Ex-Footballer singt im vollen KKL

Gregory Porters seelenvolle Suche nach Vaterliebe

Seine Finger tanzen fröhlich mit, wenn Gregory Porter hingebungsvoll singt.

(Bild: Marco Masiello)

Gut, hat sich der angehende Football-Profi früh in seiner Karriere verletzt. Heute geniesst Gregory Porter seine Grösse als jazziger Soulman. Im KKL begeisterte das 100-Kilo-Schwergewicht mit seinem wohlig-warmen Bariton und einem emotionalen Song-Potpourri. Der Kalifornier sang von seinem Daddy und Ersatzvätern – und vor allem von der Liebe.

Mehr als 1,90 Meter misst der vollbärtige Gregory Porter, er hat ein Kreuz wie ein Schwinger und seinen Kopf umrahmt eine schwarze Sturmhaube, die zusätzlich von einer Schiebermütze bedeckt und um den Hals von einem Schal ergänzt wird. Furchteinflössend? Nicht unbedingt, denn unter seiner dunklen Mütze blinzeln Porters kleine Knopfaugen listig hervor, seine Stimme misst locker ein paar Oktaven aus und seine Finger tanzen fröhlich mit, wenn er hingebungsvoll soult.

Dieser singende Riese, neben dem sein ziseliert spielender Saxer Tivon Pennicott wie ein Zwerg aussieht, ist Musik bis in die letzte Nervenfaser: Der 46-jährige Porter verfügt nicht nur über einen wuchtigen Körper, der vermeintlich für anderes gemacht zu sein scheint als für innige Balladen und sensible Beobachtungen über Gott und die Natur oder über seine Mutterliebe und Vatersuche. In diesem Resonanzkörper schlummert eine sanfte Musikseele, die er dank seiner gescheiterten Sportkarriere wachgeküsst hat.

In Gregory Porters Resonanzkörper schlummert eine sanfte Musikseele.

In Gregory Porters Resonanzkörper schlummert eine sanfte Musikseele.

(Bild: Marco Masiello)

Einst trug der American Footballer einen Helm im Kampf gegen Verletzungen auf dem Spielfeld, dann trug der junge Soulsänger eine eigenwillige Kopfbedeckung, um sein Haupt auf die Musik konzentrieren zu können. Jetzt ist sie sein eigenwilliges Markenzeichen. Nebst der berückenden Stimme und einer äusserst kompetenten fünfköpfigen Band, die ihn mal sanft umjazzt, dann aber auch enthusiastisch umswingt.

Seinen Daddy nicht gekannt

Heute scheint der Sänger geläutert, in sich ruhend, gar etwas mit der Welt versöhnt. Denn jahrelang drehte sich das Denken von Gregory Porter nur um die Schattenseiten des Lebens: Seine Geschichte ist die einer schwarzen Kindheit in einer weissen Nachbarschaft mit Gospel-Gottesdiensten und alltäglichem Rassismus.

Die Hände des Pianisten Chip Crawford.

Die Hände des Pianisten Chip Crawford.

(Bild: Marco Masiello)

Gregory war das jüngste von acht Kindern einer alleinerziehenden Mutter und er träumte davon, «dass Nat King Cole mein Vater sei». Weil er seinen Daddy nicht kannte. Umso liebevoller rollte er im KKL seinem Vorbild mit diversen Coverversionen den roten Teppich aus: «Nat King Cole and Me» heisst Porters aktuelles Album, von dem er etwa «Mona Lisa», «Nature Boy» oder auch «I Wonder who my Daddy is» vortrug. 

«Man muss das Leben leben, bevor man es singt.»

Gregory Porter, US-Soulmann 

«Man muss das Leben leben, bevor man es singt», sagt der US-Soulmann Gregory Porter. Und es war bei Gott kein einfaches Leben. Aber eines, das ihm eine der erstaunlichsten Karrieren der letzten Jahre ermöglichte: 2013 gelang ihm mit seinem umwerfenden Album «Liquid Spirit» der Durchbruch, seither füllt Porter die grossen Säle mit seiner grossen Stimme. 

Gregory Porter, das ist Musikt bis in die letzte Nervenfaser.

Gregory Porter, das ist Musik bis in die letzte Nervenfaser.

(Bild: Marco Masiello)

Rassismus, Rebellion – und Liebe

Und der schwarze Hüne weiss, wovon er singt: von Rassismus, Rebellion – aber auch von der Liebe. «Es ist eigenartig, wieder in diese aberwitzig schöne Stadt kommen zu dürfen», begrüsste er sein Luzerner Publikum am Montagabend. «Doch hier sind wir alle in Harlem!»

Gregory Porter meinte damit das Armenhaus New Yorks, das früher aufgrund seiner afroamerikanischen Wurzeln und seiner lebhaften Kultur als Sinnbild für Unterdrückung stand. Heute aber gilt dieses einstige Schwarzenquartier als schick und hip und wird von den Weissen vereinnahmt. Genauso wie der schwarze Porter selbst: Seine Musik ist in Europa weitaus erfolgreicher als in der Heimat. Das ist die Gegensätzlichkeit des Lebens.

Saxofonist Tivon Pennicott.

Saxofonist Tivon Pennicott.

(Bild: Marco Masiello)

«Mich inspiriert beim Komponieren die Gegensätzlichkeit des Lebens», sagte der zweifache Grammy-Gewinner (2013 und 2017, jeweils für die besten Jazzalben) Porter einmal. Schönes und Hässliches. Maskulines und Feminines. Wut und Frieden. Schwarz und Weiss.

Doch über allem thront bei Porter der Wunsch nach Liebe. Er hat sie persönlich gefunden, ist mit der Russin Victoria verheiratet, nachdem ein russischer Manager seine Karriere einst im Ostblock lanciert hatte. Und seinem fünfjährigen Sohn will Porter heute ein guter Vater sein, ein besserer als sein eigener: herrlich seine erzählte Anekdote, wie ihm der Junge ein Video von Enten im häuslichen Swimmingpool ins KKL schickte. Worauf ihn der Vater ermahnte, diese nicht zu jagen. Klar, da ist ein Frühgeschädigter bemüht um friedliches Zusammenleben.

Sanfter Seelentröster

Programmatisch für Porters Liebessehnsucht ist sein berührendes Cole-Lied «When Love was King», in dem sich der warmherzige Bariton ein untergegangenes Land ausmalt, das leider nie existiert hat. Gregory Porter gab seinem Publikum diesen Song über ein Reich, in dem die Liebe als freundlicher Herrscher regiert, als letzte Zugabe mit auf den Heimweg. Welch Seelentröster!

Und hier singt Gregory Porter «When Love was King» live in den BBC-Studios:

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