100'000 Franken für Spoken-Word-Pionier Burki

Grosse Bühne für den Luzerner Verleger, der den Auftritt scheut

Bücher mag er, den prominenten Auftritt weniger: Matthias Burki in seinem Luzerner Verlagsbüro.

(Bild: jwy)

Ab Mittwoch dominiert in Luzern wieder das gesprochene Wort: Das Festival «Woerdz» vereint die grossen Namen der Spoken-Word-Szene. Ohne Matthias Burki mit seinem Verlag «Der gesunde Menschenversand» wäre das heute kaum möglich. Nun erhält er einen 100’000-Franken-Preis, den er gut gebrauchen kann.

Matthias Burki ist kein Mann der lauten Worte. Er scheut das Rampenlicht und die Bühne. Ein Paradox. Denn seit 20 Jahren lebt er für und von Menschen, die genau das suchen.

Burki verlegt von Luzern aus Bücher und CDs mit Texten, die für die Bühne geschrieben wurden. Für das gesprochene Wort hat Burki ein untrügliches Gespür, und mit Erfolg bringt er Namen wie Michael Fehr, Pedro Lenz oder Hazel Brugger unter die Leute. «Der gesunde Menschenversand» ist heute der wichtigste Spoken-Word-Verlag im deutschsprachigen Raum.

Nun wird er mit dem hochdotierten Preis der Landis-und-Gyr-Stiftung ausgezeichnet. Ein Gespräch kurz vor dem Festival «Woerdz», das er mitgegründet hat (siehe Box am Textende).

zentralplus: Für Ihre Leistungen mit dem «Menschenversand»-Verlag und als Veranstalter werden Sie mit 100’000 Franken ausgezeichnet. Das ist unglaublich viel Geld, oder?

Matthias Burki: Ja, das ist etwas einschüchternd (lacht). Es ist natürlich grossartig und unglaublich hilfreich, aber in den Dimensionen tatsächlich aussergewöhnlich.

zentralplus: Ihre Pionierarbeit im Bereich des Spoken Word wird gewürdigt, Ihr «Instinkt, Hartnäckigkeit, Idealismus und Begeisterung». Trifft das Ihr Wesen?

Burki: (überlegt) Schwierig, so etwas selber zu kommentieren. (Pause) Ich habe 20 Jahre durchgehalten und immer noch Freude …

zentralplus: … also schon mit Hartnäckigkeit?

Burki: Ja, und mit Begeisterung! Den Rest müssen andere beurteilen.

«Es braucht gerade im Spoken Word nicht noch einen Verleger, der sich inszeniert.»

zentralplus: «Sich selbst stellt er dabei stets in den Hintergrund», heisst es weiter. Wieso meiden Sie die Aufmerksamkeit?

Burki: Das liegt mir einfach nicht, schon seit ewig. Es ist ein lustiges Paradox, dass ich einen Spoken-Word-Verlag habe, bei dem alle auf die Bühne stürmen. Ich stürme am liebsten weg von der Bühne. Aber das ist gut so, die Autoren müssen im Zentrum sein. Es braucht gerade im Spoken Word nicht noch einen Verleger, der sich inszeniert.

zentralplus: Nun stehen Sie aber am Samstag im Mittelpunkt, wenn Sie den Preis erhalten. Haben Sie Ihre Rede schon vorbereitet – oder lassen Sie jemanden performen?

Burki: (lacht) Nein, ich muss und will natürlich etwas sagen. Ich habe ein paar Ideen und bin dran …

zentralplus: Haben Sie sich an solche Auftritte gewöhnt?

Burki: Je weniger ich auf die Bühne muss, desto besser. Aber ich will da auch Danke sagen, der Stiftung und allen Leuten, die dazu beigetragen haben. Natürlich stecke ich dahinter, aber das ist das Spezifische an der Spoken-Word-Szene: So viel passiert zusammen, so viele Autoren ergreifen Initiativen und viele Leute helfen gratis mit. Ich bin quasi die Schaltzentrale.

Matthias Burki vor zwei Jahren am Woerdz-Festival im Südpol.

Matthias Burki vor zwei Jahren am Woerdz-Festival im Südpol.

(Bild: zvg/Franca Pedrazzetti)

zentralplus: Neben der Anerkennung ist der Preis mit sehr viel Geld verbunden. Aber Ihre Fronarbeit lässt sich dadurch wohl nicht decken über die letzten 20 Jahre?

Burki: (lacht) Nein, wahrscheinlich nicht. Ich hatte ja meinen Job beim «Kulturmagazin», und die ersten zehn Jahre für den Verlag waren quasi gratis. Das waren – vom Lektorat bis zur Grafik – unzählige Stunden, nicht nur von mir. Das wiegt es natürlich nicht auf, aber der Preis ist eine extreme Hilfe.

zentralplus: Wofür brauchen Sie das Preisgeld? Legen Sie ein Polster für schlechtere Zeiten an?

Burki: Gutschweizerisch: investieren, aber auch sparen. Es gibt ein paar Infrastruktursachen, die wir schon lange machen sollten, etwa die Webseite erneuern. Aber es soll sicher auch Projekte ermöglichen, die sonst nicht möglich wären – etwa eine spezielle Lesetour, eine aufwendigere Recherche oder Archivarbeit. Mit dem Preis können wir auch mal ein Buch veröffentlichen, das keinen Platz mehr hätte im Programm, es gibt so viele Spoken-Word-Manuskripte.

zentralplus: Im Gegensatz zum Anfang leben Sie heute von Ihrem Verlag. Geht es bergauf?

Burki: Erfolge wie «Der Goalie bin ig» von Pedro Lenz haben wahnsinnig geholfen, auch «Simeliberg» von Michael Fehr. Ein Verlag ist stark abhängig von solchen Titeln, die ausschlagen. Aber man kann das nicht planen. Insgesamt bin ich sehr zufrieden, auch wenn es finanziell immer knapp ist. Die durchschnittliche Zahl der verkauften Bücher ist gestiegen und wir konnten die Stellenprozente leicht erhöhen. Für das Verlagsgeschäft ist das erstaunlich, sonst wird eher abgebaut.

zentralplus: Braucht es Ausreisser, um medial besser wahrgenommen zu werden?

Burki: Ja, die meisten unserer Titel sind mit Lyrikbänden vergleichbar. Und nicht mit Romanen, die am besten verkauft werden. Ich sehe unseren Verlag als Behauptung, dass es funktionieren kann – und dass diese Literaturformen auch wichtig sind.

Trailer des «Woerdz»:

zentralplus: Sie veröffentlichen auch CDs – etwa Hörbücher oder Musik von King Pepe oder aktuell ein neues Album von Michael Fehr und Manuel Troller. Verkaufen Sie noch physische Tonträger?

Burki: Der Absatz ist extrem eingebrochen, ich mache heute viel weniger CDs als vor ein paar Jahren. Die Absatzzahlen der Hörbücher gehen im Buchhandel von Jahr zu Jahr zweistellig zurück. Das ist wahnsinnig, und der Download hebt das überhaupt nicht auf. Und an den Streamings verdient man überhaupt nichts. Das ist ein Riesenproblem und sehr schade um den grossen Aufwand.

zentralplus: Was wäre die Lösung?

Burki: Das überlege ich mir die ganze Zeit … ob Vinyl oder schön gestaltete Bücher mit Download-Codes? Das werden wir vielleicht nächstes Jahr ausprobieren. Ehrlich gesagt, bin ich etwas ratlos.

zentralplus: Sie haben mal über Ihre Anfänge als Verleger gesagt: «Es ist einfach passiert.» Tönt nicht gerade nach einem Businessplan?

Burki: Nein, es ging komplett ohne. Aber wenn ich mich in der Branche erkundigt hätte, hätten mir alle abgeraten. Spoken Word stand noch ganz am Anfang, viele Autoren waren unbekannt … Aber der Enthusiasmus, gepaart mit Unwissen über das Geschäft, war letztlich unser Erfolgsmodell. Wir mussten alles zuerst lernen, aber das war im Nachhinein besser, als von Anfang davon leben zu wollen.

zentralplus: Wäre das heute noch möglich?

Burki: Es wäre schwieriger, aber man weiss ja nie, was noch kommt! Wo ich eine Lücke sehe – und damit rede ich mir quasi eine Konkurrenz herbei: ein Verlag, der sich auf die Poetry-Slam-Szene und vielleicht auch auf Kabarett und Comedy konzentriert. Das ist populär und es gibt bekannte und interessante Künstlerinnen und Künstler. Das kann ich nicht alles abdecken.

«Es gibt Bücher, die medial fast komplett verschwinden, das tut extrem weh.»

zentralplus: Haben Sie nie daran gedacht, in eine grössere Stadt zu ziehen? Näher an die Szene?

Burki: Ich finde Luzern ein gutes Pflaster. Klar wäre das Umfeld des Literaturbetriebs in Zürich grösser, es gibt auch mehr Medien. Aber für die Spoken-Word-Szene ist Luzern sehr wichtig und man erfährt hier viel Unterstützung der öffentlichen Hand, von Stiftungen und von Leuten, die mithelfen.

zentralplus: Sie haben sich vor zehn Jahren vom Kulturjournalismus verabschiedet. Leiden Sie unter der abnehmenden Kulturberichterstattung?

Burki: Ja, es gibt Bücher, die medial fast komplett verschwinden, das tut extrem weh. Aber insgesamt kommen wir recht gut weg, verglichen mit anderen Verlagen haben wir Glück.

zentralplus: Soll ich Ihre Bücher eigentlich gemütlich zu Hause lesen? Oder die Literatur besser auf der Bühne erleben, wie jetzt am Woerdz?

Burki: Beides natürlich! Klar, je stärker Texte auf Pointen und Performance geschrieben wurden, desto schwieriger funktionieren sie als Buch. Aber oft geht beides. Der Text erhält eine ganz andere Qualität, wenn man ihn unabhängig von der Stimme liest, die ihn vorträgt. Man hat mehr Zeit, aber liest trotzdem die Mündlichkeit der Sprache mit.

zentralplus: Letztlich sind Ihre Bücher schriftlich festgehaltene Mündlichkeit.

Burki: Ja, und das ist kein Gegensatz. Die «Edition Spoken Script» ist so entstanden: Gäste haben nach Lesungen von Guy Krneta, Beat Sterchi oder Pedro Lenz gefragt, ob man die Texte nachlesen kann. Auch von den Autoren kam der Wunsch, dass ihre Texte festgehalten und weniger flüchtig sind.

Festival und Preis

Matthias Burki (45) hat den Luzerner Verlag «Der gesunde Menschenversand» zusammen mit Yves Thomi gegründet (bis 2007 dabei). Für «seine grossen und nachhaltig wirkenden Verdienste im Bereich Literatur- und Sprachvermittlung» erhält Burki nun den mit 100’000 Franken dotierten Preis der Landis-und-Gyr-Stiftung.

Der Verlag feiert dieses Jahr sein 20-jähriges Bestehen. Neben dem Grosserfolg «Der Goalie bin ig» von Pedro Lenz, der bereits in zehn Sprachen übersetzt wurde, veröffentlichte Burki die bekanntesten Namen aus der Szene wie Hazel Brugger, Nora Gomringer, Gabriel Vetter, Michael Fehr, Lara Stoll oder Matto Kämpf.

Gewürdigt wird auch Burkis Engagement als Veranstalter, etwa als Mitinitiant des Spoken-Word-Festivals «Woerdz». Das Stelldichein der bekanntesten Köpfe geht vom 17. bis 21. Oktober im Südpol und Neubad über die Bühne. Die Preisverleihung findet am 20. Oktober im Südpol statt.

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