Luzern

Längerer Blackout: Luzern ist zu wenig vorbereitet

Tagelang keine Elekrizität: Zerstörte Strommasten im deutschen Münsterland 2005. (Bild: PD)

Eine Ratte hat diese Tage Teile von Bern lahmgelegt, weil sie ein Stromkabel in einer Trafostation annagte. Auch die Zentralschweiz ist nicht gefeit vor solchen Pannen, die unsere Abhängigkeit von elektronischen Geräten zeigen. Und die gravierende Auswirkungen auf das städtische Leben haben.

An einem Wochentag abends im Luzerner Bruchquartier. Unsere Protagonistin – nennen wir sie Gisela Odermatt – sitzt abends gemütlich mit einem Glas Rotwein vor ihrem Laptop und kommuniziert via Facebook und E-Mail. Draussen blitzt und donnert es, ein Sommergewitter. Kurz vor 19 Uhr Uhr flackert das Licht, 30 Sekunden später geht es ganz aus. Aus «Schweiz aktuell» wird heute abends nichts, der Fernseher funktioniert ebenfalls nicht mehr.
Gisela Odermatt blickt zum Fenster hinaus – alle Nachbarhäuser sind dunkel und die Strassenlampen aus. «Also kein Problem in meinem Sicherungskasten», denkt sie. Vermutlich ein Blitzeinschlag in der Trafostation. Oder eine «gegrillte Ratte» wie in Bern. Das Tierchen, das bei seinem letzten Biss mit 12’000 Volt ins Jenseits befördert wurde, tut ihr plötzlich leid.

Handynetz überlastet

Odermatt versucht mit dem Handy ihre beste Kollegin im Tribschenquartier anzurufen. Doch alle Versuche werden mit «Netzüberlastung» abgewiesen. Woher bekommt sie nun ihre Informationen? Alle Informationsquellen sind abhängig von der Steckdose und sie hat auch kein Radio mit Batteriebetrieb.
Endlich, um 19.50 Uhr kommt sie telefonisch durch und hat ihre Kollegin am Apparat. Diese erzählt, dass man von zwei Stunden Stromausfall ausgeht und die ganze Stadt betroffen sei.  Am nächsten Morgen um 5.20 Uhr gehen das Licht und der Fernseher an – der Strom ist wieder da. Nach über 10 Stunden ist alles wieder normal. Nun hört die Luzernerin das erste Mal wieder Nachrichten und begreift das Ausmass der Zerstörung. Ein heftiges Gewitter und ein Sturm haben das Stromnetz lahmgelegt. Knapp 80’000 Menschen waren die ganze Nacht ohne Elektrizität.

Abhängigkeit ist gross

8 bis 13 Stromausfälle im Jahr

Wie viele Stromausfälle zählt eigentlich Luzern? Gemäss EWL-Sprecherin Petra Zimmermann passieren in der Stadt im Schnitt acht bis 13 Stromausfälle pro Jahr. Meist seien nur einzelne Häuser betroffen. Der letzte grosse Stromausfall liege rund fünf Jahre zurück.
Gründe für die Pannen sind laut Zimmermann oft Bauarbeiten, bei denen eine unterirdische Stromleitung beschädigt wird. Wo es noch Freileitungen gibt (eher in der Agglomeration), könnten starke Winde oder ein auf die Leitung fallender Baum zu Unterbrüchen der Elektrizitätsversorgung führen. Petra Zimmermann: «Es kann aber natürlich auch vorkommen, dass die Technik unerwartet kaputt geht.»

Zugegeben, der Fall ist fiktiv. Doch er zeigt, wie wenig wir eigentlich ohne unsere Geräte funktionieren können. Wir lassen uns durchs Handy wecken, haben unsere Adresskartei dort abgespeichert, lesen Mails oder Zeitungen damit, bis wir das «Allerheiligste» spätabends auf dem Nachtisch deponieren.

Auch alle erdenklichen Haushaltgeräte kommen nicht ohne Strom aus. Dazu kommen all die Steuerungen und Maschinen, die das öffentliche Leben regeln: Kühl- und Heizsysteme, die Liftanlagen, die automatisch gesteuerten Türen von Läden, und teilweise die Zapfhähne an den Tankstellen kommen nicht ohne Elektrizität aus. Lebensmittel müssen ständig gekühlt werden. In den Spitälern und Heimen entscheiden Apparate sogar zwischen Leben und Tod. Und die öffentliche Sicherheit ist nicht mehr gewährleistet, wenn die Bürgerinnen und Bürger Polizei und Feuerwehr nicht mehr erreichen können.

Sicherheit nicht gewährleistet

Was wäre, wenn das alles durch einen Stromausfall urplötzlich ausfallen würde, nicht nur für einige Stunden, wie es manchmal vorkommt, sondern für Tage oder gar Wochen? «Das hätte weitreichende Konsequenzen, kaum ein Bereich im städtischen Leben wäre nicht betroffen», heisst es im Sicherheitsbericht 2013 der Stadt Luzern. Darin analysiert die Stadtverwaltung alle drei Jahre die Sicherheitslage. Anders als 2010 haben die Mitarbeiter von Stadtrat Adrian Borgula, Direktor Umwelt-, Verkehr und Sicherheit, dieses Jahr erstmals den Stromausfall und den Ausfall von Informations- und Kommunikationsinfrastruktur (luK) als Gefahrenquelle aufgenommen. Stromausfall wird als hohes Risiko für die Stadt Luzern beurteilt.

Der Grund: Die Abhängigkeit von funktionierender Strom- und luK-Infrastruktur wird laufend grösser. Im Bereich der Vorsorge und Ereignisbewältigung sei «Potential zur Verbesserung vorhanden», heisst es. Deutlicher ist die folgende Aussage: «Ein spezifischer Notfallplan für Blackouts existiert bislang nicht.»
Wenig beruhigend ist auch folgende Aussage: «Während die Polizei, Spitäler und wichtige Institutionen über ein Notstromsystem verfügen ist dies ein (erkanntes) Defizit bei der Feuerwehr.»

Blackout 2010 durchgespielt

Theoretisch wurden solche Szenarien schon durchgespielt. 2010 führte der Gemeindeführungsstab von Luzern eine Übung zum Thema Blackout durch. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz leitete diese. «Gewisse Probleme wurden schon damals erkannt», sagt Maurice Illi, Sicherheitsmanager der Stadt Luzern, der damals an der Übung beteiligt war. «Wir haben zum Beispiel rasch gemerkt, wie stark wir uns aufs Handy verlassen. Doch dieses Hilfmittel steigt ohne Strom innert weniger als einer Stunde aus.» Wie informiert man die Bevölkerung ohne solche Hilfsmittel? Das ist laut Illi ein Knackpunkt. «Radio wird heute auch oft übers Handy gehört. Wer hat noch ein batteriebetriebenes Radio?» Oder die Information mit Wagen geschehen, die mit Lautsprechern ausgerüstet würden.

Laut Maurice Illi ist eine solche Katastrophe in Luzern schwer vorstellbar. Trotzdem müsse man einen solchen Fall in Erwägung ziehen. Er erwähnt das deutsche Münsterland in Nordrhein-Westfalen. Dort gab es im November 2005 nach grossen Schneefällen während rund vier Tagen keinen Strom, das öffentliche Leben kam zum Erliegen. «Der Grund war, dass einige Strommasten der Freileitung das Gewicht des schweren Schnees auf den Leitungen nicht mehr tragen konnten. Vielerorts knickten sie um oder brachen entzwei.» Luzerns Stromleitungen verlaufen im Unterschied zum Münsterland zumeist unterirdisch. Das Risiko eines grossen Stromausfalls ist aber dennoch immer vorhanden (siehe auch Infobox).

Zehn Massnahmen empfohlen

Illi hofft, dass die Stadt durch den Sicherheitsbericht auf das Thema sensibilisiert werden kann und empfohlene Massnahmen zur Reduktion des Risikos umgesetzt werden. Der Entscheid liege letztendlich beim Stadtrat und beim Parlament.

Im Sicherheitsbericht werden zehn Massnahmen für den Fall einer technischen Gefährdung empfohlen: Nötig ist danach zum Beispiel ein Kommunikationskonzept für den Fall eines Blackouts. Aber auch Konzepte für die Ver- und Entsorgung von Wasser und Abfall, die Sicherstellung der medizinischen Versorgung, Notunterkünfte, Konzepte zur Sicherstellung der vitalen Dienste der Stadtverwaltung, ein Sicherheitskonzept gegen Plünderungen und eine Notstromversorgung im Feuerwehrgebäude.

Ausserdem müsse die Bevölkerung für das Thema Stromausfall sensibilisiert werden. «Das Wissen über sinnvolles Verhalten während eines Stromausfalles ist gering. Die Bevölkerung soll motiviert werden, ein batteriebetriebenes Radio, Taschenlampen und Notvorräte sicherzustellen.»

«Folgen höchstens mindern»

Doch wir Luzerner sind in diesem Fall einmal nicht die Einzigen, die sich noch zu wenig mit solchen Szenarien beschäftigen. Auch unser gut organisiertes nördliches Nachbarland ist wenig vorbereitet auf das Szenario eines länger andauernden Stromausfalls. Das Büro für Technikfolgen beim Deutschen Bundestag schreibt in seinem Blackout-Bericht 2011: «Die Wahrscheinlichkeit eines lang andauernden und das Gebiet mehrerer Bundesländer betreffenden Stromausfalls mag gering sein. Träte dieser Fall aber ein, kämen die dadurch ausgelösten Folgen einer nationalen Katastrophe gleich.»
Ein solcher Fall sei auch bei Mobilisierung aller internen und externen Kräfte und Ressourcen nicht beherrschbar, sondern allenfalls nur zu mildern.

Das Fazit der Autoren: «Der Stromausfall sollte auf der Agenda der Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft weiterhin hohe Priorität haben, auch um die Sensibilität für diese Thematik in Wirtschaft und Bevölkerung zu erhöhen.» Die Empfehlung lässt sich problemlos auf Luzern und andere Gemeinwesen der Zentralschweiz übertragen.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Armin Villiger
    Armin Villiger, 10.09.2013, 12:37 Uhr

    Wer sich für dieses Thema interessiert dem sei das Buch Blackout empfohlen http://www.blackout-das-buch.de/ Ich denke, manch einer wird erschrecken was in Europa passieren könnte wenn der Strom grossflächig für ein paar Tage ausfallen würde.

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