Regierungsräte im Interview 5: Manuela Weichelt

«Dominant? Damit kann ich also leben»

Manuela Weichelt-Picard will sich stärker für den sozialen Wohnungsbau einsetzen, muss aber eingestehen: «Man kann die Situation nicht von heute auf morgen ändern.» (Bild: mag)

Manuela Weichelt ist die einzige Frau im Regierungsrat und zudem die einzige linke Politikerin. Im fünften Teil unserer Regierungsrats-Interviews erklärt sie, weshalb sie trotzdem linke Anliegen einbringen kann. Und weshalb es ihr nichts ausmacht, wenn sie als dominant bezeichnet wird.

zentral+: Frau Weichelt, weshalb kandidieren Sie noch einmal für den Regierungsrat?

Manuela Weichelt-Picard: Weil ich meinen Job gern habe und etwas bewirken kann. Ich habe eine spannende Direktion mit vielfältigen Aufgaben. Ich setze mich hier für Gerechtigkeit, Fairness und den Schutz von Minderheiten ein, für Verbesserungen im Behindertenbereich, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die Gleichstellung von Mann und Frau. Zu meinen Bereichen gehören Wald, Fischerei und Jagd, Archäologie und Denkmalpflege, das Grundbuch, die Vermessung und das Geoinformationssystem GIS. Das sind alles wichtige, teilweise in der Öffentlichkeit unterschätzte Themen. Selbstverständlich engagiere ich mich für die Schaffung und Beibehaltung von bezahlbarem Wohnraum und für die Asylbetreuung. Zufrieden bin ich auch mit dem neuen Wahlsystem für den Kantonsrat, das wir eingeführt haben. Es ist gerecht, denn es lässt politische Minderheiten zu, und jede Wählerstimme zählt gleich viel.

zentral+: Können Sie als einzige linke Politikerin im Regierungsrat überhaupt linke Themen einbringen?

Weichelt: Sehen Sie, da ist ein Unterschied zwischen der Legislative und der Exekutive: Im Regierungsrat haben wir viele Themen, die nicht nach dem Links/Rechts-Schema beurteilt werden. Wir arbeiten im Regierungsrat über die Parteigrenzen hinweg gut zusammen, und das müssen wir auch: Im Asylwesen bin ich auf die Baudirektion angewiesen, welche die Asylunterkünfte baut. Ich brauche den Finanzdirektor, der die Gelder dafür spricht. Das muss harmonisch laufen. Auch wenn jedes Mitglied seinen eigenen Blickwinkel hat.

zentral+: Aber gerade Ihre Kernthemen wie die Gleichstellung von Mann und Frau hatten es in Ihrer letzten Legislatur schwer: Die Gleichstellungskommission wurde vom Parlament abgeschafft.

Weichelt: Das war ein Rückschlag. Mehrere Gruppierungen hatten nach der Abschaffung der Kommission Beschwerde beim Bundesgericht eingelegt. Sie haben teilweise Recht bekommen. Denn auch im Kanton Zug sei die faktische Gleichstellung noch nicht erreicht. Gerade die Politik ist dafür ein gutes Beispiel. Sehen Sie mal wie erschreckend wenig Frauen in den Gemeindeexekutiven sind. Das Bundesgericht verlangt nun vom Kanton in einem Urteil, dass er Massnahmen ergreift.

zentral+: Welche Massnahmen werden das sein?

Weichelt: Wir sind gerade dabei, ein Gesetz auszuarbeiten. Es liegt der Regierung aber noch nicht vor, weshalb ich dazu nichts sagen kann. Daneben habe ich in meiner Direktion ganz konkrete Massnahmen für die Gleichstellung in den letzten Jahren umgesetzt: Seit meinem Amtsantritt konnte ich die Frauenquote im Kader der Direktion des Inneren von null auf 50 Prozent erhöhen.

zentral+: Frau Weichelt, was war Ihr grösster Erfolg in Ihrer Amtszeit?

Weichelt: Die Einführung eines verfassungskonformen Wahlsystems für den Kantonsrat ist sicher ein grosser Erfolg. Das Volk hat der Vorlage mit über 80 Prozent zugestimmt. Daneben gibt es aber viele andere. Dass ich die Frauenquote im Kader der DI so erhöhen konnte, gehört auch dazu.

«Es sind noch nie so viele Gebäude im Kanton unter Schutz gestellt worden wie während meiner Amtszeit»

Manuela Weichelt, Regierungsrätin

zentral+: Sie setzten sich für den Natur- und Landschaftsschutz ein, die Denkmalpflege hat es aber im Kanton Zug so schwierig wie in wenig anderen Kantonen. Liegt das daran, dass Sie als linke Politikerin im Kantonsrat zuwenig Rückhalt haben? Wäre die Denkmalpflege unter einem bürgerlichen Politiker stärker?

Weichelt: Vorneweg: Es sind noch nie so viele Gebäude im Kanton unter Schutz gestellt worden wie während meiner Amtszeit und ich treibe die vollständige Inventarisierung mit grossen Schritten voran, damit die Eigentümerschaft endlich Rechtssicherheit erhält. Die Schwierigkeit liegt nicht im Parteiendenken, sie ist eine Folge des Baubooms in Zug: Wenn viel gebaut wird, hat es die Denkmalpflege schwer. Da die Privatinteressen wegen der hohen Bodenpreise so grosses Gewicht haben, ist es eine Herausforderung als Behörde geschichtsträchtige und identitätsstiftende alte Bauten zu erhalten. Häufig gibt es zwei Seiten: die Bauherren wollen häufig abreissen und neu bauen. Daneben gibt es aber auch grosse Bevölkerungsteile, die sich einen lebenswerten Kanton Zug mit einem auch historisch geprägten Gesicht wünschen. Ob ein bürgerlicher Politiker das öffentliche Interesse konsequenter gegen das partikulare Interesse von Bauwilligen der Bauherren verteidigen würde, weiss ich nicht.

Wer ist Manuela Weichelt?

Seit 2007 ist Manuela Weichelt Vorsteherin der Direktion des Inneren. Davor war sie für die Grünen die Alternative im Kantonsrat und präsidierte die Partei nach deren Gründung. Vor ihrer Arbeit als Regierungsräting war sie unter anderem als Projektleiterin beim Gesundheitsamt Graubünden tätig.

Sie war zudem Präsidentin der BENEVOL Zug und Vizepräsidentin des Gewerkschaftsbunds Zug. Sie hat einen Master in «Public Health» der Universitäten Basel, Bern und Zürich inne. Weichelt ist verheiratet und hat zwei Kinder.

zentral+: Sie wollen sich, falls Sie wiedergewählt werden, noch stärker für den sozialen Wohnungsbau einsetzen. Das war schon vor ihrer ersten Kandidatur ein Thema. Weshalb geht es da so langsam vorwärts?

Weichelt: Man kann die Situation nicht von heute auf morgen ändern. Der Kanton besitzt selber fast kein Land, das er mit bezahlbaren Wohnungen bebauen könnte. Aber wir haben viel unternommen, um die Situation zu verbessern, und haben dabei vor allem die Gemeinden in ihrer Planung unterstützt. Einige Gemeinden wie die Stadt Zug haben Zonen für bezahlbares Wohnen festgelegt, das scheint mir ein guter Weg. Andere haben bei Einzonungen von Landwirtschaftsland die Landbesitzer dazu verpflichtet, der Gemeinde Land abzutreten. Dies, da sie ihnen durch die Einzonung einen riesigen Mehrwert verschaffen. Die Ortsplanungsrevisionen kommen erst noch, deshalb stehen grosse Entscheide noch an. Und es gibt übrigens auch jetzt schon günstige Wohnungen im Kanton, nur gehen diese unter der Hand weg, und finden meistens nicht zu den Leuten, die sie aus finanzieller Sicht wirklich nötig hätten.

zentral+: Auch bei den neugegründeten Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde läuft noch nicht alles rund. Lernprozesse sind schwierig, wenn es in jedem Fall um das Wohl eines Kindes handelt. Wie kann sich eine Behörde unter diesen Umständen überhaupt entwickeln?

Weichelt: Vieles läuft bereits gut. Aber es  braucht mindestens fünf Jahre Zeit, bis sich alles eingespielt hat. Bis 2012 waren die Einwohner- und Bürgergemeinden für das Vormundschaftswesen zuständig. Aufgrund einer Bundesgesetzrevision mussten alle Kantone das Recht und die Strukturen anpassen. Aufgrund der Kleinheit des Kantons Zug hat sich der Kantonsrat mit Unterstützung der Gemeinden für eine kantonale Lösung entschieden. Der Kanton war aber auf die Fachleute in den Gemeinden angewiesen. Diese mussten bis Ende 2012 in den Gemeinden ihre Arbeit beenden und waren oft schon gleichzeitig beim Kanton tätig. Das war und ist eine Herausforderung für alle Beteiligten. Zudem ist die Aufgabe von ihrer Natur her schwierig: Man kann nicht alle glücklich machen. Trennt sich ein Paar und streitet um die Kinder, dann entscheidet die Behörde zugunsten des Kindswohls und enttäuscht häufig entweder Vater oder Mutter. Das Amt kann aufgrund seines gesetzlichen Auftrags wenig freudige Botschaften überbringen. Aber wir haben sehr gut qualifizierte und interdisziplinär ausgerichtete Leute. Das neue Kindes- und Erwachsenenschutzrecht bringt auf jeden Fall eine Verbesserung für Personen, die Unterstützung benötigen.

zentral+: Frau Weichelt, Sie wurden von der Neuen Zuger Zeitung auch schon als «frostig» und «dominant» bezeichnet, weshalb?

Weichelt: Ich gehe eben nicht noch mit allen ein Bier trinken um Sachen zu besprechen. Wenn das als frostig aufgefasst wird, dann ist das nicht meine Absicht. Ich habe einfach nicht immer Zeit. Und dominant? Ich denke, man muss als Politikerin oder als Politiker hin und wieder tatsächlich dominant sein, um  etwas zu bewirken und zu gestalten. Damit kann ich also leben. (lacht)

zentral+: Sie haben auch im Privatleben anstrengende Hobbies, laufen zum Beispiel Halbmarathon. Warum tun Sie sich das neben der Politik noch an?

Weichelt: Da trainiere ich Ausdauer für die Politik im Regierungsrat (lacht). Aber ernsthaft: Ich bin gut ausgeglichen, habe eine wunderbare Familie, die mich unterstützt, und sehr gute und engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Arbeit macht mir Freude. Die Wahl aber ist eine Herausforderung, denn niemand weiss, was das Majorz-Verfahren für Folgen hat. Auf jeden Fall bin ich mit Feuer und Flamme dabei.

Wollen Sie sich auch ein Bild zu den übrigen sechs Regierungsratsmitgliedern machen? Schauen Sie sich unsere sieben-teilige Video-Serie im Dossier «Wahlen Zug» an.

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