Affäre Hensler

Kantonsräte sollen von Amtsgeheimnis enthoben werden

Die Luzerner Staatsanwaltschaft sucht den Maulwurf, welcher den Sollberger-Bericht den Medien zustellte. (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Der vertrauliche Bericht von Untersuchungsleiter Jürg Sollberger in der Affäre um den ehemaligen Polizeikommandanten Beat Hensler gelangte im November 2013 an die Medien. Damit die Staatsanwaltschaft ermitteln kann, sollen nun die Kantonsräte vom Amtsgeheimnis entbunden werden.

Die Enthebung vom Amtsgeheimnis forderte die Staatsanwaltschaft via Staatskanzlei ein. Diese leitete die Anfrage an die Kantonsregierung, welche dem Vorhaben grünes Licht gab. Somit berät der Kantonsrat auf Geheiss der Geschäftsleitung des Kantonsrates an der Session vom 31. März darüber. Die von zentral+ angefragten Parteien begrüssen die Enthebung vom Amtsgeheimnis.

Nur wenige Personen erhielten den vertraulichen Untersuchungsbericht von Jürg Sollberger in der Affäre um den abgetretenen Polizeikommandanten Beat Hensler. Das waren die Regierungsrätin Yvonne Schärli, die 17 Mitglieder der Aufsichts- und Kontrollkommission (AKK) des Kantons und Beat Hensler selbst. Der Bericht gelangte schlussendlich an die «Rundschau» vom Schweizer Fernsehen und die Staatsanwaltschaft Luzern leitete deswegen eine Untersuchung wegen Amtsgeheimnisverletzung gegen unbekannt ein. Um den Maulwurf zu finden, sollen nun die Kantonsräte von ihrer Immunität befreit und befragt werden können. Sollte der Schuldige gefunden werden, wird ihm der Rücktritt nahegelegt.

Ist die Information der Öffentlichkeit nicht zwingend?

Dass der Weg, wie die Informationen an die Öffentlichkeit gelangten, falsch war, steht ausser Frage. Es wurde das Amtsgeheimnis verletzt, eine Verpflichtung, welche die Kantonsräte mit ihrer Wahl eingehen. Dennoch: Die Inhalte des Sollberger-Berichts waren von öffentlichem Interesse. Hat diese kein Anrecht darauf, zu wissen, welche Details im Bericht enhalten sind? Ludwig Peyer von der CVP lässt wissen, dass er in der Sache schon früher Transparenz gefordert hatte: «Man kann ja immer noch gewisse Passagen schwärzen oder den Bericht zusammenfassen. Meiner Meinung nach müsste der Bericht öffentlich gemacht werden.» Doch momentan unterliegt der Bericht immer noch dem Kommissionsgeheimnis.

Unterstützung erhält Peyer von SVP-Kantonsrat Guido Müller: «Ich finde es richtig, dass die Bevölkerung vom Inhalt dieses Berichts erfährt, um sich selber ein Urteil über die Führungssituation bei der Kantonspolizei zu machen.» Auch er weist darauf hin, dass der Bericht anonymisiert werden müsste, wie es die SVP auch schon verlangt habe.

Gegen eine Veröffentlichung sprach sich die Aufsichts- und Kontrollkommission des Kantons aus, wie deren Präsidentin, Nadia Furrer-Britschgi, gegenüber zentral+ bestätigt: «Die AKK hat lange darüber diskutiert, ob der Bericht veröffentlicht werden soll oder nicht. Aus Gründen des Persönlichkeits- und Datenschutzes hat sich die Kommission dagegen entschieden.» Eine Zusammenfassung oder Einschwärzung fand ebenfalls keine Mehrheit in der Kommission, da befürchtet wurde, dass trotzdem Rückschlüsse möglich seien. Schlussendlich fiel der Entscheid aber nicht eindeutig aus, wie Furrer-Britschgi wissen lässt: «Eine Minderheit war für die ausnahmslose Publikation des Berichts.»

Alle Kantonsräte sollen enthoben werden

Letztlich gelangte der Bericht dann doch an die Öffentlichkeit und die Rundschau konnte darüber berichten. Darum wurde nun von Amtes wegen eine Strafuntersuchung eingeleitet. Dass der Kantonsrat selbst seine Mitglieder vom Amtsgeheimnis enthebt, ist laut Lukas Gresch-Brunner, Staatsschreiber des Kantons Luzern, nicht aussergewöhnlich: «Ein Amtsträger kann nur von der vorgesetzten Stelle vom Amtsgeheimnis entbunden werden. Für einzelne Kantonsräte ist dies folglich der Kantonsrat selbst.»

Damit die Untersuchung möglichst zügig durchgeführt werden kann, beschränkt sich die Enthebung vom Amtsgeheimnis jedoch nicht auf einzelne Kantonsräte, vorbeugend wird die Enthebung ausgeweitet: «Aus prozesstechnischen Gründen wird beantragt, gerade alle Kantonsräte vom Amtsgeheimnis zu entbinden. Falls sich die Untersuchung allenfalls auf weitere Mitglieder des Kantonsrates ausserhalb der AKK erweitern würde, müsste man nicht noch einmal einen Antrag stellen.»

Beauftragt mit der Untersuchung ist die Staatsanwaltschaft Uri. «Die Staatsanwaltschaft Luzern hat sich entschieden, den Fall einer externen Staatsanwaltschaft zu übertragen», erklärt Bruno Ulmi von der Staatsanwaltschaft Uri. «Dies weil sich der Kreis der möglichen Täterschaft sowohl auf Mitglieder der kantonalen Verwaltung als auch auf Angehörige des Kantonsrates erstreckt.» Und da es sich beim Kantonsrat um die Wahlbehörde der Luzerner Staatsanwälte handle, könnte sich laut Ulmi im Verlauf der Untersuchung ein Interessenkonflikt ergeben.

AKK-Präsidentin begrüsst Enthebung

Nadia Furrer-Britschgi, Präsidentin der kantonalen Aufsichts- und Kontrollkommission, begrüsst das Vorgehen der Staatsanwaltschaft: «Ich bin nicht skeptisch, dass die Kantonsräte vom Amtsgeheimnis enthoben werden und bin bestrebt, dass dieser Fall gelöst werden kann.» Das Problem sei, dass die Staatsanwaltschaft im Moment nicht richtig ermitteln könne. Daher finde sie die Entscheidung «richtig und gut».

Der Sollberger-Bericht

Der Schlussbericht von Jürg Sollberger gelangte im November 2013 vorgängig an die Medien, obwohl die Aufsichts- und Kontrollkommission (AKK) eine Geheimhaltung beschlossen hatte.

Im August 2013 wurde der Bericht dem Justizdepartement, der AKK und dem Polizeikommandanten präsentiert. In Auftrag gegeben wurde der Bericht von Yvonne Schärli. Sie beauftragte im Juli 2013 Jürg Sollberger, die Vorfälle innerhalb des Luzerner Polizeikorps zu untersuchen.

Im Fokus stehen dabei die 17 Mitglieder der AKK, da sie den grössten Personenkreis stellt, welcher das Dokument erhalten hat. Somit bietet die Kommission die numerisch grösste Quelle, welche den Bericht an die Rundschau hätte weitergeben können. Furrer-Britschgi wehrt sich jedoch vehement gegen diesen Generalverdacht: «Es haben neben der AKK weitere Personen die Informationskenntnis. Der Kreis ist zwar eng, geht aber über die AKK hinaus, zum Beispiel in das kantonale Departement.» Damit wolle sie nicht vermuten, dass es eine Person aus diesem Kreis war, «aber betonen, dass nicht nur die AKK Berichtkenntnis hatte».

SVP, CVP und SP begrüssen Enthebung vom Amtsgeheimnis

Im Kantonsrat sollte einer Enthebung vom Amtsgeheimnis nichts im Weg stehen. zentral+ hat bei den Fraktionen der SVP, CVP und SP nachgefragt – diese scheinen sich in der Sache einig zu sein. Man habe zwar die Sache in der Fraktion noch nicht diskutiert, sagt etwa SP-Fraktionsvorsitzende Priska Lorenz: «Ich gehe aber davon aus, dass wir die Enthebung vom Amtsgeheimnis begrüssen werden.»

Ebenfalls noch entscheiden wird die SVP-Fraktion. Doch deren Vorsitzender Guido Müller unterstützt den Antrag: «Meine persönliche Meinung ist, dass es die Enthebung vom Amtsgeheimnis braucht, wenn man die Untersuchung durchführen will.» Und laut Ludwig Peyer wird sich auch die CVP der Enthebung nicht in den Weg stellen: «Es besteht ein Interesse an der Wahrheitsfindung. Es geht nun darum, Auskunft geben zu können. Da spricht nichts dagegen.»

Vom Maulwurf wird der Rücktritt gefordert

Doch wie hoch wird eigentlich die Chance eingestuft, dank der bevorstehenden Untersuchung das Leck zu finden? «Mit Blick auf frühere und ähnliche Fälle gehe ich davon aus, dass es schwierig wird, herauszufinden, wer die Information weitergab», dämpft Nadia Furrer-Britschgi zu hohe Erwartungen.

Zudem können die Kantonsräte zwar vom Amtsgeheimnis enthoben werden, könnten aber immer noch die Aussage verweigern. Das bestätigt auch Bruno Ulmi von der Staatsanwaltschaft Uri: «Als Auskunftspersonen können sie vom generellen Recht der Aussageverweigerung Gebrauch machen.» Furrer-Britschgi ist sich dessen bewusst, appelliert aber an die Ehre der Kantonsräte: «Diese Haltung als gewählter Kantonsrat wäre für mich sehr bedenklich.»

Noch deutlicher wird die Präsidentin der AKK bei den möglichen Folgen, welcher ein aufgedeckter Maulwurf zu tragen hätte: «Falls tatsächlich ein Kantonsrat-Mitglied als Leck identifiziert werden kann, müsste das ganz klar einen Rücktritt zur Folge haben. Solche Leute sind nicht tragbar und das werde ich auch vertreten, wenn die Person aus meiner eigenen Partei kommt.» Es werde laut Furrer-Britschgi an jeder Sitzung – «am Anfang oder am Schluss» – an das Amtsgeheimnis erinnert. «Zudem steht dieses ganz klar im Kantonsgesetz, an welches sich gewählte Räte halten müssen», sagt sie, nicht ohne ärgerlichen Unterton.

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