Moral und Schuld beim Zuger Finanzausgleich

«Das habt ihr mit unserem Geld gebaut»

Objekt des ZFA-Ruchs: Das geplante Ägeribad, hier bei Nacht mit luxuriösem Dampf. Ob Luxus ein Argument ist im ZFA-Diskurs? Nein, sagt Finanzdirektor Hegglin. (Bild: zvg)

Calatrava-Brücke, Ägeribad, Dreifachturnhalle: Die Nehmergemeinden bauen «Luxusprojekte» und die Geber müssen Budgets kürzen. So zumindest die Argumentation im Zuger Finanzausgleich, sobald die politischen Wogen etwas höher gehen. Der Frust ist verständlich, aber ist das Argument legitim?

«Luxusprojekt», «alles aus dem Finanzausgleich bezahlt», «Die Stadt Zug muss sparen, damit sich das Ägerital ein neues Bad leisten kann» – so klingt es im Kanton Zug immer dann, wenn eine Gemeinde ein Projekt beschliesst, das in irgendeiner Weise aus dem Rahmen fällt. Zumindest wenn es sich dabei um eine Gemeinde handelt, die vom Zuger Finanzausgleich profitiert. Beispiele? Das Ägeribad, die Calatrava-Brücke in Cham, die Dreifachturnhalle in Unterägeri.

«Natürlich spotten wir Finanzchefs immer wieder, das habt ihr mit unserem Geld gebaut.»

Hans Steinmann, Finanzchef Baar

Dem Geld aus dem horizontalen Finanzausgleich unter den Zuger Gemeinden haftet ein moralischer Ruch an – zumindest in der öffentlichen Diskussion. Der Frust ist verständlich, die Stadt Zug etwa muss grosse Budgetkürzungen vornehmen, um den Finanzausgleich finanzieren zu können. Das wurmt einige Stadtzuger Bürger und Politiker. Aber ist das Argument legitim? Sind die Nehmergemeinden den Gebergemeinden etwas schuldig? Nein, sagt Finanzdirektor Peter Hegglin. «Die Gemeinden unterstehen alle denselben Regeln, was ihre Budgets angeht: Sie müssen wirtschaftlich, sparsam und effizient mit ihren Mitteln umgehen. Das gilt für alle Gemeinden im Kanton.»

«ZFA ist eine gute Sache»

Das ist aber offenbar nur auf dem Papier der Fall – im Gefühl der Geber- und Nehmergemeinden hinterlässt der ZFA durchaus seine Spuren. «Natürlich spotten wir Finanzchefs der Gemeinden immer wieder, das habt ihr mit unserem Geld gebaut», sagt der Finanzchef von Baar, Hans Steinmann. Baar ist die zweitgrösste Gebergemeinde. «Aber klar, der ZFA ist eine gute Sache. Es ist ein wirklich solidarischer Ausgleich, und einige Nehmergemeinden würden ohne ihn schlicht nicht über die Runden kommen.»

Der Zweck des ZFA ist allerdings recht klar definiert und geht über blosse Solidarität hinaus: Es ist der finanzielle Ausgleich zwischen den Zuger Gemeinden, und die Annäherung der Steuerfüsse. Letzteres hat gut geklappt, die Differenz zwischen den innerkantonalen Steuerfüssen hat sich von 2003 bis 2012 halbiert. Ersteres funktioniert zwar ebenfalls, aber, sagt der Finanzdirektor, «es gibt natürlich das moralische Argument. Ob das Ägeribad ein Luxusprojekt ist, kann ich nicht sagen. Ob ich es aber gebaut hätte, da bin ich mir nicht so sicher. Aber das haben Sie mich ja auch nicht gefragt», sagt er und lacht.

Zweite Tranche der Verhandlungen

Im Moment unterliegt der Zuger Finanzausgleich einer Neuausrichtung: Der Kantonsrat hat im letzten Jahr in einer ersten Runde beschlossen, die Berechnungsgrundlage für den ZFA anzupassen. Das entlastet die Gebergemeinden. Es soll aber noch zu einer zweiten Entlastungsrunde kommen, wenn es nach den Gebern geht. Wie sieht Hegglin die Chancen? «Die Signale aus den Gemeinden sind mehrheitlich ablehnend: Sie sind der Meinung, man habe mit diesem ersten Entschluss jetzt eine gute Lösung.» Die Gebergemeinden allerdings würden immer noch auf mehr Entlastung hoffen.

«Das Geld steht den Gemeinden zu»

Was bedeutet das nun? Wenn zum Beispiel das Bad ein Luxusprojekt wäre, hätte es dann nicht gebaut werden dürfen? «Grundsätzlich können die Gemeinden mit dem Geld tun, was sie für richtig halten», sagt Hegglin. Sie müssten sich nicht gegenüber den Gebergemeinden verantworten, sondern gegenüber der Bevölkerung. «Und», sagt Hegglin weiter, «man muss vielleicht den Körperschaften auch einfach zugestehen, dass sie mit ihren Mitteln vernünftig umgehen.»

Trotzdem werde das moralische Argument in der Politik oft angeführt, sagt Hegglin. «Aber es hat jedenfalls keine finanzielle Auswirkung. Das Geld steht den Gemeinden zu.»

«Sonst würden alle Leute nach Zug ziehen, das kann ja auch nicht die Meinung sein.»

Peter Hegglin, Finanzdirektor

Wenn es ihnen zusteht, leisten die Gemeinden auch etwas für dieses Geld, oder ist das Geld aus dem ZFA geschenkt? «Geschenkt ist es nicht. Und man könnte auch argumentieren, dass diese Gemeinden etwas für dieses Geld leisten. Etwa indem sie nicht alles überbauen, oder indem sie Naherholungsgebiet für die Kernzone bieten.» Wenn sie etwa viel Landwirtschaftsland auf Gemeindegebiet haben. Das generiere zwar keine grossen Steuererträge, aber trage dennoch zur Qualität des Kantons bei. «Nur lässt sich das nicht berechnen. Aber wenn man nur noch durch die Stadt wandern könnte, das wäre auch nicht schön.»

Kein Unterschied für die Gebergemeinden

Zudem wolle man mit dem ZFA auch erreichen, dass die Randgemeinden einen vergleichbaren Standard bieten könnten wie die Zentrumsgemeinden. «Dass es auch in Menzingen gute Lehrer gibt und adäquate Infrastruktur. Sonst würden die Leute alle nach Zug ziehen, das kann ja auch nicht die Meinung sein.» Da solche Gemeinden allerdings weniger Steuererträge generieren können als die Zentrumsgemeinden, dafür gebe es den horizontalen Finanzausgleich.

Das sieht auch der Finanzchef der zweitgrössten Gebergemeinde so, der Baarer Gemeinderat Hans Steinmann. «Ich persönlich denke nicht, dass die Nehmergemeinde eine Verpflichtung gegenüber den Gebergemeinden haben», sagt er, «der ZFA stützt sich auf ganz andere Dinge ab. Es macht für die Gebergemeinden keinen Unterschied, ob eine Nehmergemeinde das Geld aus dem ZFA investiert oder nicht. Die Gemeinde erhält genau gleich viel aus dem ZFA, egal was sie mit dem Geld tut.»

Was kostet die Schönheit des Zugerbergs?

Es ist aber nicht nur die Peripherie, die für ihre Einschränkungen entlastet werden will: Auch das Zentrum hat Lasten, muss Infrastruktur bieten, die über die der peripheren Gemeinden hinausgeht. «Man hat in der Diskussion um die Neugestaltung des ZFA deshalb auch darüber gesprochen, ob die Stadt Zug für ihre Kernzone entlastet werden soll», sagt Regierungsrat Peter Hegglin. «Aber dann müsste man auch ein Ausgleichssystem für die Berggemeinden einführen, dass sie für ihre Landwirtschaftszonen entschädigt.» Diese Diskussion wäre mit Zahlen nicht zu führen gewesen: Was ist eine Naherholungszone wert? Wieviel kostet die Erhaltung einer Alp? Was bringt die Schönheit des Zugerbergs in Franken? «Das wäre eine rein politische Verhandlung, und die Seite mit den meisten Einwohnern würde sich durchsetzen. Deshalb hat man sich darauf beschränkt, ein berechenbares System beizubehalten.»

Ein System, dass auch die Gebergemeinden nicht übervorteilt: Sobald eine Nehmergemeinde ihren Steuerfuss unter den Durchschnitt der Gebergemeinden senkt, bekommt sie weniger Geld aus dem Finanzausgleich. «Der ZFA ist ein gutes System», sagt Hegglin, «wir würden uns so eine Regelung auch beim NFA wünschen.»

«Darf nicht einreissen»

Oberägeri ist Gebergemeinde, war aber immer auf der Kippe. Gemeindepräsident Pius Meier besteht darauf: «Wir werden auch Gebergemeinde bleiben.» Das neue Ägeribad wird von Ober- und Unterägeri bezahlt. Unterägeri finanziert seinen Beitrag auch aus ZFA-Geldern. Ist das in Ordnung? «Mit dem Bad leisten wir einen Beitrag zur Abdeckung eines Bedürfnisses im ganzen Kanton, das ist auch ein überregionales Angebot. Wir stellen damit etwas zur breiten Nutzung zur Verfügung», sagt Meier.

Und es sei ja auch der Zweck des ZFA, dass sich alle Gemeinden in etwa gleich gute Infrastruktur leisten können. «Natürlich darf es nicht einreissen», sagt Pius Meier. «Es darf nicht sein, dass sich die Nehmergemeinden plötzlich Investitionen leisten, die sich die Gebergemeinden nicht mehr leisten können.»

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