Gitarrenbauer Relish baut sein 1000. Instrument

Warum Amerikaner gerade voll auf Luzerner Edelgitarren abfahren

Sichtlich begeistert: Youtuber Darrell Braun verhilft der Luzerner Gitarre zu einem viralen Hit.

(Bild: Youtube)

90 Prozent dieser Gitarre werden aus Schweizer Teilen gebaut – und 90 Prozent der fertigen Instrumente gehen in die USA. Dort erlebt ein kleiner Luzerner Gitarrenbauer gerade einen regelrechten viralen Hype. Bald verlässt die 1000. Gitarre die Werkstatt – mit purem Gold.

Das hat die kleine Luzerner Gitarren-Manufaktur Relish Guitars noch nie erlebt: Ein Video, das eines ihrer Instrumente zeigt, schiesst durch die Decke. «So unique and so different», sagt der kanadische Youtuber Darrell Braun begeistert – und packt ganz im Trend der Unboxing-Phänomene eine «Mary One» von Relish aus dem Koffer. Noch keinen Monat ist das Video online und hat schon über eine Million Aufrufe.

Das Video crashte kurzzeitig die Website, als schon am ersten Tag 130’000 User draufklickten. «Das ist gigantisch, das hätten wir nie erwartet», sagt Gründer und Geschäftsführer Silvan Küng. Die Website verzeichnet seither täglich 2’500 Zugriffe, vorher waren es maximal 200. «Und auch im Verkauf merken wir das, in den USA kaufen sie unsere Läden leer.»

 

Das Video zeigt exemplarisch, zu was es die lokalen Gitarrenbauer gebracht haben, die 2013 in Kriens begonnen haben und heute im Sempacher Industriegebiet produzieren. 90 Prozent des Umsatzes erzielt Relish im amerikanischen Markt.

Silvan Küng trägt eine schwarze Jacke mit dem Logo seiner Firma. In Sempach stehen einige der edlen Stücke zum Ausprobieren bereit. Vier Modelle gibt es bis heute, sie heissen «Jane», «Mary», «Mary One» und «Platinum».

Influencer helfen

Der Youtube-Erfolg zeigt, wohin die Reise geht: Social-Media-Marketing, Influencer, Videos – damit erreicht das kleine Unternehmen mit acht Mitarbeitern die Freaks in den USA oder Japan, die auf spezielle Premium-Gitarren abfahren.

Genau für solche Geschichten hat Relish vor kurzem sein Team mit Markus Aregger verstärkt. Der Online-Marketing-Mann ist selber Musiker. «Es macht einfach Freude, mit solchen Leuten, Musikern und Bands zusammenzuarbeiten», sagt er. «Die verstehen, was wir machen.»

400 Stück im Jahr

Das Geheimnis des Erfolgs liegt in der Werkstatt, wo jedes Stück von A bis Z von Hand gefertigt wird – dieses Jahr werden es rund 400 Stück sein. Silvan Küng öffnet die Tür, wo es vom ruhigen Büro in die staubige Produktionsstätte geht.

Maschinen rauschen. Hier wird Holz geschliffen, Stücke zusammengepresst und geschraubt, gelötet, verkabelt, geleimt, gefräst und lackiert. Es riecht nach Holz und Farbe. Einzelteile wie Hälse und Holzfurniere warten auf die Verarbeitung: Nussbaum, Kirsche oder Olivenholz.

Fünf Mitarbeiter in der Produktion verarbeiten und montieren jede Gitarre von Hand – das hat seinen Preis.

Fünf Mitarbeiter in der Produktion verarbeiten und montieren jede Gitarre von Hand – das hat seinen Preis.

(Bild: zvg)

Die Arbeitsplätze sind entlang der Fertigung der Gitarre angeordnet – an jedem Platz liegen die Werkzeuge und Teile bereit, die es für den jeweiligen Arbeitsschritt braucht. Am Samstag öffnet Relish seine Produktionsstätte der Öffentlichkeit (siehe Box).

Jeder Mitarbeiter in der Produktion ist für eine Bestellung verantwortlich und baut die Gitarre vom ersten bis zum letzten Schritt zusammen. Eine Tafel zeigt, wer für welches Stück zuständig ist. Hier werden die Instrumente behutsam wie Babys behandelt, und nicht als Ziffer unter ferner liefen.

Küng nimmt ein speziell lackiertes Modell in die Hand, eine Extra-Anfertigung für die kanadische Band Walk off the Earth. Eine Überraschung, weil kürzlich ein Bandmitglied gestorben ist. «Wir finden es ein schönes Zeichen, auf diesem Weg ein verlorenes Bandmitglied wieder auf die Bühne zu heben», sagt er.

Holz aus dem Muotathal

Relish baut nicht einfach hochwertige E-Gitarren, sondern hat das Instrument quasi neu erfunden. Anstatt wie üblich aus einem Holzblock werden hier Holzschichten um einen Aluminiumrahmen verbaut. Dieser bildet das Rückgrat des Instruments.

Der Aluminiumrahmen – zusammen mit dem Hals das zentrale Element – wird aus einem Stück gefräst und ist entscheidend: «Dadurch ist der Klang bei unseren Gitarren sehr lang und das Tonspektrum sehr breit», sagt Küng.

Relish-Gründer und Geschäftsführer Silvan Küng: «In den USA kaufen sie unsere Läden leer.»

Relish-Gründer und Geschäftsführer Silvan Küng: «In den USA kaufen sie unsere Läden leer.»

(Bild: zvg)

90 Prozent der Materialien kommen von Schweizer Zulieferern, auch von solchen, die vorher nicht im Instrumentenbereich tätig waren – zum Beispiel Möbelbauer: «Sie haben das Know-how mit uns zusammen aufgebaut», so Küng. Das Ahornholz für den Hals wird im Muotathal im Rohzustand gebogen und ausgefräst. «Der ist kaum zerbrechbar und extrem stabil.»

Das Fingerboard wird aus gepressten Bambusfasern statt Tropenholz hergestellt. Das ist nur eines von vielen Patenten, die in einer Relish-Gitarre stecken. «Das ist sehr nachhaltig und letztlich 30 bis 40 Prozent härter als Tropenholz.»

In Sekundenschnelle vom Jazz- zum Metalsound

Die entscheidenden Features liegen im Hohlraum im Bauch der Gitarre. Die Holzabdeckung auf der Rückseite kann mit einem Handgriff abgenommen werden und man blickt in die «Innereien» der aufwendigen Sandwichkonstruktion.

Die Pick-ups – die Tonabnehmer – kann man jetzt ohne eine einzige Schraube herauslösen und auswechseln. So wird aus der Jazz- in Sekundenschnelle eine Heavy-Metal-Gitarre. «Jedes Pick-up hat einen anderen Charakter und so erhält man seinen massgeschneiderten Sound», sagt Küng.

Tag der offenen Tür

Am Samstag, 11. Mai, öffnet Relish Guitars ihre Türen: 12 bis 19 Uhr, Industriestrasse 16, Sempach. Man kann die Gitarren ausprobieren, sich die Werkstatt erklären lassen, es gibt Live-Musik von Glauco Cataldo und Jay Nicehill & Friends, einen Grill und ein eigens gebrautes Relish-Bier.

Diese Innovation biete sonst niemand. «Du kaufst eine Gitarre, aber mehrere Sets – und hast so ein Instrument für Jazz, Blues oder Rock.» Entscheidend dafür sei ein kleines, unscheinbares Kunststoff-Teil, die Relish im Emmental spritz-giessen lässt. «Der Träger der Tonabnehmer ist eine unserer stärksten Innovationen», sagt der Geschäftsführer.

Elektrisch und akustisch

Küng greift sich eine weiss-blaue «Mary one» und schliesst sie an den Verstärker. « Die Gitarre ist sehr direkt und macht, was du als Musiker willst. Du kannst so viel stärker Einfluss auf die Schwingung und den Sound nehmen», sagt Küng.

Die Gitarre ist beides: Elektro- wie auch Akustikgitarre mit Resonanzraum, mit einem Schalter switcht man zwischen den Signalen. Auch beides zusammen ist möglich, wie Silvan Küng demonstriert. «Das ist das, was der Musiker letztlich braucht: ein inspirierendes Instrument.»

Auch der Luzerner Blueser Richard Koechli spielt Relish:

 

Bis zu 16’000 Franken teuer

Schweizer Bauteile, Handarbeit, Nachhaltigkeit – all das hat seinen Preis. Zwischen 3’800 und 16’000 Franken kostet eine Relish-Gitarre. Silvan Küng weiss, dass er damit nicht den Durchschnittsmusiker anspricht: «Wir bewegen uns im Premium-Segment, 90 Prozent der Gitarristen zahlen nicht mehr als 1500 Franken für ein Gitarre.»

Das Ziel sei, die Innovationen irgendwann auch für Modelle anzubieten, die etwas günstiger sind. «Das ist in Entwicklung und braucht noch etwas Zeit», sagt er.

Im Moment ist das Geschäft noch ganz in die USA und nach Japan ausgerichtet, wo Händler jeweils ein paar Dutzend Modelle bestellen. Europa wird aber immer wichtiger – auch die Schweiz.

Im Gegensatz zu anderen E-Gitarren haben Relish-Modelle einen Hohlraum.

Im Gegensatz zu anderen E-Gitarren haben Relish-Modelle einen Hohlraum.

(Bild: zvg)

Die 1000. Gitarre wird die speziellste

Relish sieht sich als Rebell in einer Szene, wo die Gitarren seit Jahrzehnten gleich gebaut wurden. «Unsere Vision ist, das Feld von hinten aufzurollen, in diesem erzkonservativen Markt ist das eine Challenge», so Küng.

Inzwischen werde Relish ernst genommen – und vor allem wahrgenommen. Zahlen gibt Küng keine bekannt. Bis jetzt hatten sie vor allem Investitionen, die noch amortisiert werden müssen. Anfang 2018 gab’s 3 Millionen Franken frisches Kapital von Investoren (zentralplus berichtete). «Wir sind näher an der Gewinnschwelle als auch schon. Das Ziel, dass wir nachhaltig selber wachsen können, ist absehbar», so Küng.

Letztlich mache die Produktion in diesem kleinen, innovativen Team einfach Spass. Die Produktion soll überschaubar bleiben. «Wer eine günstige Gitarre sucht, findet genügend andere. Relish bleibt ein Nischenmarkt.»

Diesen Sommer wird in der Werkstatt die 1000. Gitarre zusammengebaut – und da legt Relish alles in die Waagschale. Hals, Body und Mechanik werden mit Gold verziert – im Wert von 1000 Franken. Ob dieses neue Flaggschiff dann verkauft wird oder nicht, ist noch offen. «Ich denke, wir behalten sie mal für uns selber», sagt Küng. Aber ein Sammler lässt sich sicher auch dafür finden.

Bilder aus der Produktion in der Galerie:

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