Theater «Nimm mich mir!» in Emmenbrücke aufgeführt

Die erschütternde Suche nach dem wahren Bruder Klaus

Ingo Ospelt in der Rolle des Psychiaters: Das Stück «Nimm mich mir!» wurde am Freitag in der Kirche Bruder Klaus in Emmenbrücke aufgeführt.

(Bild: Marlis Huber)

Ein Kurator, eine Museumsdirektorin und deren Mann, ein Psychiater, arbeiten sich auf je eigene Weise an der Figur des Niklaus von Flüe ab. Mit der eindringlichen Theateraufführung «Nimm mich mir!» wurde in Emmenbrücke im Rahmen des 600. Gedenktags an den Mystiker aus Sachseln erinnert.

 

Ein Kurator arbeitet sich an seinem Gegenstand ab. So sehr, dass er gerade dabei ist, sein inneres Gleichgewicht zu verlieren. So beginnt das Theaterstück «Nimm mich mir!», welches am Freitag in der Kirche Bruder Klaus in Emmenbrücke aufgeführt wurde.

Wie einst Bruder Klaus (1417–1487) in seiner Klause liegt der Kurator Alois im Museumsraum auf einer hölzernen Bank, sein Kopf ist wie bei jenem auf einen Stein gebettet.

Anstatt zügig die Ausstellung zum 600. Gedenktag an Bruder Klaus fertigzustellen, verheddert dieser sich nun in einen wirren Dialog mit den Exponaten, die um ihn herum aufgestellt sind. So parodiert er etwa den Bischof, der damals, im Jahre 1469, extra aus Konstanz nach Unterwalden kam, um die Askese des Eremiten zu prüfen.

Alsdann beschimpft dieser innerlich in Aufruhr Geratene den Heiligen als Anorektiker. Die Museumsdirektorin Julia, eine karrierebewusste Kunstmanagerin und verheiratet mit einem Psychiater, ist in Folge beunruhigt über Alois’ Geisteszustand.

Sie bietet deswegen ihren Mann Andreas auf, denn dieser soll den kritischen Geisteszustand von Alois wieder herrichten und so das sich abzeichnende Fiasko verhindern. Anstatt den seelisch und geistig Aufgewühlten zu kurieren, gerät dieses Paar jedoch nach und nach in eine ernsthafte Beziehungskrise.

Kluge und wortgewaltige Inszenierung

Das von den Zürcher Kirchen lancierte ökumenische Theaterprojekt unter der Regie von Hannes Glarner rückt das bekannte Gebet von Bruder Klaus ins Zentrum.  

Die beiden Schauspieler Bodo Krumwiede als Alois und Ingo Ospelt als Andreas sowie die Schauspielerin Annette Wunsch als Julia transferieren mit der klugen und wortgewaltigen Inszenierung den mittelalterlichen Mystiker in einen aktuellen Kontext, ohne dass das Ganze Gefahr läuft, zu einer billigen Adaption an die Gegenwart zu verkommen.

Der Berner Musiker Pudi Lehmann unterstützt mit seinen mystischen Klängen die «szenische Recherche», wie das Stück sinnigerweise untertitelt ist.

Ein Gottessucher, ein Psychiater und die Gendervereinnahmung

Auf der Bühne indessen geht es wie erwähnt nicht so, wie von Julia intendiert. «Nimm mich mir!» stellt mit dem Kurator Alois und dem Psychiater Andreas zwei Antipoden ins Zentrum des Geschehens, die nicht sehr viel gemeinsam haben.

Auf der einen Seite der Gottessucher, der sich aus innerer Dringlichkeit den Fragen des Seins, aber auch des Scheins stellt, auf der anderen der verkopfte Psychiater und verhinderte Selbstverwirklicher, als fünffacher Familienvater verdammt zu «Karnickelstall und Gendertroubel», wie er es einmal selbst ausdrückt.

Ingo Ospelt, Annette Wunsch, Bodo Krumwiede und Pudi Lehmann. (v.l.n.r.)

Ingo Ospelt, Annette Wunsch, Bodo Krumwiede und Pudi Lehmann. (v.l.n.r.)

(Bild: Marlis Huber)

Ingo Ospelt spielt den lässig im leicht zerknitterten roten Sakko und dem bunten Seidenschal auftretenden Psychiater übrigens herrlich! Auch er kommt über den Heiligen immer mehr ins Grübeln, bis er dann schliesslich nach Indien abdampft.

Irgendwo zwischen diesen Männern steht da Julia, die sich als enttäuschte Ehefrau und Mutter je länger je mehr mit Dorothee, der Ehefrau des Bruder Klaus, identifiziert und in ihrem Frust der mittelalterlichen Familie ein zeitgenössisches Genderproblem überstülpt.   

Auch Kritik am Kunst- und Kulturzirkel

Das Ensemble, welches mit dieser Aufführung den Heiligen in das Setting einer Ausstellungssituation stellt, schafft sich mit diesem Kniff die Möglichkeit einer selbstreferenziellen Befragung: Es ist sinngemäss der zweifelnde und hadernde Kurator Al, der mit der Kultur- und Kunstszene ins Gericht zieht. Sein Fazit: «Ein miteinander verbandelter Zirkel, dem es bei Lachs und Schampus um Sehen und Gesehenwerden geht.»

Noch etwas darf nicht unerwähnt bleiben: Bodo Krumwiede in der Hauptrolle als Al spielt umwerfend! Man spürt, dass er sich intensiv mit dem Mystiker auseinandergesetzt hat. Wir dürfen annehmen, dass das persönliche Ringen, das Krumwiede so stark und überzeugend darstellt, der Sehnsucht des Einsiedlers Niklaus von Flüe nach dem «einig Wesen» ziemlich nah kommt.

Die letzten Aufführungen von «Nimm mich mir!» im Jugendstil-Hotel Paxmontana in Sachseln: Samstag, 24. März 2018, 18 Uhr, und Sonntag, 25. März 2018, 17 Uhr. Freie Plätze sind noch vorhanden.

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