Zuger Sinfonietta mit Violonistin Esther Hoppe

Beethoven zum Dahinschmelzen

Beethoven ganz lyrisch: Die Zuger Violonistin Esther Hoppe mit der Zuger Sinfonietta.

(Bild: Zuger Sinfonietta / Priska Ketterer)

Im 20. Jubiläumsjahr hat sich die Zuger Sinfonietta vorgenommen, ihr Publikum auf besondere Weise zu verwöhnen – mit Zuger Solisten der Extraklasse. Beim Auftaktkonzert ist dies bereits glänzend gelungen – mit der Violinistin Esther Hoppe, die Beethoven virtuos interpretierte. Aber: War das auch glamourös?

Schon der Auftritt von Esther Hoppe sorgte unter den mehr als 500 Besuchern für ein leises Raunen im fast voll besetzten Chamer Lorzensaal.

Die 40-jährige Violinistin, die in Zug geboren wurde, bezauberte die Anwesenden mit einem schulterfreien, türkisfarbenen langen Kleid. Und die grosse Schleife auf ihrer Robe schien dabei schon fast zu symbolisieren, dass dieser Abend für das Publikum zu einem grossen musikalischen Geschenk werden würde.

Romantisch wogende Tonlandschaften

Denn als die Zuger Violinistin nach knapp drei Minuten symphonischen Vorspiels in Beethovens Violinkonzert D-Dur, opus 61, ihre Geige ans Kinn ansetzte, sponn sie sofort gekonnt die lyrischen Melodien des Orchesters mit ihren fein ziselierten Streicherklängen fort. Romantisch wogten die Tonlandschaften Beethovens bukolisch im Wechselspiel zwischen Ensemble und Solistin hin und her.

Esther Hoppe verstand es – in ähnlich ruhigem Allegro ma non troppo übrigens, wie Anne-Sophie Mutter dieses Violinkonzert schon aufgeführt hat – ihre Solopassagen mit dem Bogen so fein und so zart zu streichen, ihre Triller so weich zu drehen, dass die Töne in einen fast metaphysischen, tonlosen Zustand entrückt wurden. Göttlich!

Mit leidenschaftlichem Bogenschwung

Die gebürtige Zugerin, die seit 2013 eine Professur am Mozarteum in Salzburg innehat, wirkte bei ihrem Spiel technisch sehr souverän.

Mit ihrer athletisch-drahtigen Positur verlieh sie der dramatischen Klangwelt Beethovens auch eine körperliche Note – nicht zuletzt, wenn sie nach einer virtuosen Kadenz ihren Geigenbogen mit einer leidenschaftlichen Bewegung über den Kopf ausschwang. Man fühlte sich dabei irgendwie an Rafael Nadals feuriges Topspin-Spiel erinnert.

Chefdirigent Daniel Huppert mit der Zuger Sinfonietta beim Konzert im Lorzensaal in Cham.

Chefdirigent Daniel Huppert mit der Zuger Sinfonietta beim Konzert im Lorzensaal in Cham.

(Bild: Zuger Sinfonietta / Priska Ketterer)

Doch zurück zu Beethoven und seinem einzigen und vor allem im ersten Satz sehr wuchtig daherkommenden Violinkonzert: Die Rezeption des Werks, das 1806 uraufgeführt wurde, verlief ja sehr harzig. War die Premiere noch ein kleiner Erfolg, so wurde das Konzert in den folgenden Jahrzehnten kaum aufgeführt.

Die innere Zerrissenheit in Beethovens Violinkonzert

Grund: Das Werk war für die meisten Geiger zu schwer bei gleichzeitig zu geringem Glanz. Erst viele Jahre nach Beethovens Tod kam es ja zu einem Durchbruch, und das Opus zählt heute zu den wichtigsten Werken der Konzertliteratur für Violine. 

Und doch war dieser werkimmanente Zwiespalt zwischen Geigenvirtuosität einerseits und mangelndem Glanz andererseits auch beim Auftritt von Esther Hoppe zu spüren.

Aufgrund der teils langen, rein orchestral-symphonischen Phasen und den reinen Violin-Solopassagen wirkt die zweite Hälfte des ersten Satzes des Konzerts irgendwie zerrissen – als ob zwei Partner letztlich nicht miteinander, sondern eher neben- oder nacheinander spielten.

Innigstes musikalisches Verständnis: Chefdirigent Daniel Huppert und Violonistin Esther Hoppe.

Innigstes musikalisches Verständnis: Chefdirigent Daniel Huppert und Violonistin Esther Hoppe.

(Bild: Zuger Sinfonietta / Priska Ketterer)

Man merkt auch, dass Beethoven im Grunde seines Herzens ein brachialer Symphoniker ist. Er braucht eben letztlich alle Klangregister, um seine starken, abrupten Gefühlswallungen musikalisch auszuleben. Dabei droht er aber gleichzeitig, fein ziselierte Solopassagen in ihrer Wirkung zu erdrücken. 

Plätscherndes Larghetto

Im zweiten Satz, einem plätschernden Larghetto, gewährt Beethoven zwar der Violine wieder orchestrale Lufthoheit. Doch erst im gefälligen Rondo im dritten Satz wird man so richtig warm mit dem Konzert als Konzert.

Als der Schlussakord in Beethovenscher Mächtigkeit dann im Saal explodierte, brandete anhaltender Applaus auf. Das Publikum im Lorzensaal war am Ende total begeistert vom Auftritt der virtuosen Zuger Lokalmatadorin. Als Zugabe spielte diese dann noch ein Stück von Tschajkowsky – in dessen lyrischen Passagen ihre Violinkunst noch empathischer als bei Beethoven brillierte.

Beethoven pur schon bei «Coriolan»-Ouvertüre

Wobei die Zuhörer der Zuger Sinfonietta schon vor der Pause voll auf ihre Kosten kamen. Denn mit der Ouvertüre zum Trauerspiel «Coriolan» in c-Moll, op.62, bekamen sie schon einen Klassiker von Ludwig van Beethoven zu hören – der unterstrich, wie zerrissen, aber auch gleichzeitig modern und mutig Beethoven zu komponieren verstand.

Schöne Konzertatmosphäre im Chamer Lorzensaal mit der Zuger Sinfonietta.

Schöne Konzertatmosphäre im Chamer Lorzensaal mit der Zuger Sinfonietta.

(Bild: Zuger Sinfonietta / Priska Ketterer)

Gemeint sind die manischen Unterbrüche und Wiederholungen von Leitmotiven des deutschen Komponisten, die in ihrer Dramatik und Dynamik ihresgleichen suchen. Chefdirigent Daniel Huppert zeigte dabei sein Talent, das Orchester immer wieder auf die kleinsten Klangnuancen hin zu trimmen.

Auf der Suche nach der Harmonie des Seins

Für einen lyrischen Farbtupfer der anderen Art sorgte die in neun Bildern komponierte «Love-Story»-Suite «Pelleas und Melisande« von Jean Sibelius. Der einfühlsame Finne, dessen Werk zwischen Spätromantik und Moderne oszilliert, begeistert immer wieder von Neuem durch seine experimentellen Klänge und seiner Suche nach der Harmonie des Seins.

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