Putzen, Stühle schleppen: Macher im Hintergrund

Die Köpfe hinter den Kulissen der Kulturstadt Luzern

Daniel Scherer weiss, wer wo sitzen muss.

(Bild: jav)

Auch in Kulturhäusern braucht es ganz viele Mitarbeiter, die abends nicht in tosendem Applaus stehen. Es braucht Techniker, Service-Angestellte, Buchhalter und Reinungs-Personal. Wir wollten wissen, wer sich in Luzern um die Arbeit jenseits des Rampenlichts kümmert.

Das Konzertticket wechselt von einer Hand in die andere, wird eingerissen, der Platz zugewiesen. Wir treten in den blitzblanken Konzertsaal, geniessen die verpflegten und bezahlten Künstler auf der mühsam aufgebauten Bühne. Dass alles reibungslos abläuft, dafür sind viel mehr Hände und Köpfe gefragt, als nur die, die im Programmheft stehen und nach der Aufführung oder der Vernissage beklatscht werden.

Wir haben in fünf grossen Luzerner Kulturbetrieben hinter die Kulissen geblickt und gefragt: Wer wirkt hier eigentlich?

Ruth Mühle hat den Überblick über alle Codes und Schlüssel.

Ruth Mühle hat den Überblick über alle Codes und Schlüssel.

(Bild: jav)

Im Kunstmuseum Luzern – die Hüterin der Schlüssel

In der Hand hält sie eine ganze Reihe von Schlüsseln und Karten mit Codes. Jeder Fingernagel ist in einer anderen Farbe lackiert. Die 63-jährige Ruth Mühle kennt im KKL und vor allem im Kunstmuseum jeden Winkel. Sie macht die Kasse, springt als Aufsicht ein und organisiert die jährlichen Sicherheitskurse im Museum. Sie weiss genau, welcher Schalter einem immer einen kleinen elektrischen Schlag verabreicht und auch, aus welchem Kunstobjekt die Fliege kam, die mitten in der Nacht einen Alarm ausgelöst hat. Bei jeder Ausstellung werde das ganze Team vom Kurator in die Ausstellung eingeführt. «Aber ich sehe sie mir immer mehrfach an.»

Im kommenden Oktober jedoch wird die ehemalige Sekretärin pensioniert. Die Krienserin und Mutter zweier erwachsener Kinder ist erst fünf Jahre im Kunstmuseum angestellt. Doch es wirkt, als hätte sie nie etwas anderes getan. Besonders dann, wenn man sie bei einer neuen Ausstellung im passenden Outfit antrifft. «So lebe ich meine Kreativität aus», lacht die 63-Jährige und erzählt von der ausgefallenen Bluse mit Tiermotiven, die sie für die aktuelle Sammlungspräsentation «Karneval der Tiere» zur Seite gelegt hat.

Die Kunst und die Musik hätten sie schon immer begleitet, erklärt die Weltenbummlerin. Doch gearbeitet hat sie vorher immer bei internationalen Firmen. Ein Vorteil für die Touristen aus aller Welt, die das Kunstmuseum besuchen. «Und für mich. So rosten meine Sprachkenntnisse nicht ein», so Mühle.

Remco Frijns waltet im Dunkeln. Wenn die Schweinwerfer auf andere gerichtet sind.

(Bild: zvg)

Im Südpol Kriens – die Hand an den Knöpfen

Er war Zeitungsjunge, Abwaschhilfe, Büromitarbeiter und hat als Lehrer gearbeitet, bevor er vor 17 Jahren seinen Weg als Tontechniker und manchmal auch als Tourmanager fand. Seit zwei Jahren arbeitet Remco Frijns nun im Südpol Luzern. Er hat die Musik, seine Leidenschaft, zum Beruf gemacht. Sein technisches Faible kündigte sich schon in jungen Jahren an: Als Kind fing er an, Radioprogramme auf Kassetten aufzunehmen, bastelte mit einem alten Mikrofon und einer Kartonkiste eine eigene Radiostation. «Ich bin begeistert von den Apparaturen, analogen Synthesizern, alten Empfängern, Röhrenverstärkern, Mikrofonen. Die sehen manchmal aus wie aus einer anderen Welt. Das ist oft schon Kunst in sich.»

Der 42-Jährige ist in einem Dorf namens Epe in den Niederlanden aufgewachsen. Er fühlt sich wohl im multikulturellen und vielsprachigen Team des Südpol, wo es nicht selten zu amüsanten Sprachverwirrungen und Missverständnissen komme. Die Abwechslung im Job und die Konzerte, man lerne nie aus.

Doch auch der Traum-Job hat seine mauen Seiten. «60 Bühnenelemente, 250 Stühle aufbauen, das ist nicht mein Favorit», sagt Frijns. Steht er nicht hinter dem Mischpult, trifft man den Tontechniker in den Bergen, im Garten oder vor dem Backofen. «Ich glaube, es gibt kaum Leute, die Brot lieber haben als ich. Würde ich taub werden, würde ich Brotbäcker werden», sagt Frijns. Und in Luzern versucht sich der 42-Jährige, der früher Gitarre spielte, neuerdings als Geiger. «Die Jungs von Ophelias Iron Vest waren so mutig, mir eine Chance in ihrer Bluegrassband zu geben», sagt Frijns grinsend.

Alexandra Kneubühler kümmert sich um die Finanzen des Theaters.

Alexandra Kneubühler kümmert sich um die Finanzen des Theaters.

(Bild: jav)

Im Luzerner Theater – der Kopf hinter den Zahlen

«Buchhaltung ist eine eher trockene Materie. Aber im Theater fühlt sich das nichts so an.» Alexandra Kneubühler arbeitet seit fast fünf Jahren beim Luzerner Theater – als Finanzbuchhalterin. Die sportliche 48-Jährige kümmert sich in einem 80-Prozent-Pensum um alle Rechnungen des Hauses.

So kommt es auch, dass ganz wunderliche Belege über ihren Tisch wandern. Eine Zollrechnung für Leichen zum Beispiel war ihr dann doch eine Nachfrage wert. Es handelte sich um die Puppen, welche auf der Bühne die Toten in «Sweeney Todd» gaben.

Durch die engen Platzverhältnisse im Theaterbau an der Reuss arbeitet die Finanzbuchhalterin mitten im künstlerischen Trubel. So darf sie beim Rechnen den Opernsängern beim Einsingen zuhören und kriegt auch mal fast ein erhobenes Bein eines Tänzers ab, wenn sie sich während dessen Aufwärmphase aus dem Büro bewegt. «Es wird hier definitiv nie langweilig», sagt Kneubühler und lacht. Den Austausch mit den Künstlern schätze sie sehr. «Ich versuche auch, sämtliche Produktionen des Luzerner Theaters zu besuchen. Was mir fast immer gelingt», so Kneubühler, die vorher bei Schindler in der Buchhaltung arbeitete und zum Theater eine eher flüchtige Beziehung führte.

Daniel Scherer weiss, wer wo sitzen muss.

Daniel Scherer weiss, wer wo sitzen muss.

(Bild: jav)

Im KKL – der Mann zwischen den Stühlen

Daniel Scherer ist im KKL vielseitig einsetzbar. Der 28-jährige Jura-Student arbeitet seit sieben Jahren, als er die Berufsmatura absolvierte, in der Gastronomie und als Saalmitarbeiter im internationalen Konzerthaus. Dabei kommt er mindestens zweimal wöchentlich dazu, sich klassische Konzerte anzuhören. «Und dafür bezahlt zu werden.» Er kontrolliert die Tickets und muss während des Konzerts die Augen offen halten, falls etwas Unvorhergesehenes passieren sollte.

Der gelernte Restaurationsfachmann hat selbst nie ein Instrument gelernt, nie selbst Musik gemacht. Doch die klassischen Komponisten heben es ihm angetan. Das KKL ist damit der perfekte Arbeitsort. «Wir dürfen wünschen, bei welchen Konzerten wir gerne arbeiten möchten.» Doch auch in seiner Freizeit besucht Scherer die Konzerte, um sich voll und ganz auf die Bühne konzentrieren zu können.

Das Beste an seiner Arbeit seien die vielen so unterschiedlichen Menschen vor und hinter den Kulissen, die er kennenlerne. Doch genau dieser Punkt biete auch oft Reibungsflächen. Denn hier verkehren sowohl die grossen Diven als auch die wichtigen Herren.

Giuliana Caccetta kennt die Macken der Museums-Türen.

Giuliana Caccetta kennt die Macken der Museums-Türen.

(Bild: jav)

In der Sammlung Rosengart – die Frau am Flaumer

Malerei habe sie früher nicht im Geringsten interessiert. «Ich hatte keinen Bezug zu Kunst, habe auch nie Museen besucht», sagt Giuliana Caccetta. Die Allrounderin ist seit zehn Jahren in der Sammlung Rosengart angestellt und wird von ihren Mitarbeitern liebevoll «Gigi» oder gar «Mama» genannt. Sie ist für die Reinigung des Museums zuständig und seit einer Weile auch in der Aufsicht. Heute trifft man die gelernte Coiffeuse immer öfters in diversen Ausstellungen in der Region und auch im Urlaub werden die Kunstmuseen besucht. Das hätte sie nie gedacht. «Ich lese viel über die Künstler, schaue genauer hin», so die 53-Jährige, der es besonders Picassos frühere Werke angetan haben.

Zu Beginn habe sie sich beim Flaumern jedes einzelne Bild ganz genau angeschaut. «Je nach Licht, wenn das Museum geschlossen ist, wirken die Bilder und die Räume ganz anders.» Sie geniesse es, Besuchern mittlerweile kleine Fragen beantworten zu können. «Bei jeder Führung, die ich höre, lerne ich mehr dazu.» Das aktuelle Projekt der leidenschaftlichen Köchin ist nun, Englisch zu lernen, um auch den Touristen ihr Wissen weitergeben zu können.

Der Dank und die Begeisterung der Leute seien die grösste Motivation. Wenn sie jedoch selbst nach mehrfachen Hinweisen nicht aufhören würden, «heimlich» zu fotografieren, könne sie sich durchaus auch mal über Besucher ärgern.

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