Entlassung des langjährigen Cheftechnikers führt zu Unmut
Mit Cheftechniker André Stocker wurde ein langjähriger Mitarbeiter des Theater Casino in Zug entlassen. Dies sorgt für viel Unmut in der Zuger Kulturszene. Der Zuger Journalist, Kulturschaffende und ehemalige Kantonsrat Beat Holdener holt in einem Leserbrief zum Rundumschlag aus.
Der Zuger Kulturschaffende und ehemalige Kantons- und Gemeinderat Beat Holdener (Bunte Liste) wandte sich vergangene Woche mit einem Leserbrief an die Medien. Darin geht es um die Entlassung des langjährigen technischen Leiters des Theater Casino Zug, André Stocker. Die Stelle des technischen Leiters ist aktuell ausgeschrieben. So wurde Holdener auf die Causa aufmerksam.
«Im Theater Casino Zug spielt sich wieder einmal ein Drama ab, allerdings nicht auf der Bühne, sondern hinter den Kulissen», schreibt Holdener. Damit tut er seinen Unmut über den Entschluss des Stiftungsrates um den Zuger Stadtpräsidenten Karl Kobelt (FDP) kund.
Der Techniker als Bauernopfer?
Er habe persönlich jedes Jahr dutzende Male von der Hilfsbereitschaft, der Kompetenz, der Erfahrung sowie der Kundenfreundlichkeit Stockers profitiert. Sowohl als Musiker wie auch als Veranstalter, blickt Holdener zurück.
Es ist nicht das erste Mal, dass der Kulturtempel in jüngster Zeit in die Schlagzeilen gerät. So sorgte die Diskussion um den Brandschutz rund um das frisch renovierte Gebäude vor gut einem Jahr für einiges böses Blut zwischen den beteiligten Akteuren.
Nicht der erste Knatsch
So ging es damals unter anderem um eine Kaffeemaschine, die aufgrund der Sicherheitsbestimmungen nicht an ihrem dafür vorgesehenen Ort platziert werden konnte. Die Folge: In den Pausen gab es keinen Kaffee, dafür genervte Kunden. Die verschiedenen für den Betrieb verantwortlichen Organisationen gerieten sich unter anderem deshalb ebenso in die Haare wie die Politiker im Grossen Gemeinderat (zentralplus berichtete).
«In der städtischen Kulturpolitik und im Theater Casino gäbe es wichtigere und dringendere Baustellen.»
Beat Holdener
Diese Turbulenzen wirken sich nach Holdeners Einschätzung negativ auf die Qualität des kulturellen Angebotes beim Seeliken aus. «Nicht ein einziges Mal habe ich mit Herrn Stocker oder seiner Technik-Crew eine negative Erfahrung gemacht, sondern extrem viel Positives erlebt», erinnert sich Holdener. Wer wisse, welch immens wichtigen Beitrag eine Top-Technikcrew für das Gelingen einer Produktion ausmacht, könne vermuten, wie schwer die Entlassung des erfahrenen Cheftechnikers wiegen könnte.
Harsche Kritik am Programm
Holdeners Kritik geht über die Entlassung Stockers hinaus. Sie ist für ihn nur die Spitze des Eisberges. «Die Auswechslung des technischen Leiters bringt für die Besucher des Theater Casinos genau nichts. Der Betrieb wird nicht kundenfreundlicher, die Qualität der Gastronomie wird nicht besser und vor allem wird das Programm nicht einen Deut interessanter», so Holdeners Verdikt zur aktuellen Performance des Kulturhauses. «In der städtischen Kulturpolitik und im Theater Casino gäbe es wichtigere und dringendere Baustellen», schreibt Holdener.
«Ein arg herber Verlust für das Haus sowie für die Künstlerinnen und Künstler.»
Ein Kommentar auf Facebook
Holdener räumt zwar ein, dass seine Wahrnehmung, was das Programm betrifft, subjektiv ist, hält sich aber dennoch nicht zurück, wenn es um seinen Rüffel für die Programmverantwortlichen geht. Denn es sei «ein Programm, das vor nicht allzu langer Zeit noch überregional ausstrahlte und sich mit Innovation, Exklusivem oder Eigeninszenierungen profilierte, und heute vor allem 08/15-Veranstaltungen aus dem Katalog und Wiederholungen bietet», so Holdener.
Unverständnis in der Kulturszene
Auf Holdeners Leserbrief, der am Mittwoch in verschiedenen Zeitungen publiziert wurde, gab es auf Facebook viele pointierte Kommentare. Sowohl Holdener als auch der geschasste Stocker erhalten darin viel Zuspruch. Vor allem wird aber grosses Bedauern geäussert.
«Ein arg herber Verlust für das Haus sowie für die Künstlerinnen und Künstler. Herzblut und Engagement sind unbezahlbar. Wer das nicht würdigt, oder sich darob sogar bedroht fühlt, hat diesen fachlich hochkompetenten technischen Leiter nicht verdient», schreibt eine Musikgruppe aus dem Kanton Zug.
«Schade dass durch diese Entwicklungen das Fachwissen für Eigenproduktionen im Theater Casino immer mehr verloren geht.»
Ein Kommentar auf Facebook
«Viele Male durfte ich mit ihm zusammenarbeiten. Sei es mit der Musikschule oder verschiedenen Bandprojekten. Stets gut gelaunt, kompetent und hilfsbereit habe ich ihn erlebt», äussert sich ein anderer enttäuschter Musiker.
«Viele tolle Eigenproduktionen wie Nikki, Stärnehagel oder Westside Story, wären ohne Stockers Kompetenz und Einsatz kaum in dieser Qualität möglich gewesen. Für das Zuger Kulturschaffen kein gutes Zeichen», schreibt ein anderer.
Die Verantwortlichen schweigen
Zur angeprangerten Personalpolitik und der programmatischen Ausrichtung im Allgemeinen sowie zu Stockers Entlassung im Besonderen will sich auf Nachfrage niemand von den Verantwortlichen äussern. Sowohl bei der Stiftung Theater Casino Zug, die für die Personalentscheide verantwortlich ist, als auch bei der Theater- und Musikgesellschaft (TMGZ), die das Programm gestaltet, hält man sich bewusst zurück.
«Wir haben mit Herrn Stocker bis zum Ende des Anstellungsverhältnisses eine Schweigepflicht vereinbart», schreibt Stiftungsratsmitglied Marcel Grepper auf Anfrage. Der Präsident der Stiftung, Karl Kobelt, war für eine Stellungnahme nicht abkömmlich.
Wenig erfährt man auch bei der TMGZ. «Die Entlassung von Herrn Stocker ist Sache des Stiftungsrates. Deshalb können wir keine Antworten auf Fragen zur seiner Entlassung geben», sagt Vizepräsident Heini Schmid. Präsident Johannes Stöckli kann sein Amt aus gesundheitlichen Gründen derzeit nicht ausüben.
Aus programmatischer Sicht gebe es jedenfalls keine Gründe für die Trennung von André Stocker, sagt Schmid. «Es würde ja keinen Sinn ergeben, einen verdienten Mitarbeiter zu entlassen, der für reibungslose Abläufe im Haus verantwortlich ist.» Und was die Qualität des Programms betrifft, sagt Schmid: «Das ist eine kulturpolitische Diskussion, wo es um die Frage geht, welche Kultur im Kanton Zug wünschenswert ist und was sich tatsächlich realisieren lässt.» Einer Diskussion würde man sich aber sicher nicht verschliessen.
Nach Entlassung noch ein halbes Jahr angestellt
Trotz der Zurückhaltung der Verantwortlichen sind einige Details zur Trennung von Stocker durchgesickert. So bleibt der Cheftechniker noch bis Ende Juni beim Theater Casino angestellt. Wie Marcel Grepper vom Stiftungsrat sagt, sei Stockers Entlassung jedoch bereits im vergangenen Dezember beschlossen worden.
Dass der Techniker noch ein halbes Jahr in Seeliken arbeitet, weist darauf hin, dass er sich wohl nichts Gravierendes zuschulden kommen liess, da ansonsten eine fristlose Kündigung wahrscheinlich gewesen wäre. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei einseitig erfolgt, wie eine verlässliche Quelle sagt. André Stocker hätte demnach weiterhin gerne beim Theater gearbeitet.
Stellenbeschrieb: Geringere Qualifikation
Die jetzt ausgeschriebene Stelle soll jedoch nicht dem bisherigen Jobprofil entsprechen. Ein Blick auf das Inserat zeigt, dass die geforderten Qualifikationen für die verantwortungsvolle Stelle vergleichsweise tief sind. So braucht es für den Job keine fachliche Ausbildung. Notabene in einem Bereich, der durch die Digitalisierung immer komplexer und umfassender wird.
Es wird eine «langjährige und breitgefächerte Erfahrung im Bereich Veranstaltungstechnik», verlangt. Hinzu kommen die üblichen menschlichen Aspekte wie Verantwortungsbewusstsein, Zuverlässigkeit und karrieretechnische Komponenten wie Führungserfahrung. Will heissen: Wer in jungen Jahren über eine gewisse Zeit die Technik im Jugendfreizeitzentrum verantwortet hat und die lokalen Nachwuchsbands abmischte und ins richtige Bühnenlicht rückte, kann sich auf den Job bewerben.
«Der Institution Theater-Casino würde es gut anstehen, nicht nur Kultur einzukaufen, sondern Kultur auch unternehmensintern zu pflegen.»
Beat Holdener
Es ist offensichtlich, dass Stockers Nachfolger nicht den gleichen Erfahrungsschatz mitbringen muss. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass es sich um eine Sparübung handeln könnte.
Minimalismus statt Herzblut
Entsprechend enttäuscht zeigt sich auch Beat Holdener: «Menschen, die sich mit Fachwissen, Engagement und Herzblut für das Theater-Casino einsetzen, werden auf die Strasse gestellt. Der Institution Theater-Casino würde es aber gut anstehen, nicht nur Kultur einzukaufen, sondern Kultur auch unternehmensintern zu pflegen», so seine Kritik an die Verantwortlichen.
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igarulo, 21.04.2019, 10:59 Uhr Die mangelnde Kompetenz der verantwortlichen Politiker in der Auswahl von Führungspersonen im Kanton und der Stadt Zug ist sprichwörtlich. Selber erlebt als Lehrer. Noch heute als Rentner stehen mir alle Haare zu Berg.
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