Grosszügige Sessionsplanung

Kantonsrat schaltet auf Sparmodus

Der Luzerner Kantonsrat verfolgt die Abstimmungsresultate auf den Bildschirmen im Kantonsratssaal. (Bild: zvg)

Im Luzerner Ratssaal herrscht offenbar Flaute: Sitzungen werden abgesagt, Verhandlungen verschoben und Sessionen ausgedehnt. Macht es nur den Anschein oder hat das Parlament tatsächlich nicht viel zu tun? zentral+ hat nachgefragt. Und die Antworten fallen sehr unterschiedlich aus. 

Ein gedrängtes Programm sieht anders aus, führt man sich die aktuelle To-Do-Liste des Kantonsrates vor Augen. Das Luzerner Parlament nimmt’s in diesen Tagen eher gemütlich: 19 Geschäfte sind komfortabel auf drei Sessionstage ausgedehnt. Dazu kommen 14 Vorstösse. Die in der Regel in einer Viertel- bis Halbstunde durch sind. Alles hätte eigentlich auch in einer zweitägigen Session Platz. Und auch inhaltlich präsentieren sich die Geschäfte nicht gerade als Stimmungsbomben; kleinere Strassenbauten, Wahlen der Staatsanwaltschaft, der Kantonsrichter und der Schlichtungsbehörden.

In der Agenda blättern wir noch auf Anfang Jahr zurück: Von den angekündigten sechs Verhandlungstagen haben nur vier wirklich stattgefunden. Nummer fünf und sechs wurden schon Anfang April frühzeitig abgesagt. «Weil einfach keine Geschäfte da sind», sagt Katharina Meile, stellvertretende Fraktionssprecherin der Grünen auf Anfrage.

Grund genug, um bei den Fraktionssprecher und –sprecherinnen im Kantonsrat nachzufragen: Was ist momentan los im Ratssaal? Droht unseren Parlamentariern die akute Langeweile?

Steuerstrategie als «Diskussionsbremse»

Katharina Meile, Sprecherin der Grünen, sieht schon seit längerem eine Tendenz zu weniger Arbeit. Als einen Grund für die Flaute nennt sie den anhaltenden Spardruck des Kantons. Das wirke sich auf die politische Stimmung aus und hemme den parlamentarischen Geschäftsbetrieb: «Man soll zwar nicht künstlich Geschäfte erzeugen. Aber auch nicht einfach aus Spargründen abwürgen oder auf die lange Bank schieben. Das geschieht aktuell aber», sagt Meile.

Schuld daran sei die Tiefsteuerstrategie der Bürgerlichen, dadurch würden grundlegende Diskussionen und wichtige Projekte verhindert, so Meile weiter. Und wie sich in der Sitzungsplanung der Kommissionen zeigt, wurde in den letzten Monaten tatsächlich viel über das grosse Sparpaket «Leistungen und Strukturen II» gesprochen, mit dem der Kanton rund 220 Millionen Franken einsparen will. Die Mitglieder der «Sonderkommission Sparprogramm» gehören gemäss Legislaturprogramm denn auch zu jenen, die regelmässig und ohne Unterbrüche getagt haben. Doch ist die Politik dadurch blockiert? Stehen tatsächlich mehrheitlich Kostenfragen im Vordergrund?

Andere Geschäfte kommen nicht vorwärts

Unterstützung bekommt die Kantonsrätin der Grünen von Priska Lorenz, Sprecherin der SP/JUSO-Fraktion. Auch sie meint, die dünnen Traktandenlisten der letzten Session hätten vor allem mit der Sparpolitik des Kantons zu tun. «Der Regierungrat ist stark damit beschäftigt, die Sparvorgaben zu erreichen, weshalb nur wenige andere Geschäfte für den Kantonsrat beratungsreif werden», sagt Lorenz.

Dass aber dem Parlament langsam die Arbeit ausgehen könnte, befürchtet Lorenz nicht. «Gerade im Zusammenhang mit dem Sparpaket und der zugeteilten Spezialkommission gab es ja zusätzliche Arbeit», sagt die SP-Sprecherin. Zudem gäbe das Kantonsratsmandat neben den Sessionen noch viel zu tun: Presse-, Öffentlichkeits- und Parteiarbeit. «Und diese hat in den vergangenen Jahren eher zugenommen.»

Wenige Vernehmlassungen hängig

Und wie klingt es in der politischen Mitte? Da wird auf Anfrage zuerst einmal genau nachgerechnet. Michèle Graber, Sprecherin der Grünliberalen, zum Beispiel weiss über ihr Arbeitspensum exakt Bescheid: «Für die Politik komme ich im Jahr durchschnittlich auf 40 Prozent. Uns Parlamentariern wird es bestimmt nicht langweilig», sagt Graber.  Aber dennoch sei es offensichtlich: «Die Regierung hat zurzeit nur wenige Vernehmlassungen hängig.»

Auch für Ludwig Peyer, Fraktionssprecher der CVP, ist momentan weniger Arbeit des Kantonsrates feststellbar. «Für mich ist das aber überhaupt kein Problem und hat auch keine speziellen Ursachen. Der Kantonsrat leistet seine Arbeit nach Aufwand, also wenn kein Gesetz ansteht, so muss auch nicht getagt werden», sagt Peyer. Und mit einer Prise Humor merkt er an: «Wenn der Kantonsrat weniger tagt, dann gibt es auch weniger Gesetze und viele Kantonsräte sind nicht unglücklich, wenn mal ein Sessionstag ausfällt.»

«Regierung ist effizienter geworden»

Wiederum ein wenig anders klingt es auf bürgerlicher Seite. Für Guido Müller, Fraktionssprecher der SVP, bestehen taktische Gründe für die Diskussions-Flaute. Er reicht den Schwarzen Peter an die Regierung weiter: «Je nach Departement gibt es einen bewussten Rückstau an Botschaften», sagt Müller. So würden wichtige Fragen einfach lange nicht beantwortet. «Die Arbeit selber wurde für die Parlamentarier nicht weniger», sagt er. «Die Aufgaben sind nur komplexer geworden.»

Und Rolf Born, Fraktionssprecher der FDP, ist im Grundsatz nicht einig mit den Meinungsäusserungen von SP und Grünen – dass Sparen die Debatten im Kanton blockiere. «Die Diskussionen rund um das Sparpaket Leistungen und Strukturen II finden zwar statt. Aber Sachgeschäfte sind immer noch genügend da», sagt er. «Dass es momentan nicht so viel zu beraten gibt, ist nur eine Momentaufnahme», sagt er.

Ganz grundlegend, so Born weiter, habe sich die Arbeit von Regierung und Verwaltung in den letzten Jahren verändert. Die Politik sei seiner Meinung nach deutlich effizienter geworden: «Es gibt viel weniger lange, hitzige und emotionsgeladene Diskussionen als früher», sagt der FDP-Vertreter. Vorstösse würden thematisch zusammengefasst und ein Bericht der Kantonsregierung sei heute meistens schon vor der Beratung im Parlament breit abgestützt. «Durch das frühe Miteinbeziehen der Kommissionsmitglieder steht grundsätzlich der Konsens im Vordergrund.»

Wie sieht es nun tatsächlich aus? Gemäss Erhebungen der Staatskanzlei lässt sich nicht bestätigen, dass Regierung oder Parlament weniger zu tun haben als früher. Sie sind mit 114 Botschaften und 537 Vorstössen bis jetzt durchschnittlich unterwegs. Die vorangegangenen Legislaturen waren auf hohem Niveau. 2007 bis 2011 gab es insgesamt 196 Regierungsbotschaften und 875 parlamentarische Vorstösse (von 2003 bis 2007 184 Botschaften und 909 Vorstösse, von 1999 bis 2003 166 Botschaften und 878 Vorstösse).

In der Regel tagt das Luzerner Parlament 13 Mal im Jahr. Andreas Töns, Sprecher der Staatskanzlei: «Klar ist, dass die Belastung des Kantonsrates und seiner Organe naturgemäss intensivere und weniger intensive Phasen kennt.» Die reine Anzahl der Geschäfte sage aber grundsätzlich nichts aus über ihre Komplexität und den Aufwand, den sie verursachen. Und, wie Rolf Born von der FDP, mache die Staatskanzlei ferner die Beobachtung, dass die Effizienz des Kantonsrates bei der Behandlung der Geschäfte gestiegen sei, so Töns.

Intensivere Zeit wird kommen

Was ebenfalls sicher ist: Im kommenden Herbst wird für den Kantonsrat noch einiges anstehen. In die Beratung kommen zum Beispiel neben dem Aufgaben- und Finanzplan die Totalrevision des Sozialhilfegesetzes, das Bauprogramm 2015-2018 oder der Planungsbericht der Luzerner Polizei. Allerdings wird als grösster Diskussionsbrocken die Botschaft zu den erwähnten Leistungen und Strukturen II erwartet.  

Und was die Effizienz des parlamentarischen Betriebes angeht: Auch zur Diskussion steht eine Reduktion der jährlichen Sessionstage. Dies auf Vorschlag der Staatskanzlei. Bisher waren für die Parlamentarier jeweils 17,5 Tage im Jahreskalender reserviert. Neu sollen es nur noch 14,5 sein.

 

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