Luzerner Regisseur an den Zuger Filmtagen

Neuer Film von Thomas Imbach: Wenn Geschwisterliebe weiter geht

Thomas Imbach hat sein künstlerisches Schaffen längst nach Zürich verlegt.

(Bild: zvg)

Der Luzerner Filmregisseur Thomas Imbach scheut sich nicht vor heiklen Themen. Sein neuer Film «Glaubenberg» handelt von der 16-jährigen Lena, die in ihren Bruder verliebt ist. An den Zuger Filmtagen stand Imbach gemeinsam mit der unerfahrenen Hauptdarstellerin, Zsofia Körös, Red und Antwort.

Wenn in einem Schweizer Film eine Teenagerin ihren Bruder liebt und diese Hingezogenheit über die Geschwisterliebe hinausgeht – dann ist ein mediales Echo vorprogrammiert. So geschehen vor rund zweieinhalb Jahren, als der Luzerner Regisseur Thomas Imbach seinen Film «Glaubenberg» ankündigte.

Schnell bekam der Film das Etikett «Inzestfilm» verpasst. Imbach störte sich anfänglich an dieser Schubladisierung. «Aber vielleicht hilft es, wenn man sagt Höhenfeuer 2.0», sagt der 55-Jährige zu seinem Film, der diesen Sommer am Filmfestival in Locarno Premiere feierte. Dort lief er als einziger Schweizer Beitrag.

Wie die Jungfrau zum Kind

Weit mehr Heimspielatmosphäre herrschte am Dienstagabend im Kino Seehof in Zug. Denn «Glaubenberg» feierte an den Zuger Filmtagen Deutschschweizer Premiere, bevor der Film am 22. November in die Kinos kommt. Organisiert von den «Filmliebhaberinnen Zug» («Fliz»), stand nach dem Film nicht nur Imbach dem Publikum Red und Antwort, sondern auch die Hauptdarstellerin Zsofia Körös.

«Ich habe auf dem Glaubenberg einst meinen Vater im Militär besucht.»

Thomas Imbach, Regisseur von «Glaubenberg»

Die Zürcherin spielt im Film die 16-jährige Lena, welche sich zu ihrem leicht älteren Bruder Noah (gespielt von Dieter Meiers Sohn Francis) hingezogen fühlt. Ihre schauspielerische Erfahrung davor: nada. Zu ihrer Debütrolle kam Körös wie die Jungfrau zum Kind.

In der Schule fündig geworden

«Thomas hat in meiner Schule nach einer passenden Darstellerin gescoutet», erzählt sie. Selbst nachdem ihr Imbach eine Einladung für ein Casting geschickt hat, habe sie noch nicht so recht an ihre Chance geglaubt. «Es haben recht viele Mädchen meiner Schule eine Einladung bekommen», erklärt die 19-Jährige mit einem Grinsen.

Lena (Zsofia Körös) gerät mit ihrer Mutter aneinander.

Lena (Zsofia Körös) und ihre Mutter geraten aneinander.

(Bild: Okofilm)

Doch Körös überzeugte nicht nur Imbach beim Casting, sondern nun auch Publikum und Experten. Diese bekommen auf der Leinwand eine junge Frau zu sehen, die für ihren Bruder durch Stahlbäder geht. Sie reist ihm gar in die Türkei nach, getrieben von innerer Zerrissenheit, aber auch Entschlossenheit.

Geliebt hat Lena Noah schon immer. Schon als Kind, als sie zusammen auf dem Glaubenberg «Versteckis» spielten. Der Pass an der Kantonsgrenze zwischen Luzern und Obwalden spielt eine besondere Rolle, nicht nur wegen seiner Mehrdeutigkeit.

Die Kindheitserinnerung vom Glaubenberg

«Der Glaubenberg war gewissermassen der Beginn des Film», erzählt Imbach. «Ich war im Appenzell und plötzlich kam mir der Glaubenberg in den Sinn. Ich habe dort einst meinen Vater im Militär besucht. Anhand dieser Kindheitserinnerung habe ich den Film entwickelt.»

«Ich hätte eigentlich schon Interesse an weiteren Filmrollen.»

Zsofia Körös, Hauptdarstellerin in «Glaubenberg»

Die Geschichte basiere auf eigenen Erfahrungen, so Imbach. Und sie ist inspiriert von der Geschichte von Byblis und Kaunos aus Ovids «Metamorphosen», in der Byblis von ihrem Bruder zurückgewiesen wird.

2’000 Jahre dazwischen – doch dieselbe Geschichte

Imbach sei verblüfft gewesen davon, wie seine Geschichte schon vor 2’000 Jahren erzählt worden sei. «Dies gab mir auch das Vertrauen, an diesem Stoff weiterzuarbeiten», wie er sagt. Obwohl es eine Geschichte aus seinem Leben ist, habe er die Dinge nicht so erlebt, wie er sie im Film zeigt. «Ich habe die Geschichte für die Leinwand neu erfunden.»

Zsofia Körös und Thomas Imbach stellen sich den Fliz-Fragen.

Zsofia Körös und Thomas Imbach stellen sich den Fliz-Fragen.

(Bild: sib)

Dort ist eine Lena zu sehen, die sich nicht davor scheut, Grenzen zu überschreiten. Als Noah in der Türkei weilt, beginnt sie, getrieben von Eifersucht, eine Affäre mit Noahs Kollege Enis. Als sie ihn verführt, zwingt sie ihn, Noahs T-Shirt anzuziehen. Ihr Wahnsinn wird zwar schleichend, doch immer frappanter, die Abgrenzung zwischen Realität und Tagträumen fällt immer schwerer. Am Ende lebt Lena gänzlich in ihrer eigenen Welt.

Die Eltern ahnen derweil mehr, als sie wissen. Und Noah? Der lässt die körperliche Nähe zu Lena zu, reagiert später jedoch mit Zurückweisung.

Lieber Serien

Der Film ist bestimmt keine leichte Kost – Tabubruch und unerwiderte Liebe treffen auf trockenen Humor. Körös gibt zu, dass das sonst nicht zwingend ihre Art Film sei. Ganz dem Alter entsprechend, hält sie es eher mit Serien: «Ich bin ein grosser ‹Game of Thrones›-Fan», sagt sie. «Aber ‹Glaubenberg› finde ich absolut klasse.»

«Zsofia ist sehr klug, dass sie nicht nur auf die Schauspiel-Karte setzt.»

Thomas Imbach

Dass Imbach den Film in Zug – also zwischen Luzern und Zürich – dem Deutschschweizer Publikum vorstellt, hat eine gewisse Symbolik. Denn in Luzern aufgewachsen und in die Schule gegangen, zog es ihn schon bald nach Zürich, wo er bereits seit zahlreichen Jahren als Filmemacher tätig ist und mit seiner Partnerin Andrea Staka (44) und dem gemeinsamen Sohn Vanja (10) wohnt. Staka hat auch mit Imbach zusammen «Glaubenberg» produziert.

Zuger Filmtage: Das ist neu

Die vierten Zuger Filmtage dauern noch bis Samstag. Erstmals dauern sie nicht mehr drei, sondern fünf Tage. In der Vergangenheit wurden die 13 bis 15 Kurzfilme von Nachwuchsfilmern unter 25 Jahren jeweils an einem Abend gezeigt. Nun werden sie über die Filmtage hinweg verteilt.

Während bislang meist zwei Langspielfilme über die Leinwand flimmerten, sind es jetzt deren sechs. Am Samstag, 3. November, findet neben verschiedenen Workshops zudem die Award-Night statt.

Wird Körös bald wieder auf der Leinwand zu sehen sein?

Auch wenn mit «Glaubenberg» Imbachs jüngstes «Kind» nun flügge ist, werde ihm die Arbeit so schnell nicht ausgehen, wie er beteuert. Seit fünf Jahren arbeitet er an einem Dokumentarfilm, den er am Schneiden ist. Dazu stehe er mit einem weiteren Spielfilmprojekt noch am Anfang, gibt er sich bedeckt.

Zsofia Körös auf der anderen Seite hat kürzlich ihr Pharmaziestudium begonnen. Weitere Filmrollen sind noch offen. Doch sie sagt auch: «Ich hätte eigentlich schon Interesse. Thomas versucht mich noch zu überreden.» Und Imbach ergänzt: «Zsofia ist sehr klug, dass sie nicht nur auf die Schauspiel-Karte setzt. Damit wäre eine gewisse Gefahr verbunden, da sehr viele Leute in ihrem Alter gerne Schauspieler werden möchten.»

Der Trailer zum Film:

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