Zug

Rohstoffhandel: Zug reicht die Verantwortung an den Bund weiter

Die Glencore hat ihren Hauptsitz in Baar. (Bild: Fabian Duss)

Die Rohstoffbranche hat einen schlechten Ruf. Besteht also die Gefahr, dass längerfristig die Reputation des Kantons Zug, der gewichtigen Vertretern der Branche eine Heimat bietet, leidet? Eine klare Antwort auf diese Frage kommt nur von einer Seite. 

Vergangene Woche präsentierte der Bundesrat seinen Grundlagenbericht zur einheimischen Rohstoffbranche. Drei Departemente hatten während eines Jahres am Bericht gearbeitet. Das Resultat: 50 Seiten, 17 Empfehlungen.

In der Schweiz sind rund 500 Unternehmen im Rohstoffhandel tätig, darunter ganz grosse Fische. 2011 steuerten sie rund 3,5 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei. Zu den Steuereinnahmen liegen keine Zahlen vor. Die Autoren des Berichts weisen wiederholt auf die immense volkswirtschaftliche Bedeutung der Rohstoffbranche hin, konnten dafür aber kein detailliertes Datenmaterial beschaffen. Bundesrat Johann Schneider-Ammann gab zu, dass das Zusammensuchen der Grundlagen weit aufwändiger gewesen sei «als man sich wünschen würde». Die Wissenslücken über den Sektor sind also nach wie vor gewaltig.

Sitz im Kanton Zug

Während manche Rohstoffkonzerne ihre Geschäftstätigkeit auf den Handel beschränken, decken andere die gesamte Wertschöpfungskette ab. Bei Metallen, Kaffee und Zucker wird über die Hälfte des globalen Handels über die Schweiz abgewickelt, bei Rohöl und Getreide etwa ein Drittel. Manch mächtiger Akteur sitzt im Kanton Zug. Prominentestes Beispiel: Glencore/Xstrata, welcher nach der Fusion den globalen Handel mit Zink, Kohle und Kupfer kontrollieren wird. Beim Kaffee wird bereits 30 Prozent des Handels über Zug abgewickelt. Das sind gewaltige Zahlen, die angesichts des kleinen, rohstoffarmen Kantons Zug noch gewaltiger anmuten.

Die Branche gilt als verschwiegen. Der internationale Konkurrenzkampf ist hart, das Geschäftsfeld sensibel. «Silent City» nannte der Schriftsteller Niklaus Meienberg das Städtchen Zug vor vielen Jahren. Die Zuger seien Diskretionsfanatiker – und die zugezogenen Zuger noch viel mehr.

Mit einem umfassenden Buch brachte 2011 die Erklärung von Bern (EvB) erstmals Licht ins Dunkel des Schweizer Rohstoffsektors. Vorwürfe an einzelne Unternehmen wurden lauter und konkreter. Sie reichen von Umweltzerstörung, Menschenrechtsverletzungen, Ausbeutung und Korruption in den Abbaugebieten bis zum Missbrauch der Schweizer Niederlassungen zwecks Steuervermeidung.

Attraktives steuerliches Umfeld

Zug wurde nicht zufällig zu einem Hauptstandort der Branche. Der Ursprung des äusserst attraktiven steuerlichen Umfelds liegt beinahe ein Jahrhundert zurück: das Steuerprivileg für Holdinggesellschaften. Hinzu kommt ein starker Finanzplatz in einem politisch stabilen Land mit hoher Lebensqualität. Mittlerweile hat sich ein eigentlicher Rohstoff-Cluster gebildet. Auch wenn die Unternehmen nur gering besteuert werden, tragen sie einen grossen Teil zu Zugs Steuereinnahmen bei. Genaues erfährt man aufgrund des Steuergeheimnisses nicht.

Es war die Furcht, dass nach dem Bankenplatz auch der Rohstoffstandort unter Druck geraten könnte, die den Bundesrat zur Bestandesaufnahme mittels des Rohstoffberichts veranlasste. «Das Reputationsrisiko färbt von Glencore, Vitol oder Mercuria genauso auf die Schweiz ab, wie dies die Geschäftsgebaren der UBS und der CS getan haben», warnt EvB-Sprecher Oliver Classen.

Bis heute seien «keine negativen Auswirkungen auf die Reputation der Schweiz erkennbar», steht derweil im Bundesratsbericht, jedoch stelle man ein «erhöhtes Reputationsrisiko für die Schweiz als Staat» fest, das durch Fehlverhalten von hier domizilierten Rohstoffunternehmen entstehen könnte.

«Jede Firma kann ein Reputationsrisiko sein»

Immerhin sei die Gefahr erkannt, sagt Classen. Nun laute die Frage aber, wie die politische Exekutive damit umgehe. Wie in Bundesbern ist auch in Zug von Reputationsrisiken meist nur im Konjunktiv die Rede – oder gar nicht. SVP-Kantonsrat Thomas Wyss etwa bestreitet gänzlich, dass die Branche ein Risiko für Zugs Ruf darstellen könnte.

Bei FDP und CVP fallen die Antworten gewundener aus. Martin Pfister, Präsident der kantonalen CVP: «Jede hier ansässige Firma kann ein Reputationsrisiko sein. Wir erwarten von den Rohstofffirmen, dass sie sich an unsere rechtlichen und ethischen Standards halten.» Der Kanton Zug soll die Firmen bei allen Kontakten daran erinnern. «Kodizes nützen nicht viel, Gespräche bringen mehr», lautet Pfisters Credo.

Der Vorsteher der Volkswirtschaftsdirektion, Matthias Michel (FDP), meint: «Ein Imageproblem kann dann entstehen, wenn allfällige Kritik von der Branche nicht gehört werden will oder sie damit nicht umzugehen weiss und Zug dadurch negativ in die Schlagzeilen gerät.» Der Regierungsrat erhofft sich nicht zuletzt vom Börsengang einzelner Firmen mehr Transparenz und Dialogbereitschaft sowie einen offenen und ernsthaften Umgang mit Kritik. Es könne nämlich nicht sein, dass Zug als Standort für die Geschäftspolitik von privaten Unternehmen gerade stehen müsse.

Auf linker Seite spricht man derweil Klartext. «Die Branche ist ein Reputationsrisiko für Zug», sagt Andreas Hürlimann, Co-Präsident der Alternativen-die Grünen. Dazu trage auch die Diskussion um die privilegierte Besteuerung bei. «Die bürgerliche Politik kann gut mit Imageschäden leben, da diese in kurzfristiger Denkart finanziell keine Auswirkungen haben.»

Keine einfache Vermarktung 

Um zu erfahren, ob Zugs Reputation nicht nur hypothetisch in entfernter Zukunft allenfalls und möglicherweise beeinträchtigt sein könnte, wurde zentral+ bei Urs Raschle vorstellig. Er ist Geschäftsführer von Zug Tourismus. Zurzeit sei es tatsächlich nicht ganz einfach, Zug zu promoten, «unter anderem weil das Image nicht nur positiv ist». Er erinnert sich an die letzte Schweizer Messe Olma in St. Gallen, als er den Stand des Kantons Zug betreute. «Tage zuvor lief am Fernsehen ein Dokumentarfilm zu Glencore. Das setzte natürlich schon einige negative Reaktionen ab.»

Doch auch Raschle bemüht den Konjunktiv so oft es geht: «Die Image-Frage ist noch kein grosses Problem, könnte es aber werden.» Um die Hotels auch an Wochenenden zu füllen, plane man Zug bald offensiv als «Weekend-Destination» anzupreisen. «Da könnte das teils negative Image eventuell zu Schwierigkeiten führen», sagt der Tourismusdirektor. «Wir sind nicht als Tourismusdestination, sondern als Wirtschaftsstandort bekannt, mit Firmen, die teils eben nicht so populär sind.»

Nur wenig deutlicher wird Raschle, wenn man ihn explizit als CVP-Kantonsrat anspricht. Der Rohstoffsektor sei nicht ungefährlich und stehe «sicherlich nicht nur zu Unrecht in Kritik». Die Branche sei für Zug aus wirtschaftlicher Sicht aber wichtig.

Hoffnung liegt auf Branchenverband

In der Volkswirtschaftsdirektion setzt man derweil stark auf die Zug Commodity Association (ZCA), den noch jungen Branchenverband des Zuger Rohstoff-Clusters. «Wir sind an einer Ansprechorganisation für die Behörden und die Öffentlichkeit interessiert», sagt Matthias Michel. Die ZCA vertritt 31 Unternehmen, nicht aber Glencore und Xstrata. «Wiederkehrende Vorwürfe an die Rohstofffirmen hinterlassen Spuren, die sich im Image der Branche festsetzen», sagt ZCA-Präsident Martin Fasser. Das Funktionieren der Branche sei wenig bekannt und Vorwürfe «basieren daher auf oberflächlichem Wissen oder veralteten Fakten». Der ZCA will deshalb «zur Entmystifizierung der Branche beitragen».

Klingt dies nicht eher nach einer PR-Offensive als nach ernsthaften Bemühungen um Transparenz in der Branche? Fasser ortet das Problem in der unwissenden Öffentlichkeit – und nicht bei den Unternehmen. Er begrüsst es, wenn NGOs seriöse Recherchearbeit leisten und signalisiert Unterstützung.

Verschwiegene Branche

Nur: Wie recherchiert man in einer verschwiegenen Branche? «Wir sind auf ausländische Handelsregister angewiesen», erklärt Oliver Classen von der EvB. «Im Ausland müssen Tochterfirmen auch von in der Schweiz beheimateten Unternehmen detaillierte Geschäftsberichte ablegen, hier aber nicht.» In den kantonalen Handelsregistern mangle es an Transparenz und die Besitzstrukturen der Firmen seien oft unklar. «Hier sind die Kantone gefragt», betont Classen.

Classen entgegnet damit auch jenen, welche politisches Handeln an die nächst höhere politische Ebene delegieren. Dazu gehört beispielsweise der Zuger FDP-Präsident: Es sei nicht Aufgabe des Standortkantons, politische Verantwortung zu übernehmen, lässt sich Jürg Strub zitieren. «Diese liegt beim Bund, der in die internationale Diskussion involviert ist.»

Regierungsrat setzt auf Transparenz-Initiative

Noch etwas weiter holt der Zuger Volkswirtschaftsdirektor Matthias Michel aus. Er verweist auf die internationale Extractive Industries Transparency Initiative (EITI), an welcher die Schweiz und auch die Rohstoffriesen Glencore und Xstrata beteiligt sind. «EITI fordert eine erhöhte Transparenz der Geldströme, und die entsprechenden Länder haben dies in Berichten darzulegen», sagt der Regierungsrat. Er bedauert, dass bislang nur ein geringer Teil der afrikanischen und südamerikanischen Rohstoffländer bei EITI mitmacht.

Für die Erklärung von Bern ist EITI aber nur von begrenztem Nutzen. «Eine notwendige, aber nicht hinreichende Initiative», urteilt Oliver Classen von der EvB. EITI beruht auf der freiwilligen Mitgliedschaft von Rohstoffländern. Bislang sind erst 20 Staaten dabei, 17 weitere haben Kandidatenstatus. «Wichtige Abbauländer, in welchen Firmen mit Sitz in der Schweiz sich stark engagieren, sind aber eben gerade nicht EITI-Mitglieder», betont Classen.

Mängel und Schlupflöcher

Unternehmen wie Glencore und Xstrata agieren bei EITI zwar als Unterstützer, Pflichten erwachsen ihnen daraus jedoch keine. EITI betrifft zudem nur den Abbau und nicht den Handel mit Rohstoffen. «Fehlverhalten von Firmen wie etwa Glencores aggressive Steuervermeidung in Sambia, werden von EITI weder abgedeckt noch sanktioniert», heisst es bei der Erklärung von Bern. Allerdings: Wenn eine Schweizer Firma in einem EITI-Mitgliedsland Rohstoffe abbauen will, muss sie sich den entsprechenden Regeln unterstellen und Zahlungen an Regierungsstellen offen legen. «Für die Unternehmen ist das also keineswegs freiwillig, sondern ein notwendiges Übel, wenn sie in einem EITI-Land aktiv werden wollen», kommentiert Classen.

Die Grenzen, Mängel und Schlupflöcher von EITI und ähnlichen Initiativen können nur von den Sitzstaaten von Rohstofffirmen kompensiert werden. Deshalb fordern die Erklärung von Bern und die Alternativen-die Grünen Zug eine klare, gesetzliche Grundlage in der Schweiz, ähnlich dem Vorbild der USA und der EU. Doch davon will man hierzulande nichts wissen. «Wir wollen keine spezifischen Vorschriften für einzelne Wirtschaftszweige», sagte dazu Bundesrat Schneider-Amman vergangene Woche. Was er dabei übersah: Für den Banken- oder den Versicherungssektor gibt es durchaus spezifische Vorschriften.

SVP setzt auf den Markt

Während sich die einen also aus der Verantwortung nehmen und durch die Unterstützung zahmer, internationaler Freiwilligkeit-Regimes griffige, staatliche Regulierungen zu vermeiden versuchen, setzen andere vollends auf den Markt. So etwa Thomas Wyss von der Zuger SVP: «Sehr wichtig ist, was die internationalen Investoren von den Rohstofffirmen verlangen.» Wyss sorgt sich um die Standortattraktivität, falls die Schweiz unilateral aktiv würde: «Die Konzerne könnten ihre Aktivitäten an andere Orte verschieben.» Er würde es deshalb begrüssen, dass sich sein Kanton stärker für die Branche einsetzt.

Auch FDP-Präsident Jürg Strub verweist auf die grosse Mobilität der Rohstofffirmen. Neue Regelungen müssten auf internationaler Ebene greifen, ansonsten könnten diese durch Verschiebung des Geschäftssitzes auf einfachste Weise umgangen werden.

Bei der Erklärung von Bern ist man der Abwanderungsdrohungen überdrüssig. «Es gibt keine unregulierten Alternativstandorte», sagt Oliver Classen. Zudem sei es der Gesamtmix von Standortfaktoren, welche die Schweiz für Rohstofffirmen attraktiv machen. Und überhaupt: Der globale Standortwettbewerb dürfe nicht als Argument gegen ethische Minimalstandards dienen.

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3 Kommentare
  • Profilfoto von Stefan Gisler
    Stefan Gisler, 04.04.2013, 06:22 Uhr

    Es braucht einen sauberen Wirtschaftsstandort Schweiz und Zug . Dazu gehören faire Steuern, transparente Geldflüsse, Bekämpfung von Korruption und Geldwäscherei, Umweltschutz sowie die Einhaltung von Menschenrechten. Der Bundesrat ist gegen mehr Transparenz im Rohstoffhandel und sieht selbst von kleineren Regulierung ab, wie sie im Ausland üblich oder in Verbereitung sind. Damit geht er den selben Irrweg wie bei der Verteidigung obskurer Bankgeschäfte – macht sich zum
    Komplizen unsauberer Geschäfte. Der Bundesrat schadet so dem Ruf des Wirtschaftsstandorts Schweiz sowie dem Ruf korrekter Geschäftsleute und Firmen. Er ignoriert die zahlreichen Korruptions-, Menschenrechts- und Umweltskandale, in welche die Rohstoffhandelsbranche verwickelt ist.
    Stossend ist, dass diese Firmen in der Schweiz die Profite aus teils obskuren Geschäften auch noch maximieren können. Mit undurchsichtigen Firmenkonstrukten und intransparenten Geldflüssen sowie dank Dumpingsteuern verdienen einige wenige Aktionäre und Firmen Milliarden. In Zug
    zahlen Holdings keine Gewinnsteuer und lächerlich tiefe Kapitalsteuern (0,02 Promille!). Aufgrund der Unternehmenssteuerreform II, wonach aus Kapitalreserven bezahlte Dividenden steuerfrei sind, kassierte Glencore-CEO Glasenberg rund 100 Millionen Franken steuerfrei.
    Gleichzeitig zwingt der Grosse Gemeinderat den Zuger Stadtrat zu Sparmassnahmen, da die Stadt aufgrund kantonaler und städtischer Steuersenkungen Schwierigkeiten hat. In der Bildung
    soll am meisten gespart werden. Rohstoffhändlicher profitieren, Kinder verlieren!

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  • Profilfoto von Nina Aro
    Nina Aro, 03.04.2013, 16:51 Uhr

    So ist es, wenn diese Multis etwas verstanden haben, dann sich auf Kosten der Ärmsten zu bereichern und dabei möglichst wenig preiszugeben. Mitschuldig macht sich aber auch der Bundesrat. Denn was bitteschön nützt ein Bericht über den Rohstoffhandelplatz Schweiz, wenn nichts gegen die Mechanismen einer solch dubiosen Branche unternommen wird? Und ob Zug dadurch einen Imageschaden erhält ist doch eigentlich absolut zweitrangig..

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  • Profilfoto von Daniel Huber
    Daniel Huber, 03.04.2013, 15:49 Uhr

    Als Schüler verkauften wir jeweils Schoggitaler. In einem unscheinbaren Wohnhaus an der Baarerstrasse hatte ich dabei kurzen Einblick in die versteckten Geschäftsräume eines grossen Diamantenhändlers. Ein schier unglaublicher Anblick, an den ich später noch in Filmen mit in Hinterzimmern abgewickleten Drogengeschäften erinnert wurde. Die Branche ist nicht nur verschwiegen, sondern oft auch unsichtbar – und nimmt den Zugern sogar noch den Wohnraum…

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