«Jahrhundertprojekt» Zuger Stadttunnel

Die unendliche Geschichte mit dem Tunnel

Schon 1985 ging es um die verkehrsfreie Zuger Innenstadt. Wann die nächste Volksabstimmung sein wird, ist noch unklar. Einige sprechen von November 2014, andere vom Frühjahr 2015. (Bild: zvg Martin Stuber)

Das Projekt «Stadttunnel» wird nächstes Jahr 30: Im Dezember 1985 kam die Idee eines Tunnels, der die Zuger Innenstadt entlasten sollte, erstmals vors Volk. Seither tobt ein politischer Kampf, dessen Ende noch nicht absehbar ist. Kantonsrat Martin Stuber erzählt seine Version der Stadttunnel-Geschichte.

1. Dezember 1985. Die Bevölkerung des Kantons Zug stimmt ab. Der Titel der ersten Vorlage lautet: «Stadttunnel in Zug». Und weiter: «Der Kantonsrat hat einen Kredit für die Projektierung einer unterirdischen Umfahrungsstrasse in Zug bewilligt. Der neue Tunnel soll in einem Bogen vom Frauenstein (Casino) in die Nähe der verlängerten Gubelstrasse führen.» Vor knapp 30 Jahren also mussten die Stimmberechtigten bereits darüber urteilen, ob sie einen unterirdischen Verkehrsweg wollen. Und sie fanden die Idee gut, die Vorlage wurde angenommen.

Doch da war noch eine zweite Vorlage. Darin ging es um den Projektierungskredit für die sogenannte «Gutschrankabfahrt». Eine neue Kantonsstrasse hätte von der Ägeristrasse zum «Lüssi» gebaut werden sollen. Im Gegensatz zum Stadttunnel wollte das Volk diese Strasse nicht. Das Problem dabei war, dass die beiden Vorlagen miteinander verknüpft waren. Mit der Ablehnung der Gutschrankabfahrt kam das Projekt Stadttunnel zum ersten Mal ins Wanken und der Kanton musste über die Bücher.

Meilensteine, Erfolge, Rückschläge

1989 stieg Martin Stuber ins Thema ein. Heute ist er Kantonsrat der «Alternative-Die Grünen» und befasst sich noch immer mit der Frage, wie das Zentrum der Stadt Zug vom Verkehr entlastet werden kann. Für zentral+ öffnet er sein Archiv und erzählt von Meilensteinen, Erfolgen, Rückschlägen und wie es zum heutigen Projekt kam.

Zurück in die Anfänge der 1990er Jahre: «Nachdem das Volk die Gutschrankabfahrt nicht wollte, schlug der Kanton ein neues Projekt vor», beginnt Stuber seine Erzählung. «Weil die Regierung sich bewusst wurde, dass es nicht alleine geht, holte sie die Gemeinden Zug und Baar ins Boot.» Entstanden ist der Vorschlag der Ost-/West-Verbindung, inklusive Stadttunnel, die vor der Abstimmung in «UZB (Umfahrungen Zug/Baar)» umgetauft wurde. Das Projekt sah eine grossräumige Umfahrung vor, mit dem eigentlichen Stadttunnel, einem Gutschranktunnel sowie einem Anschluss an die Autobahn. (Siehe Karte UZB in der Slideshow)

Die UZB: Glanzloser Sieg für Twerenbold

Im Sommer 1990 kam es zur Abstimmung über den Projektierungskredit – die Ost-/West-Verbindung wurde angenommen. Stuber erinnert sich: «Es war ein erbitterter Referendumskampf». Der damalige Regierungsrat Paul Twerenbold konnte beim Volk zwar einen Sieg verbuchen, «aber nicht glanzvoll», wie Stuber sagt. In der Stadt Zug sei es zu einem Zufallsmehr von wenigen Stimmen gekommen. «Ich und andere Kollegen waren der Auffassung, dass die UZB nicht viel bringen würde.» Die Baudirektion unter Führung von Paul Twerenbold habe die Situation in der Stadt nicht gründlich analysiert. «Der Verkehr in der Innenstadt ist hausgemacht und nur zu einem kleinen Teil Durchgangsverkehr», sagt Stuber. Die grossräumige Umfahrung der Innenstadt hätte ausser vielen Umweg-Fahrten nichts gebracht und viel gekostet, war er schon damals überzeugt.

Der «Stadttunnel» heute

Das Projekt Stadttunnel besteht im Wesentlichen aus zwei Elementen: Einerseits aus der Entlastung der Innenstadt durch einen Tunnel. Dieser soll aus einem vierarmigen System bestehen und unterirdisch mit einem Kreisel versehen werden.

Das zweite Element ist das sogenannte ZentrumPlus. Damit soll der Bereich der Innenstadt mit flankierenden Massnahmen entlastet und städtebaulich erweitert werden. Die Innenstadt soll dabei in drei Kammern eingeteilt werden. In den einzelnen Kammern könnte der motorisierte Individualverkehr zirkulieren, aber nicht das Zentrum direkt durchfahren.

Die Kosten-/Nutzenfrage wird aktuell heftig diskutiert in Zug. Gemäss neusten Berechnungen des Kantons soll das Projekt 890 Millionen Franken kosten. Kritiker sagen, das sei viel zu tief angesetzt. Ausserdem sorgen zwei weitere Punkte für Diskussionen: Die Kostenbeteiligung der Stadt Zug (60 oder 80 Millionen Franken?) und die Frage, ob die Kosten zu 50 Prozent aus Steuergeldern gedeckt werden sollen, wie der Kanton vorschlägt. Der Bund gab Ende März 2014 bekannt, dass er sich nicht am Projekt beteiligen wird.

Entstehung des Minitunnels

Der grüne Politiker wurde wenige Monate später in den Grossen Gemeinderat (GGR) gewählt: «Ich wollte das eigentlich gar nicht, aber diese Abstimmung hat mich wohl in die institutionalisierte Politik gebracht». Obwohl die UZB vom Volk angenommen wurde, gaben sich die Gegner nicht geschlagen: «Der Bauingenieur und SP-Gemeinderat Henry Bachmann hatte eine brillante Idee», erinnert sich Stuber. Anstelle der grossräumigen UZB sollte ein kürzerer Tunnel vor dem Casino bis zur Gotthardstrasse gebaut werden, der an der Ägeristrasse eine zusätzliche Einfahrt erhalten sollte. «Daraufhin habe ich als Grüner etwa ein halbes Jahr lang damit gerungen, ob ich für ein Strassenbauprojekt einstehen soll.» Schliesslich tat er es: 1992 reichte Stuber zusammen mit dem heutigen Stadtpräsidenten Dolfi Müller eine Motion für eine «realistische Stadtumfahrung» ein – es entstand der sogenannte «Minitunnel».

Sie hatten Erfolg: 1993 beschloss der GGR, dass sich der Stadtrat für dieses Vorhaben einzusetzen hat. Der damalige Bauchef Eusebius Spescha führte ein Mitwirkungsverfahren und eine Planungsstudie zum Stadtverkehr durch. «Gleichzeitig wollten aber bürgerliche Skeptiker das Anliegen der Linken nicht unterstützen», so Stuber. So habe der CVP-Gemeinderat Leo Granziol in der Debatte über die Motion gesagt: «Wenn Stuber und Müller mit einer Idee kommen, müssen alle roten Alarmlämpchen aufleuchten.» Doch die Linken setzten sich durch: «Die Motion ging im GGR durch», so Stuber, «die Studie der Stadt zeigte auf, dass die Planung des Kantons wenig taugte.»

Der Regierungsrat zieht das Projekt zurück

So passierte im April 1997 das, was sonst praktisch nie passiert in der Politik: Der Gesamtregierungsrat sistierte das Projekt UZB von sich aus. Stuber dazu: «Noch ein Jahr zuvor wurde ein Vorstoss des UZB-kritischen CVP-Kantonsrates Toni Gügler nicht überwiesen. CVP-Baudirektor Twerenbold wurde von der Mehrheit im Kantonsrat gestützt. Die Regierung aber realisierte, dass die UZB gegen den Widerstand der Stadt keine Chance hatte.» Zu diesem Entscheid ergänzt er: «Bis heute weiss man nicht, wie die Mehrheit in der Regierung zustande kam. Paul Twerenbold war kaum dafür. Aber damals hatte es ja noch zwei Linke in der Regierung».

Und dann? «Der Stadttunnel wurde zu einer langen Hängepartie», sagt Stuber. In einem Kompromiss wurde die Nordzufahrt projektiert. Damit sei die ursprünglich geplante Verlängerung der Allmendstrasse Richtung Autobahn abgewendet worden und der Autobahnanschluss an Zug-Nord nahe bei den Geleisen realisiert worden, so dass die Lorzenebene zu einem guten Teil frei blieb. Und in einem informellen Kompromiss stimmte der Kantonsrat der Stadtbahn zu. Das war um die Jahrtausendwende.

«Tunnelfest» als Werbung

Das Problem war laut Stuber, dass es mit dem Tunnel nicht weiterging. In der Stadt habe die bürgerliche Mehrheit im GGR das Projekt blockiert. «Jahrelang waren den Stadttunnel-Befürwortern im GGR die Hände gebunden. Ein politischer Vorstoss wäre von der FDP gebodigt worden und das wäre das Ende gewesen», sagt Stuber, «unter der Führung von Ulrich Straub schob der Kantonsrat den Stadttunnel bei der Raumplanungsrevision 2002 schliesslich in die tiefste Priorität.» Wie weiter? fragte neben Stuber auch der Detailhändlerverband «Pro Zug», damals unter Führung von Walter Speck. Die beiden taten sich zusammen, «und so gelang es, die Blockade zu sprengen.» Ein Bündnis aus «Pro Zug», parteilosen Bürgern und mehrheitlich linken Politikern lancierte 2003 die Initiative Minitunnel. Der Zuger Stadtrat modifizierte unter Führung des Stadtingenieurs Durisin das Minitunnel-Projekt und machte einen Gegenvorschlag, zugunsten dessen die Initiative zurückgezogen wurde.

«Die Verfechter des Minitunnels wurden als ‹Minihirne› lächerlich gemacht.»

Martin Stuber, Kantonsrat Zug

Stuber erzählt begeistert: «Um den Leuten vor Augen zu führen, was ein Stadttunnel bringt, organisierten wir im Sommer 2004 das ‹Neugass-Fäscht›. Die Neugasse wurde komplett gesperrt. Der Anlass war ein Riesenerfolg.» Der Gegenvorschlag des Stadtrates würde den Kanton bei der Projektierung finanziell unterstützen und dafür sorgen, dass der Kanton vorwärts macht. Im September 2004 wurde der Vorschlag in der Stadt mit 72 Prozent Ja-Stimmen angenommen. «Die Verfechter des Minitunnels wurden von der FDP im GGR als ‹Minihirne› lächerlich gemacht. Das Volk hat die Antwort gegeben», sagt Stuber und lacht.

«Die Volksabstimmung wird nicht mehr 2014 stattfinden»

Dennoch war der Kampf im Kantonsrat, in den Stuber 2002 gewählt wurde, noch lange nicht zu Ende. «Nun ging es darum, den Stadttunnel an erste Stelle bei der Prioritätenordnung zu bringen.» 2005 wurde schliesslich der Regierungsrat in einer Motion von fünf Kantonsräten aus allen Fraktionen aufgefordert, mit der Projektierung zu beginnen. Es folgte ein weiteres Hin und Her, bis schliesslich Regierungsrat Heinz Tännler 2010 zusammen mit der Stadt erneut ein Mitwirkungsverfahren in die Wege leitete. «Jetzt ist 2014, das Mitwirkungsverfahren ist abgeschlossen, die Bestvariante gefunden und in einem generellen Projekt ausgearbeitet – und das Projekt sieht wieder anders aus», sagt Stuber (siehe Box). «Die Volksabstimmung wird nicht mehr dieses Jahr stattfinden», ist er überzeugt. Ob er zustimmen wird, ist noch offen. Dass die Hälfte der 900 Millionen aus allgemeinen Steuermitteln bezahlt werden soll und so der Kanton in die roten Zahlen komme, liege eigentlich nicht drin. «Ich plane einen Vorstoss für eine zweckgebundene temporäre Erhöhung der Motorfahrzeugsteuer.»

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