Luzernerin Olivia Röllin moderiert neu bei SRF

«Religion wird von einigen extrem banal und leichtfertig abgetan»

«In Luzern kann ich richtig ankommen»: «Sternstunde»-Moderatorin Olivia Röllin ist viel unterwegs.

(Bild: jwy)

Seit diesem Jahr ist die in Luzern lebende Olivia Röllin neue «Sternstunde»-Moderatorin. Sie sagt, wieso Religion alle etwas angeht. Und wundert sich, dass sie das erste Mal vor der Kamera nicht nervös war.

Olivia Röllin ist das neue Gesicht der Religion am Schweizer Fernsehen. Die 28-Jährige moderiert seit diesem Jahr neben Amira Hafner-Al Jabaji die sonntägliche Sendung «Sternstunde Religion». Bisher sprach sie mit Regisseur Stefan Haupt über Zwingli, befasste sich mit Horoskopen und Astrologie und besuchte die Stiftsbibliothek Einsiedeln.

Seit letztem November ist Luzern der Wohnort der gebürtigen Zugerin. Aber oft ist sie auch in Wien, wo sie studiert, oder in Zürich, wo sie arbeitet, anzutreffen. Und kürzlich für einen zweiwöchigen Forschungsaufenthalt in Indien.

Im Gespräch antwortet sie schnell, reflektiert und abgeklärt, als ob sie mit jeder Frage gerechnet hätte.

zentralplus: Olivia Röllin, Ihre ersten drei Sendungen sind durch. Wie fühlt sich der Auftritt vor der Kamera an?

Olivia Röllin: Ich war etwas irritiert darüber, dass ich nicht viel aufgeregter bin. Mir war eigentlich sehr wohl in meiner Rolle. Spannend empfand ich den dramaturgischen Aufbau von Studioaufzeichnungen: Man geht in die Garderobe, die Kleider liegen bereit, dann eine Stunde in die Maske, man spricht sich nochmal mit dem Produzenten ab und schliesslich trifft man den Gast, bevor man endlich vor der Kamera steht. Es ist also ein zögerliches Herantasten ans Studio.

zentralplus: Das Auftreten ist nichts Neues für Sie?

Röllin: Nein, ich habe viel Theater gespielt und gesungen. Aber das ist ein anderes Gefühl ohne direktes Publikum.

zentralplus: Sehen Sie jemanden vor dem inneren Auge, wenn Sie die Sendung starten?

Röllin: Ja tatsächlich. Der Moment der Anmoderation ist eigentlich ein total absurder: Man schaut und spricht in diesen Zyklop hinein, muss also eine Verbindung mit etwas komplett Starrem und Reaktionslosem aufbauen. Es hilft, wenn man jemanden vor Augen hat – am besten natürlich jemanden, der Feuer und Flamme für die Sternstunden ist (lacht).

«Mir erscheint es platt, mich und meine Zuschauer auf das Alter zu reduzieren.»

zentralplus: Das Image von «Sternstunde Religion» ist eher alt und verstaubt. Was reizt Sie an diesem Format?

Röllin: (überlegt) Wenn Sie damit meinen, dass Religion ein Thema für alte Leute ist: Das finde ich ein sonderbares Vorurteil, dann wären Religionen doch längstens ausgestorben? Und was sollte dann beispielsweise der Weltjugendtag sein? Religion tradiert Themen, die in jeder Lebensphase aktuell sein können. Mich reizt die Vielfältigkeit daran und herauszufinden, was Menschen glauben, lieben und hoffen.

Zugerin in Luzern

Olivia Röllin ist seit diesem Jahr Hauptmoderatorin der «Sternstunde Religion», der sonntäglichen Sendung zu religiösen, interkulturellen und spirituellen Themen. Die Zugerin lebt in Luzern und Wien und hat Religionswissenschaften und Philosophie studiert. Schon seit 2016 hat sie gelegentlich für SRF Kultur gearbeitet. Nebst Philosophie und Religion hegt sie eine Leidenschaft für Gesang und Theater sowie Malerei.

zentralplus: Hilft es der Sendung, wenn junge Gesichter sie repräsentieren?

Röllin: (zögert) Rein theoretisch ja. Aber man kann die Frage auch umgekehrt stellen. Ein Vorwurf, der an mich herangetragen wurde, lautet: Du bist so jung, was kannst du zu solchen Themen beitragen? Konservativ eingestellte Leute haben das Gefühl, dass ich in Bezug auf so ernsthafte Themen nichts zu sagen habe.

zentralplus: Ärgern Sie sich über Schlagzeilen wie: «Ihr Publikum ist doppelt so alt wie Sie», wie kürzlich im «Tages-Anzeiger»?

Röllin: Klar, man kennt mich nicht, ich bin eine unbekannte Person. Man braucht irgendeinen Aufhänger, ich kenne das vom Journalismus. Aber mir erscheint es platt, mich und meine Zuschauer auf das Alter zu reduzieren.

zentralplus: Können Sie einen anderen Zugang zur Sendung und den Religionsthemen schaffen?

Röllin: Es ist für mich extrem schwierig zu sagen, ob junge Leute besser den Zugang finden, nur weil eine jüngere Person moderiert. Ich glaube, es ist eher der Themenzugang, den ich wähle. Meine Interessen sind breit gesät.

 

zentralplus: Ich bin aus der Kirche ausgetreten. Soll ich mir die Sendung trotzdem anschauen?

Röllin: Ja, hoffentlich. Als Mann sagt man auch nicht, Frauenthemen gehen mich nichts an, oder? Entsprechend geht Religion auch einen Konfessionslosen etwas an, das bestätigen Sie ja nur schon, indem Sie sich aktiv zur Kirche positioniert haben und ausgetreten sind.

zentralplus: Die Konfession spielt also keine Rolle?

Röllin: Ich habe Religionswissenschaften studiert. Das ist letztlich bekenntnislos, unparteiisch und so objektiv wie möglich. Und so verstehe ich auch die «Sternstunde Religion»: Objektiv, aber trotzdem kritisch reflektiert, über Themen nachdenken, die politisch, historisch, soziologisch oder vielleicht sogar künstlerisch einen Bezug zu Religion haben.

zentralplus: Sie moderieren im Studio und draussen. Muss die «Sternstunde Religion» mehr rausgehen?

Röllin: Draussen zu drehen, hat seinen Reiz, speziell für die Zuschauer. Etwa in der Stiftsbibliothek Einsiedeln, wo ich kürzlich war. Auch Aufzeichnungen vor Publikum tun dem Format gut, weil man Leute mit einbeziehen kann. Aber das ist immer auch eine finanzielle Frage.

zentralplus: Am Tisch wirkt’s schnell einförmig.

Röllin: Ich finde auch, dass das Format in dieser Beziehung Aufholpotenzial hat. So kann vielleicht auch der Vorwurf von «verstaubt» aufkommen. Irgendwie ist es ja schon eine ziemlich irreale Situation, dass zwei an einem solch langen Tisch starr vor einer Steinwand sitzen und ernsthaft diskutieren (lacht).

Olivia Röllin im Studio der «Sternstunde Religion».

Olivia Röllin im Studio der «Sternstunde Religion».

(Bild: SRF/Oscar Alessio)

zentralplus: Ihre ersten Sendungen zeigen, dass die Themen Glauben und Religion weit gefasst sind. Es sind aber auch eher Wohlfühlthemen, etwa die Astrologie.

Röllin: Das sehe ich anders. Die Sendung zur Astrologie war durchaus gewagt. Astrologie ist ein derart polarisierendes und heikles Thema. Gewisse fragen sich, was solcher «Humbug» in unserer Sendung zu suchen hat. Andere freuen sich, endlich mal mehr darüber zu lernen. Wohlfühlthemen sehen für mich anders aus.

«Ich bin nicht der Mittelpunkt der Sendung, da muss man demütig genug sein.»

zentralplus: Kritisch ja, aber nicht konfrontativ?

Röllin: Die «Sternstunde» ist ein Format, das kritisch reflektieren soll, aber es ist nicht per se konfrontativ. Es ist zudem immer die Frage, ob die Leute wirklich bereit sind, öffentlich zu streiten. Ob sie sich mit ihrer Meinung exponieren wollen. Es ist schwierig, Leute zu finden, die hinstehen und beispielsweise sagen: Nein, ich bin dagegen, dass Homosexuelle heiraten dürfen!

zentralplus: Machen Sie Ihren eigenen Glauben auch zum Thema? Spielt er für die Sendung eine Rolle?

Röllin: Nein, denn es ist schlicht nicht relevant, ob und wenn ja, was ich glaube. Ich bin nicht der Mittelpunkt der Sendung, da muss man demütig genug sein. Der Gast und seine Ausführungen stehen im Zentrum.

zentralplus: Aber wenn Sie nicht gläubig wären, wären Sie kaum in dieser Redaktion.

Röllin: Nein, das glaube ich nicht. Was man sagen kann: Ich habe offenkundig ein grosses Interesse an Religion, irgendeine Resonanz für das, was Menschen glauben, muss es geben.

zentralplus: Sie haben auch Philosophie studiert, die Abgrenzung der Themen ist nicht immer deutlich.

Röllin: Religion und Philosophie ergänzen sich tatsächlich sehr gut und sind je nach Tradition fast nicht voneinander zu trennen. Aber Religion wird von einigen Leuten, die Philosophie studiert haben, extrem banal und leichtfertig abgetan. Da hilft es, wenn man selber einen tieferen Einblick erhält. Und umgekehrt sind Menschen, die Religionswissenschaft studiert haben, in Bezug auf Philosophie teils naiv.

zentralplus: Sie kommen aus Zug und wohnen in Luzern und Wien. Sie haben in Zürich, München und Wien studiert – ist das Pendeln in Ihrer DNA?

Röllin: (lacht) Ich habe eigentlich gerne Ruhe, und diese bietet mir Luzern. Es ist eine gesetzte Stadt, in der man richtig ankommen kann. Insofern bin ich froh, dass ich hier ein Zuhause gefunden habe. Das Problem ist, wenn man das Herz an andere Städte verliert wie ich an Wien. Dann zwingt einem das Schicksal halt zum Pendeln, auch wenn man das eigentlich gar nicht so gern tut (lacht).

zentralplus: Was schätzen Sie denn an Luzern?

Röllin: Für mich ist die Nähe zum Wasser sehr wichtig, so bin ich im Kanton Zug ja auch aufgewachsen. Man darf nicht unterschätzen, was das mit der Stadt macht. Wasser hat so eine starke Kraft, die sich auf das Umfeld auswirkt.

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