Luzerner Staatsanwaltschaft in der Kritik

Kanton Luzern muss Kristallnacht-Twitterer entschädigen

Das vom Bundesgericht kritisierte Formular der Staatsanwaltschaft Luzern ist derzeit in Bearbeitung. (Bild: mag)

Bereits zum zweiten Mal innerhalb von zwei Monaten kritisiert das Bundesgericht in einem Urteil die Luzerner Strafbehörden. In beiden Fällen genügten formale Dokumente nicht den gesetzlichen Anforderungen. Der Kanton musste deshalb zwei Mal eine Entschädigung überweisen. Brisant: Beim neusten Fall profitiert davon ein ehemaliger Lokalpolitiker, der als «Kristallnacht-Twitterer» bekannt wurde.

Schon wieder genügt ein offizielles Dokument der Luzerner Strafverfolgungsbehörden nicht den gesetzlichen Bestimmungen der schweizerischen Strafprozessordnung. Im neusten Fall kritisiert das Bundesgericht in einem Urteil, die Ausgestaltung des «Formulars für Antragsdelikte» sei «unvollständig und mangelhaft». Mit dem Formular können an Strafprozessen beteiligte Personen einen erfolgten Gerichtsentscheid anfechten.

Das Bundesgericht hiess deshalb eine Beschwerde gegen einen Entscheid des Kantonsgerichts Luzern gut. Dieses muss die Sache neu beurteilen und der Kanton Luzern dazu den Beschwerdeführer mit 3’000 Franken entschädigen.

Simon Kopp, Informationsbeauftragter der Staatsanwaltschaft Luzern, sagt zum Urteil: «Die Kritik überrascht uns. Dies umso mehr, als das Formular von der Schweizerischen Staatsanwälte-Konferenz (SSK) nach einem langen Evaluationsprozess gesamtschweizerisch übernommen wurde.» Die Staatsanwaltschaft werde nun die nötigen Anpassungen diskutieren und danach umsetzen, sagt Kopp weiter.

«Die Kritik überrascht uns.»

Simon Kopp, Mediensprecher der Staatsanwaltschaft

Unverständliches Formular

Auch im neusten, zentral+ vorliegenden Fall muss der Kanton Luzern eine Entschädigung überweisen. Und diese fliesst auf das Konto des sogenannten Kristallnacht-Twitterers. Der ehemalige Zürcher SVP-Lokalpolitiker klagte ursprünglich gegen den Luzerner Kantonsrat Hans Stutz, der sich in zwei Beiträgen im Internet zu den damaligen Vorfällen äusserte. Die Luzerner Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren jedoch ein. Dagegen wollte der Kristallnacht-Twitterer Beschwerde einreichen.

Das Kantonsgericht wiederum trat nicht auf die Beschwerde ein, da ihm aufgrund des ausgefüllten Formulars dazu die Legitimation fehle. Der Kristallnacht-Twitterer beanstandete darauf beim Bundesgericht, das Kantonsgericht sei zu Unrecht von einem Verzicht auf die Rechtsstellung als Privatkläger ausgegangen. Das Problem dabei: Der Kristallnacht-Twitterer füllte das Formular so aus, dass er auf eine Strafklage verzichtete. Damit hätte er seine Rechtsstellung als Privatkläger verloren, womit er nicht gegen die Verfahrenseinstellung hätte Beschwerde einreichen können.

Er sei durch das für ihn unverständliche Formular in die Irre geführt worden, heisst es im Urteil des Bundesgerichts. Dieses hiess nun seine Beschwerde gut und kritisierte das Formular der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern als «unvollständig und mangelhaft».

Ungenügende Strafbefehle

Bereits Anfang April dieses Jahres kritisierte das Bundesgericht die Luzerner Strafverfolgungsbehörden in einem anderen Urteil. Im Zentrum standen damals ungenügende Strafbefehle. Die bisher im Kanton Luzern ausgestellten Strafbefehle enthielten keine Detailangaben, wie es die Strafprozessordnung eigentlich verlangt. Es fehlte zum Beispiel der Sachverhalt, welcher der beschuldigten Person angelastet wurde.

Die Luzerner Strafbehörden müssen neu nicht nur die vorgeworfene Tat, sondern die genauen Umstände inklusive Ort, Datum, Zeit, Art und Folgen der Tat in ihren Strafbefehlen umschreiben. Im entsprechenden Fall musste die Staatsanwaltschaft Sursee einen neuen Strafbefehl mit allen Details erlassen. Der Kanton Luzern seinerseits musste dem Beschuldigten eine Entschädigung von 3’000 Franken überweisen.

Muss die Staatsanwaltschaft jetzt noch weitere Dokumente überprüfen, ob sie der vom Gesetz verlangten Form entsprechen? «Wir überprüfen unabhängig von diesen Urteilen alle Formulare regelmässig auf ihre Verbesserungsmöglichkeiten», fügt Simon Kopp an.

Der Fall des Kristallnacht-Twitterers

Der «Tages-Anzeiger» berichtete im Juni 2012 von einer auf Twitter publizierten umstrittenen Nachricht. Gemäss der Zeitung verfasste der Kristallnacht-Twitterer damals mehrere Nachrichten, darunter auch folgende: «Vielleicht braucht es wieder eine Kristallnacht … diesmal für Moscheen.» Mit diesem Tweet habe er die Existenzberechtigung der muslimischen Glaubensgemeinschaften in krasser Weise verneint, sagte der Einzelrichter bei der Urteilsverkündung. Der Verfasser wurde deshalb vom Bezirksgericht Uster Mitte Mai 2014 wegen Rassendiskriminierung schuldig gesprochen und zu einer bedingten Geldstrafe sowie einer Busse verurteilt.

Gemäss einem Bericht der «Neuen Zürcher Zeitung» gab der Zürcher seine Verfehlungen an einer eigens einberufenen Pressekonferenz zu – und er habe sich dafür entschuldigt. Aufgrund der breiten Medienberichterstattung verlor er nicht nur die Parteizugehörigkeit und sein Amt als Schulpfleger, sondern auch seine Arbeitsstelle. Inzwischen hat er einen neuen Job gefunden, wie er vor Gericht ausführte.

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