«Web-Gate»-Debatte im Kantonsrat

Staatspersonal wird erneut überprüft

Einige Luzerner Verwaltungsangestellte haben die Prioritäten vertauscht. (Bild: Fotolia)

Wie muss der Kanton mit der Nutzung des Internets umgehen? Welche Seiten müssen für das Staatspersonal gesperrt werden und warum? Nach vielen Voten, Erklärungen und Anschuldigungen wurde ein Vorstoss der SVP schlussendlich angenommen. Eine neue Untersuchung soll Klarheit schaffen.

Gibt es hier Zugang zu Porno-Seiten? Ein wenig Gelächter. Aber genau um das ging es. Zur Erheiterung einzelner Kantonsräte wurde es während der Debatte ausprobiert. Der Zugriff auf «youporn» funktioniert, wurde festgestellt. Und das passte wunderbar zur Diskussion: Wie muss der Kanton mit der Nutzung des Internets umgehen? Welche Seiten müssen für das Staatspersonal gesperrt werden und warum? Es wurde hitzig um das Postulat von Rolf Bossart (SVP, Schenkon) diskutiert.

Bossart forderte vom Regierungsrat eine Prüfung und Sofortmassnahmen: Eine Untersuchung, welche Gesetze, Verordnungen oder Reglemente angepasst werden müssen, damit angebliche «Nutzungsmissbräuche» von Kantonsangestellten nicht mehr passieren könnten (zentral+ berichtete).

20 verschiedene Redner

Angriff auf Schwerzmann?

Ein Unbekannter hat die Ergebnisse einer Nutzungsanalyse aus dem Jahr 2010 vor einer Woche dem «Sonntags-Blick» zugespielt. Wohl auch mit dem Ziel, dem zuständigen Departementsvorsteher Marcel Schwerzmann (parteilos, seit 2007) die Wiederwahl zu vermiesen – die kantonalen Wahlen finden am 29. März statt.

Der volkswirtschaftliche Schaden und der Verbrauch von Steuergeldern sei immens, so Bossart. «Mein Postulat ist keine Schnapsidee», eröffnete er die Diskussion. Der SVP-Kantonsrat verlangt unter anderem eine genaue Übersicht, wie viel Zeit die Angestellten des Kantons wirklich für private Zwecke im Internet verbringen. Dass es keine Schnappsidee war, bestätigte der Rat in einer einstündigen Beratung mit rund 20 Rednerinnen und Rednern.  

«Es ist höchst bedenklich, dass das Problem auf Führungsebene so verschleppt und verzögert wurde», sagte Bossart. «Jetzt kann man nur noch reagieren.» Die Medienberichterstattung der letzten Tage zeige auf, dass Fehler gemacht wurden. Angestellte des Kantons hätten das Internet übermässig viel privat genutzt. In Betracht zu ziehen sei eine Sperrung von Social Media (Facebook, Twitter, Youtube), verschiedenen Medien, Spielseiten, Chats, Porno- und Waffenportalen.

Schwierige Trennung von privat und geschäftlich

Die grosse Mehrheit des Kantonsrates folgte Bossarts Idee, obwohl wenig bis gar nichts von einem absoluten Surfverbot für Kantonsangestellte gehalten wurde, wie es ebenfalls im Vorstoss verlangt wird. Für die CVP sagte Heidi Frey (Sempach) «Aus heutiger Sicht ist es ein Fehler, dass Marcel Schwerzmann 2010 keine Notwendigkeit sah, zu informieren. Und ferner ist es verwerflich, wenn Mitglieder der Verwaltung vertrauliche Daten der Presse zuspielen.» Die CVP unterstütze die inzwischen angeordnete Administrativuntersuchung sowie ein strafrechtliches Vorgehen gegen den unbekannten Informanten. 

Michel Bucher (Grüne, Luzern) störte sich vor allem an der Berichterstattung und der Wortwahl der Medien. «Porno-Beamte» sei echt der Gipfel und eine ungerechtfertigte Pauschalisierung. «Das ist echt nach hinten losgegangen. Das Staatspersonal arbeitet grossmehrheitlich gewissenhaft. Das darf hier einfach nicht vergessen werden.» 

Nicht selten gab es auch eine Schelte in Richtung der anwesenden Medien. Auch Priska Lorenz (SP, Grosswangen) bedauerte, dass der Internetkonsum einiger Angestellter durch die reisserische Berichterstattung ein schlechtes Bild auf die gesamte Verwaltung wirft. «Zudem muss in der Diskussion berücksichtigt werden, dass immer mehr auch geschäftliche Mails zu Hause beantwortet werden. Private Internetnutzung ist nicht mehr so einfach von geschäftlicher Nutzung zu trennen.» 

«Wir sind selbstkritisch»

Der Präsident des Staatspersonalverbandes und CVP-Kantonsrat Raphael Kottmann (Oberkirch) übernahm das Wort im Namen aller Angestellten des Kantons: «Wir stehen für qualitativ hohe und bürgernahe Leistungen des Staates und nehmen die Vorwürfe nicht auf die leichte Schulter. Meiner Meinung nach ist es aber der Sache nicht dienlich, die Internetnutzung einzelner nur aufgrund der Berichterstattung über einen Kamm zu scheren.» Der Personalverband unterstütze den SVP-Vorschlag, die Web-Nutzung des Personals nochmals zu prüfen. 

Als zuletzt Regierungsrat Marcel Schwerzmann das Wort ergriff, kehrte eine gespannte Ruhe im Saal ein. Vorher wurde er von den Kantonsräten – von linker wie rechter Seite – angefahren, er habe seine Verantwortung nicht wahrgenommen. «Die Analyse habe ich selber angeordnet und eine solche ist vertraulich und auf Verwaltungsstufe angesiedelt. Ich sah Handlungsbedarf, aber keinen aussergewöhnlichen.» Deshalb habe er den Regierungsrat nicht informiert, und ergänzt: «Die Verantwortung zur Ausführung liegt im Bereich Leiter Informatik.»

Zudem habe der «Sonntags-Blick» nach seltsamer Logik gerechnet und eine technische Analyse pauschalisiert. «Mit fatalen Folgen für die Angestellten», wie Schwerzmann betont. Schlussendlich wurde dem Postulat von Bossart mit 92 zu 19 zugestimmt. Somit werden eine Prüfung und Sofortmassnahmen in die Wege geleitet.

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