Kantonsrat Zug

Kein Maulkorb für Vereine

Keine Frage für den Kantonsrat: Die Frauenzentrale hat nicht mit staatlichen Mitteln ihren Abstimmungskampf finanziert. (Bild: Carlo Schuler)

Die SVP will wissen, ob ein Verein mit staatlichem Leistungsauftrag sein Geld für Abstimmungspropaganda ausgeben darf. Und verdächtigt die Frauenzentrale, mit staatlichen Mitteln gegen die SVP-Abtreibungs-Initiative Stimmung gemacht zu haben. Im Kantonsrat stösst sie damit nicht auf Gegenliebe.

Darf ein Verein sich in einen politischen Abstimmungskampf einbringen, wenn er für bestimmte Leistungen Geld vom Staat erhält? Um diese Frage debattierte am Donnerstagmorgen der Zuger Kantonsrat, und dabei gingen die Emotionen so hoch, dass am Schluss SVP-Kantonsrat Philip C. Brunner sich genötigt sah, an der Bürgerlichkeit der Regierung zu zweifeln: «Das ist sozialdemokratisches Gedankengut, das die grossbürgerliche Regierung da übernimmt», sagt Brunner, «das ist das Empörende.» Und von der Gegenseite nicht weniger heftig: «Diese Interpellation ist ein Rohrkrepierer», sagt SP-Kantonsrat Eusebius Spescha und CVP-Mann Heini Schmid fragt: «Wir fragen uns, was soll das Ganze eigentlich?»

2.8 Millionen Franken aus Bund und Kanton

Das Ganze hat wie folgt angefangen: Die SVP hatte eine Interpellation eingereicht mit der Frage, ob es angehe, dass die Zuger Frauenzentrale im Abstimmungskampf zur Abtreibungs-Initiative vom 9. Februar dieses Jahres Propaganda machte. Und das, obwohl sie zum Teil vom Kanton und Bund mitfinanziert sei. Es sei nicht nachvollziehbar, dass aus der Staatskasse politische Meinungsmache mitfinanziert werde, so die Haltung der SVP. «Ich habe per Zufall das Jahresbudget der Frauenzentrale gefunden», sagt SVP-Kantonsrat Manuel Brandenberg, «und darin steht, dass von Bund und Kanton 2.8 Millionen Franken Zuschuss budgetiert sind. Da kann man nicht davon reden, dass der Verein nicht durch die öffentliche Hand finanziert sei.»

«Das ist absurd»

Die Frauenzentrale ist ein privater Verein, hat aber einen Leistungsauftrag vom Kanton. Für diese Leistung wird sie vom Kanton entschädigt. Sie ist nicht das einzige Beispiel dieser Art von Zusammenarbeit, es ist im Kanton Zug gang und gäbe, dass gewisse Leistungen ausgelagert werden. «Es macht Sinn, dass Vereine und Organisationen Aufgaben übernehmen, die über das Know-How in einem Gebiet schon verfügen», sagt denn auch CVP-Kantonsrätin Silvia Thalmann.

Aber dürfen sie auch politische Werbung machen? Für Eusebius Spescha von der SP ist klar: «Es ist absurd zu verlangen, dass Vereine mit staatlichem Auftrag sich nicht zu politischen Themen äussern dürfen.» Die Frauenzentrale habe Aufgaben vom Staat übernommen, da sei es nichts anderes als anständig, dass der Staat auch dafür aufkomme. «Und wenn Herr Brandenberg die Rechnung genau angeschaut hätte, dann hätte er auch gesehen, dass die Frauenzentrale aus ihren Einkünften im Brockenhaus auch etwas zu den Aufgaben beisteuert, die sie vom Kanton übernommen hat.» 

Freiheit mache Vereine schnell

Aber ist es tatsächlich zulässig, dass ein Verein aus der vom Staat mitfinanzierten Kasse eine Abstimmung beeinflusst? «Ich verstehe die Emotionalität der SVP insofern, als dass es natürlich mühsam ist, wenn ein Verein dem Geldgeber in den Rücken fällt», sagt CVP-Kantonsrätin Thalmann, «aber die Frauenzentrale ist seit ihrer Gründung politisch aktiv, hat sich etwa für das Frauenstimmrecht eingesetzt. Es ist aber gerade diese Freiheit, die private Vereine so viel schneller macht als den Staat.»

«Abtreibungspropaganda selber finanziert»

Und dann sollen endlich die Zahlen kommen: CVP-Kantonsrätin Christine Blättler-Müller steht ans Rednerpult und sagt: «Jetzt möchte ich noch etwas klarstellen. Ich bin im Vorstand der Frauenzentrale. Unsere Mitglieder haben im letzten Jahr 25’313 Arbeitsstunden gratis geleistet.» Das seien umgerechnet 864’110 Franken, die die Frauenzentrale als Freiwilligenarbeit zu den Aufgaben beitrage, die sonst der Staat übernehmen müsse. «Zudem erwirtschaften wir im Brocki ungefähr 800’000 Franken, mit denen wir auch Angebote querfinanzieren. Die Abtreibungspropaganda, wie die Interpellanten so schön sagen, haben wir mit unseren eigenen Mitteln finanziert, das können wir auch beweisen.»

Sagt sie und das gibt der Debatte Aufwind, bis CVP-Kantonsrat Heini Schmid auftritt und fragt: «Was soll das Ganze eigentlich? Wenn wir die Privaten nicht mehr einbinden in solche Aufgaben, dann haben wir den Staatsmoloch», und zu den SVP-Interpellanten: «Das ist ja gerade nicht, was Ihr wollt, dass der Staat noch grösser wird.» Es sei unsinnig, die Leute mit einem Maulkorb zu bestrafen, die sich ehrenamtlich an der Gesellschaft beteiligen. «Was Ihr macht ist, dass sich die Leute zunehmend überlegen, ob sie wirklich freiwillig etwas leisten sollen. Ihr versucht freiwilliges Engagement mit einem schlechten Geruch zu umgeben, und das hat, besonders von dir Manuel, System. Dem muss man entschieden entgegentreten.»

«Nicht Sache des Kantons»

Ein Maulkorb für Vereine sei nicht nur absurd, er sei sogar schädlich, sagt SP-Kantonsrätin Barbara Gysel: «Ich möchte die Organisationen ermuntern, sich an politischen Auseinandersetzungen zu beteiligen. Als Stimmbürger sind wir darauf angewiesen, dass wir fachliche Abstimmungsinformationen, mit der nötigen Objektivität, erhalten.» Zum Schluss der Debatte sagt Regierungsrätin Manuela Weichelt: «Die Frauenzentrale ist sehr bewusst mit der Frage umgegangen, mit welchen Mitteln sie ihre Äusserungen zur Abstimmung finanziert. Es ist nicht Sache des Kantons zu entscheiden, wofür sich ein privater Verein mit seinen Mitteln einsetzt.»

In der Interpellation warf die SVP zudem die Frage erneut auf, ob die Vorstände von Vereinen mit Leistungsauftrag nicht nach Parteienproporz zu besetzen seien (zentral+ berichtete) und stiess damit auf noch weniger Gegenliebe. «Auch die SVP hat die Möglichkeit, engagierte Leute zu schicken», sagt Eusebius Spescha aus der SP-Fraktion. SVP-Kantonsrätin Gloria Isler meldet sich zu Wort und sagt: «Ich bin eine SVP-Frau und würde mich gerne in der Frauenzentrale engagieren, aber ich wurde noch nie angefragt.»

Die Frage nach der Finanzierung von Abstimmungspropaganda ist am Beispiel Frauenzentrale offenbar nicht abschliessend zu klären: Der Verein hat sauber getrennt, welche Aktivitäten mit welchen Mitteln finanziert werden sollen. Es besteht für den Regierungsrat kein Anlass, weitere Auflagen zu machen, um dem Verein politische Stellungsnahmen zu verbieten. Das schreibt er in seiner Interpellationsantwort. Der von den Interpellanten angedachte Maulkorb für Vereine mit staatlichem Auftrag, kommt allerdings bei keiner Fraktion gut an: «Die FDP-Fraktion ist der Meinung, dass es die Aufgabe der Frauenzentrale ist, zu gesellschaftlichen Themen Stellung zu beziehen», sagt FDP-Kantonsrätin Alice Landtwing. «Und ich als Vereinsmitglied erwarte auch, dass sie das tut.»    

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