung»

Willi Müller ist direkt betroffen von den Massnahmen, welche die Baugenossenschaft geplant hat. Und er ist wütend. «Das ist mehr oder weniger eine Katastrophe für die ganze Siedlung», erklärt der Rentner, der früher bei der Landis & Gyr gearbeitet hat. «Ich wohne schon seit 70 Jahren in der Gartenstadt und empfinde es als grosse Schweinerei, was die Behörden nun machen.»

«Es geht nur noch darum, sich eine goldene Stadt zu bauen.»

Willi Müller, Bewohner der Gartenstadt

Da reden Kanton und Stadt Zug davon, günstige Wohnungen zu stellen und reissen gleichzeitig billige Wohnungen ab. Es geht nur noch darum, einen grossen Reingewinn zu erzielen und eine goldene Stadt zu bauen. Auch die Art, wie die Behörden kommunizieren, kritisiert Müller. «Wir wurden im Februar an eine Veranstaltung eingeladen, wo uns offenbart wurde, dass die Häuser in zwei Jahren abgerissen werden sollen. Aber so richtig Bescheid wissen wir auch nicht. Wir würden dann schon rechtzeitig die Kündigung erhalten, sagten sie uns.» Und das, obwohl die Wohnungen in gutem Zustand seien, so Müller weiter. Mehr brauche es gar nicht. Und wenn, dann könnte man auch sanieren. «Man muss sich schon fragen wo wir hier sind, so wie die Behörden mit uns umgehen. Die sehen nur noch Geld, Geld und nochmals Geld.»

Schwer vermietbare Wohnungen

Max Uebelhardt, Geschäftsführer der kantonalen Gebäudeversicherung sagt dazu: «Wir haben schätzen lassen, ob es sich lohnt, in die bestehenden Gebäude zu investieren und diese zu sanieren. Doch das würde die Lebensdauer der Häuser nur um zehn bis 15 Jahre verlängern und dann muss man wieder renovieren. Die Bausubstanz ist alt, ein Teil der Häuser ist noch aus den 50-ern. Ausserdem möchten die meisten Leute keine Wohnung mit Mindestkomfort. Oft haben wir deshalb Mühe, überhaupt Mieter zu finden.»

Uebelhardt räumt jedoch ein, dass es mit den neuen Konditionen und Auflagen nicht möglich sein werde, dass Wohnungen künftig zu den gleich tiefen Preisen wie heute angeboten werden können.

Ein schützenswerter Teil der Stadt soll verschwinden

Nicht nur den sozialen Aspekt der Planung kritisiert Monika Mathers, sondern auch, dass ein schützenswerter Stadtteil verschwinden soll. «Die Gartenstadt ist Teil unserer Geschichte. Sie wird neben der Altstadt am höchsten bewertet. Dabei geht es um ihre Gesamtheit und nicht um die einzelnen Häuser. Doch leider steht sie nicht direkt unter Schutz.»

«Es ist nicht so, dass es auf einmal einen totalen Kahlschlag geben wird.»

Mas Uebelhardt, Geschäftsleiter der kantonalen Gebäudeversicherung

Uebelhardt sagt dazu: «Wir haben rigorose Auflagen, da wir dem Ortsbildschutz unterstehen. Das heisst, das Ortsbild wird sich auch mit den Neubauten nicht gross ändern. Ausserdem ist es nicht so, dass es auf einmal einen totalen Kahlschlag geben wird. Denn zuerst müssen wir das ganze Areal planen, dann gibt es eine Etappierung, so dass ein Teil der Leute vorläufig noch in andere Blöcke umziehen kann.» Noch habe kein Architekt den Auftrag. Die Gebäudeversicherung stecke seit zweieinhalb Jahren mit der Stadt Zug in Verhandlungen. Die Stadt Zug selber will sich zur Sache noch nicht äussern, da sie der Beantwortung der Interpellation nicht vorgreifen möchte.  

Hoffnung, dass das Projekt nochmals überdacht wird

Mit der eingereichten Interpellation erhofft sich Mathers, dass die Baugenossenschaften und die Kantonale Gebäudeversicherung den Abriss noch einmal überdenken. «Die Stadt schreibt in ihrer Strategie zu ‹Wohnen für alle in Zug› klar, dass sie mit Wohnbaugenossenschaften zusammenarbeiten wolle und dass man sich für den kostengünstigen Wohnungsbau einsetzen werde. Doch nun will sie diese wirklich günstigen Wohnungen einfach abreissen. Ich habe gehört, dass bei der Quartierversammlung sogar Einwohner geweint haben.»


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2 Kommentare
  • Profilfoto von Artem Borsov
    Artem Borsov, 10.04.2015, 13:59 Uhr

    Herr Gisler, schön das es Leute gibt, die sich für die langjährigen dortigen Einwohner einsetzen, aber als Skandal würde ich die ganze Geschichte nicht bezeichnen, denn die superschönnen 15 30er, 40er oder 50er Jahre Blocks verschönern das Stadtbild von Zug nicht sehr, eher im Gegenteil, es sind langweilige alte Blocks, bei denen sich jegliche Renovationen nicht mehr lohnen, einige von denen könnten gar immer mehr zu Schandflecken werden.
    Eine suksessive Erneuerung eines gewissen Teil der Gartenstadt, etappenweiser Bau, ist nicht zu umgehen. Diesen Leuten könnte beispielsweise eine Wohnrecht in den neuen Bauten zu vergünstigten Mietzinsen angeboten worden. Lösungen gibt es ganz sicher! Aber für diese Blöcke lohnt es sich ganz sicherlich nicht, einen «Denmalschutz» oder etwas ähnliches zu errichten!

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  • Profilfoto von Stefan Gisler
    Stefan Gisler, 10.04.2015, 09:14 Uhr

    Die Fraktion Alternative-CSP bringt die geplante Vernichtung von zahlbarem Wohnraum mit ihrer Interpellation zu Recht auf Tapet. Wir müssen Sorge tragen für die Bedürfnisse alteingessener Bewohnerinnen der Gartenstadt, zu unserem Ortsbild und zur ausgewogenen Zusammensetzung der Bevölkerung. Solch radikale Eingriffe gefährden all dies.
    Und hier noch der Link zur Interpellation der Fraktion Alternative-CSP ->
    http://www.stadtzug.ch/dl.php/de/55239aa641dba/15.04.07_preisgunstiger_Wohnraum_Gartenstadt.pdf

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