Der neue Südpol-Präsident sagt, wie's weitergeht

Marc Schwegler: «Luzern diskutiert teilweise aussergewöhnlich selbstbezogen»

Marc Schwegler im Büro des Magazins «Zweikommasieben», wo er als Redaktor arbeitet.

(Bild: pze)

Seit zwei Wochen hat der Luzerner Südpol einen neuen Vorstand. Präsident Marc Schwegler führt aus, wie er sich die Zukunft des Hauses vorstellt. Dabei wird er bezüglich der Einbindung der Szene konkret. 

zentralplus: Marc Schwegler, Sie sind seit zwei Wochen Präsident des Südpol-Vorstands. Wie sind Ihre Eindrücke bisher?

Marc Schwegler:  Sie sind sehr gut. Wir haben in der kurzen Frist geschafft, einen Vorstand zu präsentieren, der – Jede und Jeder auf seine Art – mit der Luzerner Kulturszene verbandelt ist. Bis jetzt ist unsere Zusammenarbeit sehr produktiv und alle sind motiviert. Es kommen jedoch noch grosse Aufgaben auf uns zu.

zentralplus: Welche wären das?

Schwegler: Wir sind an der Entwicklung des Betriebskonzepts, auf dieser Grundlage folgen die Verhandlungen mit der Stadt als Partner. Gleichzeitig gilt es, die operative Tätigkeit im Betrieb bis zum Ende des Jahres sicherzustellen.

zentralplus: Der betriebliche Leiter Dominique Münch und die musikalische Programmatorin Nadine Rumpf haben beide per Ende Jahr gekündigt. Werden es intensive Monate?

Schwegler: Dominique Münch führt den Betrieb bis Ende Jahr. Ich hatte mehrere sehr gute Gespräche mit ihm und bin überzeugt, dass sich die Zusammenarbeit mit ihm transparent, unkompliziert und speditiv gestalten wird. Mit dem neuen Konzept wird dann die Grundlage für eine Ausschreibung der Leitung gelegt.

«Wir möchten im Rahmen von Workshops das Betriebskonzept erarbeiten.»

zentralplus: Der Südpol hatte im letzten Jahr mit sinkenden Besucherzahlen zu kämpfen. Soll sich das ändern, jetzt, wo die Szene im Vorstand sitzt?

Schwegler: Das wäre schön – aber ich will unsere eigene Rolle nicht überbewerten. Man wird sich vielleicht darüber hinaus die Frage stellen müssen: Inwiefern kann und soll das Haus auch einen Mainstream aushalten und bedienen können?

zentralplus: Aber gerade die Konzertbesucher sind pro Show um durchschnittlich 15 Besucher zurückgegangen. Im Vorjahr war der Südpol ja nicht mehr Mainstream als heute.

Schwegler: Nein, war er nicht. Aber im Musikmarkt gibt es gerade fundamentale Verschiebungen. Die führen unter anderem dazu, dass sich eine noch stärkere Polarisierung von einem sehr kommerziellen Markt einerseits und einem sehr Nischen-orientierten Markt andererseits abzeichnet. Der Südpol wird sich diesbezüglich positionieren müssen – da sehe ich durchaus Potenzial.

Der neue Vorstand des Südpol: Marc Schwegler, Nina Laky, Selina Beghetto, Samuel Konrad, Thomas Duss und Patrick Zumbühl (v. l.).

Der neue Vorstand des Südpol: Marc Schwegler, Nina Laky, Selina Beghetto, Samuel Konrad, Thomas Duss und Patrick Zumbühl (v. l.).

(Bild: jav)

zentralplus: Wo liegt denn dieses Potenzial? Man kann ja die Krise nicht einfach hinnehmen und als solche akzeptieren, man muss ja Lösungen suchen.

Schwegler: Absolut. Wir müssen uns fragen: Was könnte – angesichts der Veränderungen in der Musiklandschaft – eine interessante Marktlücke im Kontext von Luzern, der Zentralschweiz und der Schweiz sein? Vielleicht muss sich das Haus öffnen; vielleicht sucht man sich starke Partnerinnen und Partner. Fakt ist, der Konzertbetrieb verursacht gewisse Kosten – und die muss man bei den nun anstehenden Diskussionen über das Programm im Auge behalten.

zentralplus: Das Gesamtkonzept wird Ende Oktober präsentiert. Gibt es bestimmte Stossrichtungen, auf die man sich im Vorstand bereits verständigt hat?

Schwegler: Nicht inhaltlicher Natur, aber in Bezug auf den Prozess für die Entwicklung. Wir möchten im Rahmen von Workshops das Betriebskonzept erarbeiten.

zentralplus: Was heisst das konkret?

Schwegler: Wir werden Expertinnen und Experten einladen, die freie Szene und weitere Anspruchsgruppen, die Kenntnisse vom Haus und der Luzerner Kulturszene haben und die durchaus auch kritisch sein dürfen. Daneben wird es offene Plätze geben, damit sich auch interessierte Vereinsmitglieder an den Diskussionen beteiligen können.

zentralplus: Das Betriebskonzept entsteht also in diesen Workshops?

Schwegler: Wir werden versuchen, möglichst präzise und klare Rahmenbedingungen für die Diskussion zu setzen. Wir möchten herausarbeiten, welche Lösungen zukunftsfähig sind, inwiefern diese den Bedürfnissen der Szene entsprechen und inwiefern sie der Betrieb umsetzen kann. Auf Basis dieser Erkenntnisse wird dann das Konzept ausgearbeitet. So können wir an der Mitgliederversammlung Ende Oktober einen breit abgestützten Entwurf präsentieren.

«Es war nicht ideal, den Südpol als Boa-Ersatz zu handeln.»

zentralplus: Der Vorstand holt sich externe Berater – können zu viele Meinungen nicht den Prozess behindern? Die berühmten Köche, die zu viel sind …

Schwegler: Ich habe Mühe damit, wenn partizipative Verfahren nicht sehr genauen Rahmenbedingungen folgen und nicht möglichst transparent funktionieren. Der Prozess soll keine Alibi-Übung sein, die nichts bringt. Mir geht es letztlich um das Wissen, das bei allen Beteiligten vorhanden ist.

zentralplus: Apropos Wissen: Im Vorstand hat es jetzt zwar sechs Leute, die in der Kulturszene verankert sind. Doch gibt es beispielsweise keinen einzigen Juristen. Ist das ein Problem?

Schwegler: Wir haben verschiedene Gespräche geführt mit Spezialisten. Wir hätten gerne einen Pool von Fachleuten, auf den wir schnell zugreifen können – eventuell auch in einem festen Gefäss. Ich kann mir auch vorstellen, dass wir den Vorstand noch erweitern, die sechs Mitglieder sind nicht in Stein gemeisselt.

zentralplus: Wird die Leitung des Hauses ab jetzt tatsächlich basisdemokratisch von den Vereinsmitgliedern gewählt?

Schwegler: Das haben wir nie gesagt. Der Begriff der Basisdemokratie fiel in einem Kommentar an der Mitgliederversammlung.

zentralplus: In der Luzerner Kulturszene herrscht eine Art «Boa-Nostalgie». Der Südpol hatte von Beginn weg einen schweren Stand, galt immer als «Boa-Ersatz». Muss der neue Vorstand einen Weg finden, dieses Bild des Südpols zu verändern?

Schwegler: Die Boa war wichtig für Luzern und hat auch Leute geprägt, die nun in der Luzerner Kulturpolitik und der Verwaltung tätig sind. Auch ich habe in der Boa veranstaltet. Ich denke jedoch, dass es nicht ideal war, den Südpol als Boa-Ersatz zu handeln.

Die ausserordentliche Mitgliederversammlung im Südpol gab viel zu Reden.

Die Mitglieder des Südpol-Vereins sollen stärker miteingebunden werden.

(Bild: jwy)

zentralplus: Wäre der jetzige Umbruch nicht die Chance, dem Südpol künftig eine eigene Identität zu verleihen?

Schwegler: Ich finde es nicht interessant, Institutionen wie den Südpol identitär zu denken – im Sinne von «so sind wir, so sind die anderen». Viel interessanter ist es, Organisationen relational zu verstehen. Also: Welche Haltung nehmen wir bei gewissen Fragen ein? Oder wie positionieren wir uns hinsichtlich gewisser Anspruchsgruppen?

zentralplus: Die Positionierung des «alten» Südpols zur hiesigen Szene wurde gerade in der freien Theaterszene kritisiert. Gewisse Exponenten erhoffen sich, durch die Neustrukturierung im Südpol vermehrt eine Auftrittsmöglichkeit zu finden. Wird man künftig darauf eingehen?

Schwegler: Die Einbindung der lokalen Tanz- und Theaterszene war auch in den vergangenen Jahren unbestrittener Auftrag des Hauses, dem auch Folge geleistet wurde. Dieser Auftrag gilt weiterhin. Die Frage wird eher sein, wer über die Auswahl entscheidet und was für diese Entscheide die Grundlage bildet.

«Ich stelle fest, dass Luzern teilweise aussergewöhnlich selbstbezogen diskutiert.»

zentralplus: Also wird das Haus weiterhin kuratiert bleiben?

Schwegler: Es wird sicher auch künftig eine Auswahl getroffen. Der Südpol kann nicht jeden Tag 24 Stunden Aufführungen durchführen. Aber eben: Wer in welcher Funktion diese Auswahl trifft, und auf welchen Kriterien die Auswahl beruht, ist im Betriebskonzept zu definieren.

zentralplus: Aber der Südpol wird kein lokales Aufführungshaus der freien Szene.

Schwegler: Der Südpol hat viele lokale und regionale Projekte mitproduziert und aufgeführt – und tut dies übrigens auch in der kommenden Saison. Das belegt das Programm. Er hat jedoch darüber hinaus auch das Potential, mehr zu sein als ein reines Aufführungshaus. Er kann eine Schnittstelle bilden zum nationalen oder gar internationalen Kultur- und Kunstschaffen.

zentralplus: Der Vorstand besteht nun aus Luzerner Kulturschaffenden. Ist das für die operative Ebene eine Vorgabe, lokal verankert zu sein?

«Wer ein ‹waschechter› Luzerner ist, wird teilweise ja auch entlang des eigenen Freundeskreises definiert.»

Schwegler: Ich stelle fest, dass Luzern teilweise aussergewöhnlich selbstbezogen diskutiert. In Basel habe ich das anders erlebt (Marc Schwegler arbeitete am Haus der elektronischen Künste (HeK) in Basel, Anm. d. Red.). Die Qualifikationen für eine neue Leitung – unabhängig davon, woher die entsprechenden Leute kommen – müssen doch primär sein: Know-how, bestehende Netzwerke, eine spannende Vision und kulturpolitisches Geschick.

zentralplus: Die Luzerner Szene gilt als kritisch gegenüber Leuten von aussen …

Schwegler: Das «Aussen» ist schnell konstruiert … Wer ein «waschechter» Luzerner ist, wird teilweise ja auch entlang des eigenen Freundeskreises definiert.

zentralplus: Sie haben in der Anfangszeit des Südpols bereits im Haus gearbeitet. Hilft diese Erfahrung, wenn man auf die strategische Seite wechselt?

Schwegler: Das ist lange her und der Südpol hat sich stark gewandelt seither. Gewisse Probleme habe ich wiedererkannt. Beispielsweise war die Arbeit zwischen Verein und Betrieb immer wieder von Konflikten geprägt. Also stelle ich mir schon die Frage: Gibt es ein besseres Modell für diese Zusammenarbeit?

zentralplus: Wird also radikal umgekrempelt?

Schwegler: Man darf nicht vergessen, wir als Vorstand kommen in ein Haus, in dem es viele bestehende Geflechte gibt. Die Vorstellung, dass jetzt «Tabula rasa» gemacht wird, wäre nicht nur vermessen, sondern auch kulturpolitisch unsinnig. Wir müssen dort Veränderungen anbringen, wo es sinnvoll ist.

zentralplus: Am Wochenende feiert der Südpol die Eröffnung der Jubiläumssaison. Was bringt die neue Spielzeit?

Schwegler: Es wird sicher ein Umbruch stattfinden. Wir müssen viele neue Stellen besetzen, können aber weiterhin auf fähige Leute zählen, die sich im Haus und um es herum für den Südpol engagieren – nicht zuletzt im Vorstand und im Verein. Das stimmt mich sehr optimistisch für alles, was kommt.

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