Jazzlegende Herbie Hancock im KKL

Ein «crazy» Piano-Buddhist liess 1’300 Fans flippen

Mit elf Mozart, mit 77 nur noch Jazz: US-Pianist Herbie Hancock.

(Bild: Dragan Tasic)

Herbie Hancock ist eine der letzten lebenden Legenden des Jazz. Der 77-jährige US-Pianist spielte am Montag stets mit einem munteren Lächeln. Drogen? – Nein, ein Jazz-Flow von satten zwei Stunden – und gerade Mal sechs Stücken. Das reichte dem Buddhisten, um Verzückung im Luzerner KKL-Saal zu schaffen.

Da trabt ein grosser Schlacks munter auf die Bühne, schnappt sich das Mikrophon und legt gleich los: «Toll, dass ihr alle hier seid, um uns verrückten Typen zuzuhören.» Crazy? Naja, höchstens, wenn man denkt, was für eine Lebensgeschichte dieser Mann hinlegte, der schon mit elf Jahren Mozart spielte, sich dann aber erfolgreich dem Jazz zuwandte (siehe Box).

Musiker bei Miles Davis

Der 77-jährige Pianist zählt zu den grossen Musikern des Jazz. Geboren in armen Verhältnissen 1940 in Chicago, gab er schon als Elfjähriger ein Mozart-Konzert mit den Sinfonikern seiner Heimatstadt. 1962 spielte er für das legendäre Label Blue Note sein Debüt ein, das Stück «Watermelon Man» wurde zum Klassiker. Der legendäre Miles Davis holte ihn 1963 in seine Band. Mit ihm machte er die Alben «In a Silent Way», «Bitches Brew» und «On the Corner», die den Stil des Jazzrock zur Höhe führten. Später hat er sich dem Buddhismus und dem harten Funk zugewandt; «Rockit» wurde populär in der Achtzigern. Seit 1968 ist er mit der deutschen Dekorateurin und Kunstsammlerin Gudrun Meixne verheiratet, sie haben eine Tochter.

Äusserst sympathisch beschwört er mit erhobenen Händen das aufregende Konzerthaus, begrüsst die Fans auf dem obersten Balkon. Und dann legt Herbie Hancocks Quartett los: anstrengend, aber unglaublich beflügelnd. Der Drummer und der Bassmann sorgen für den treibenden Rhythmus-Teppich, auf dem Herbie Hancock virtuos abhebt.

Spass an der Improvisation

Vor allem sein Mitstreiter Terrace Martin (38) fordert Hancock zu immer neuen Höhenflügen heraus: Der Rap- und Jazz-Musiker hat mit Produktionen schon den schwarzen Ausnahmemusikern Stevie Wonder, Snoop Dogg und vor allem Kendrik Lamar unter die Arme gegriffen. Er beweist im KKL auf seinen Keyboards, am Tenorsax und mit dem Einsatz des stimmverfremdenden Vocoders, dass im Jazz kaum Grenzen gelten.

Improvisation, viel Konzentration und vollfetter Sound: das Herbie Hancock Quartett mit Terrace Martin (ganz rechts).

Improvisation, viel Konzentration und vollfetter Sound: das Herbie Hancock Quartett mit Terrace Martin (ganz rechts).

(Bild: Dragan Tasic)

Hancock, Martins Boss auf dieser bereits mehr als ein halbes Jahr dauernden Tour, nimmt die Zuspiele des Jungspunds an seiner Seite gerne auf. Die gemeinsame Spielfreude und der ungetrübte Spass an der Improvisation sorgen für Begeisterungsrufe im vollen KKL. Auch wenn nur ein Hit gespielt wird: Immerhin gibt es «Cantaloupe Island» mit dem hinreissend packenden Pianolauf, den viele wiedererkennen und mit Standing Ovations beklatschen.

«In diesen durchgeknallten Zeiten ist Kunst so wichtig wie lange nicht mehr.»

Herbie Hancock, US-Pianolegende

Kein Wunder, lächelt die Pianolegende während des ganzen Konzertreigens. Damit ist Herbie Hancock das beste Beispiel dafür, was er unlängst der Zeitung «Zeit» diktierte: «Musik hat eine ausgesprochen positive Wirkung auf das Bewusstsein der Menschen. Kunst kann sie beflügeln und auch die Wissenschaft vorantreiben. In diesen durchgeknallten Zeiten ist Kunst so wichtig wie lange nicht mehr.»

Vollfetter Sound statt Mord und Totschlag

Vollfetter Sound und gut gelaunte Stimmung statt Mord und Totschlag als Kurzfutter in der «Tagesschau». Und Hancock zeigt, dass Jazz nicht nur Musik für Rentner und verkopfte Studenten ist. Man hätte dazu locker auch tanzen können! Das wäre doch mal «crazy» gewesen. Wenn man denn nicht so bequem auf den Sesseln des weissen KKL-Saales gesessen hätte.

Herbie Hancock beschwörte das inspirierende Konzerthaus und die Fans auf den hohen Balkonen.

Herbie Hancock beschwörte das inspirierende Konzerthaus und die Fans auf den hohen Balkonen.

(Bild: Dragan Tasic)

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