Stadt Luzern: WC-Pilotprojekt

«Nette Toiletten» sollen Situation entschärfen

Die Karte zur Aktion «Nette Toilette». (Bild: zvg)

13 Gastrobetriebe aus Luzern stellen Passanten ab sofort ihre WC-Anlagen kostenlos zur Verfügung. Damit helfen sie, den «Notstand bei der Notdurft» in der Zentralschweizer Tourismusmetropole ein wenig zu entschärfen. Die Kosten des Pilotprojekts werden auf 60’000 Franken geschätzt. Die Restaurants erhalten eine Entschädigung für ihre Umtriebe.

Das Konzept «Nette Toilette» stammt aus Deutschland und wird dort laut Pressemitteilung bereits in 150 Städten praktiziert. Die Idee: Restaurants oder Bars, die sowieso Toiletten für ihre Gäste betreiben müssen, stellen diese Passanten ebenfalls zur Verfügung. Für die Benutzer ist die Dienstleistung kostenlos, dafür werden die Betriebe von der öffentlichen Hand finanziell entschädigt (siehe auch Infobox). Ein Kleber an der Eingangstüre des Betriebs weist Touristen und Einheimische darauf hin, dass sich hier eine «nette Toilette» befindet.

Gemäss Tourismusdirektor eine gute Ergänzung

Luzern will jetzt testen, ob es sein Notdurft-Problem auf diese Weise, wenn nicht lösen, so zumindest entschärfen kann. Neu ist die Idee nicht, sie wird seit über fünf Jahren «geprüft», ohne dass den Worten bisher Taten folgten. Nun soll ein Pilot starten. «Das im WC-Masterplan skizzierte Konzept wurde, speziell mangels neuer Standortmöglichkeiten für WC-Anlagen im Perimeter Altstadt, weiter geprüft und wird nun 2014 als Pilotversuch eingeführt», heisst es in einer gemeinsamen Pressemitteilung der Stadt, des Wirteverbands «GastroRegionLuzern» und Luzern Tourismus. Die Initiative der «Netten Toiletten» solle das Netz der öffentlichen Anlagen ergänzen, während schrittweise bestehende WC-Anlagen saniert werden.

Initianten der Idee sind «GastroRegionLuzern» und Luzern Tourismus, zusammen mit der Stadt. Die Partner haben Ende des letzten Jahres rund 50 Gastrobetriebe in der Stadt angefragt, ob sie mitmachen wollen. «Im Fokus der Ausschreibung standen Betriebe, die sich im Stadtzentrum respektive bei hoch frequentierten Sehenswürdigkeiten in Luzern befinden», heisst es in der Pressemitteilung.

«Nette Toilette»: Deutsche Wirte haben Nase voll

Während Luzern damit wirbt, dass das Konzept «Nette Toilette» in 150 deutschen Städten bereits praktiziert wird, regt sich in unserem Nachbarland nach einigen Jahren Erfahrungen Widerstand. Der mächtige Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) hat das Thema an seiner Hauptversammlung in Überlingen diese Tage heftigst diskutiert. «Die Wirte sollten sich gut überlegen, ob sie sich auf diesen Kuhhandel einlassen», sagt Bernd Dahringer, Geschäftsführer der Dehoga-Geschäftsstelle Ravensburg. Das Image der Branche sei schon nicht gut, und dann noch für die Stadt als ausgewiesene öffentliche Toilette zu dienen, davor warne er. Auch sollte nicht nur die Gastronomie, sondern auch Einzelhandel und Behörden in die Aktion einbezogen werden. Kritisiert wird die finanzielle Entschädigung von rund 150 Euro pro Saison für die Betriebe. Mit 1'500 Franken entschädigt Luzern die teilnehmenden Restaurants und Hotels fürstlich dagegen und nimmt dieser Kritik den Wind aus den Segeln.

13 Restaurants oder Bars sind nun dabei. «Wir hoffen, dass sich später noch weitere Betriebe beteiligen werden», sagt der Luzerner Tourismusdirektor Marcel Perren auf Anfrage. Perren findet es positiv, dass damit weitere Toilettenstandorte auf die Sommersaison zur Verfügung ständen. Diese seien eine Ergänzung in der Übergangszeit der Umsetzung des Masterplans, erklärt Perren. Für Luzern als Ziel von Ferien- und Geschäftsreisenden seien öffentlich zugängliche, gut auffindbare und saubere Toiletten ein wichtiger Teil des Angebots und auch für das Image als internationale Qualitäts-Reisedestination von grosser Bedeutung. Vorteil der «netten Toiletten» ist auch, dass diese lange geöffnet sind. Folgende Gastrobetriebe und Hotels machen mit: Brasserie Flora, Bar Capitol, Restaurant Pavarotti, Fondue House Luzern, Hotel Falken, Hotel des Alpes, Hotel Rebstock, Restaurant Storchen, Restaurant Nix’s in der Laterne, Wirtschaft zur Ente, Wirtshaus Taube, Restaurant Unikum im Rütli und Restaurant Lapin.

Erfahrungen abwarten

Die Kosten des Pilots sind auf 60’000 Franken veranschlagt. Die Kosten teilen sich die beiden Organisationen mit zusammen 20’000 Franken sowie der ALI-Fonds der Stadt Luzern. Gemäss Urs Käppeli, dem Projektleiter bei der städtischen Baudirektion, wird der ALI-Fonds einmalig 40’000 Franken ans Projekt bezahlen. Die Gastrobetriebe erhalten gemäss Käppeli eine Pauschalentschädigug von 1’500 Franken.

Ob die Pauschalentschädigung die Mehrkosten der Restaurants für WC-Papier und Reinigung abdeckt, lässt sich noch nicht abschätzen. «Wir werden Ende Jahr sehen, welche Erfahrungen die Betriebe machen und wie sich das Konzept bewährt», sagt Käppeli. Auch die Stadt Luzern würde es sehr begrüssen, wenn sich weitere Gastrobetriebe beteiligten.

Ein beteiligter Gastronom, der nicht namentlich genannt sein will, sagt zu seiner Motivation: «Ich habe schon bisher Passanten, die bei mir auf die Toilette gehen wollten, nicht Nein gesagt. Das finde ich selbstverständlich. Insofern ändert sich für mich nicht viel.» Ausser, dass er jetzt finanziell entschädigt werde. Er wünsche sich aber manchmal mehr Anstand von den Passanten. «Ein kurzes Hallo und die Frage, ob man das WC benützen darf, wäre schön.» Ob die Entschädigung seine Kosten abdeckt, kann der Wirt nicht sagen.

Flyer auf Webseite Luzern Tourismus

Um das neue Angebot zu kommunizieren, stehen Flyer auf Deutsch und Englisch zur Verfügung, auf denen ersichtlich ist, wo sich die Toiletten befinden und wann sie geöffnet sind. Die Betriebe selbst machen mit einem Kleber an der Eingangstüre auf ihre «nette Toilette» aufmerksam. Den Flyer mit einer Karte und den Standorten kann man herunterladen auf: www.luzern.com/nette-toilette.

Bei der Stadt Luzern wird der WC-Masterplan momentan überarbeitet. Der Stadtrat will dem Parlament bis im Herbst einen neuen Bericht und Antrag vorlegen. Gemäss Urs Käppeli sind gewisse «Präzisierungen» und «Korrekturen» vorgesehen. Welche das sind, kann er zentral+ nicht mitteilen. Der «Widerspruch», die WC-Anlage beim Löwendenkmal zu schliessen, sei aber bereinigt worden. Nach Protesten, an diesem touristischen Hauptanziehungspunkt das WC zu schliessen, hat die Stadt diese Idee fallen gelassen. Am 19. Mai wird die sanierte WC-Anlage beim Löwendenkmal wieder in Betrieb genommen und das Provisorium entfernt, das zurzeit in Betrieb ist.

Themen
Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


2 Kommentare
  • Profilfoto von Bruno Raffa
    Bruno Raffa, 10.05.2014, 10:58 Uhr

    Hier der richtige Link: wir waren mindestens 3 Jahre zu früh…

    http://blog.smccv.ch/geplante-wc-schliessungen-in-luzern-wieviele-toiletten-braucht-eine-stadt/

    👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
  • Profilfoto von Bruno Raffa
    Bruno Raffa, 09.05.2014, 18:05 Uhr

    Endlich… siehe da, wir waren 3 Jahre zu früh: http://blog.smccv.ch/geplante-wc-schliessungen-in-luzern…/

    ABER: Leider kann die Idee der «Netten Toilette» ein zweischneidiges Schwert sein. In vielen deutschen Städten zeigt sich, dass mit der Einführung des Konzeptes mit der Schliessung öffentlicher Toiletten verbunden ist (Kostenersparnis). Die „Netten Toiletten“ sind – im Gegensatz zu öffentlichen Toiletten – nur zu den jeweiligen Geschäftszeiten geöffnet. Ebenfalls könnte das Problem der behindertengerechten öffentlichen Toilette so nicht gelöst werden.
    Die «Nette Toilette» sollte also nach Meinung der SMCCV eine (wichtige) Ergänzung der üblichen öffentlichen Toiletten sein und nur im äussersten finanziellen Notfall einer Gemeinde diese ersetzen. Die Versorgung mit einer ausreichenden Anzahl öffentlicher Toiletten muss also weiterhin Aufgabe der Gemeinde sein.

    👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
Apple Store IconGoogle Play Store Icon