Gebirgspoeten mit «Radio Alpin» in Hochdorf

Dadaistischer Stumpfsinn auf höchstem Niveau

Die Gebirgspoeten begeistern mit ihrer Radiosendung «On Air».

(Bild: Walter Huber)

Das alles könnte auch nichts anderes als stinkbiederer Retroklamauk sein. Ist es aber nicht, denn die Gebirgspoeten fabrizieren in ihrem aktuellen Programm «Radio Alpin» aus lauter Unsinn ein dadaistisches Meisterwerk. Die schrägen Vögel begeistern nicht nur das Publikum; auch sie selber finden ihren Wurstsalat sichtlich saukomisch.    

Drei etwas aus der Zeit gefallene Typen in dunklen Rollkragenpullis und braunen Sakkos, mit Frisuren und Brillen ebenfalls à la Siebzigerjahre, hantieren am selbst gebastelten Radiopult. «On Air» steht dort in Leuchtschrift und schon gehen als Erstes Nachrichten aus der tiefsten Provinz über den Äther: Traktorunfall im Wallis und Meringue-Skandal in Schangnau.

Dann reden die Wetterschlecker von der trockenen Rinde und dem daraus herauszulesenden kalten Jänner. Die Gebirgspoeten traten am Freitag im Kulturzentrum Braui in Hochdorf mit ihrem dritten Bühnenprogramm «Radio Alpin» auf. Vor einem kleinen, aber begeisterten Publikum gaben sie dort ihr dadaistisch irrwitziges Radioprogramm zum Besten.

Weltbürger aus der tiefsten Provinz 

Die Gebirgspoeten – das sind Rolf Hermann, Achim Parterre alias Michael Lampart und Matto Kämpf – senden also aus ihrem Radiostudio Urkomisches; aus der Provinz und der weiten Welt. Mangels Ressourcen müssen sie nämlich alles selber machen: Neben Moderation, Gästen, Aussenkorrespondenten, Hörerinnen am Telefon, Jingles, Werbung, Songs und Geräuschen machen die Allrounder auch die Werbung gleich selber.

Die drei Meister-Dadaisten nehmen für ihre schrill-schrägen Parodien auch bekannte SRF-Radio-Sendungen wie «Persönlich», das Konsumentenmagazin «Espresso» oder «Die Diskothek im Zwei» als Vorlage. So bewertet etwa eine Expertin drei anonymisierte Schmelzkäse bezüglich Streichkompetenz und Geschmack auf der Zunge und in der Sendung «Buchtipp» wird das neue Buch von Meyäli Brächbüeu «Härdöpfu, Schnätz ond Chnöiblätz. Mis Läbe aus Frou. Useme ereignislose Autag vonere intakte Fameli im Kandertau» empfohlen.

Rolf Hermann postet das lustige Trio auf Facebook:

 

Das alles könnte nun nichts anderes als stinkbiederer Retroklamauk sein. Ist es aber nicht, weil viel zu intelligent und genial gemacht. Und ausserdem scheinen die drei Meister-Dadaisten zu wissen: Zum wirklichen Weltbürger wird man erst über den Weg durch die Provinz.

Monotonie und Wiederholung machen den Unsinn perfekt

Doch halt! Nicht ganz immer kommen die Beiträge aus der Provinz. Von der Ping-Pong-Weltmeisterschaft der Damen wird gar eine Live-Übertragung aus Shanghai angekündigt. Mit einem lautmalerischen Zungenschnalzen aus den Mundhöhlen von Parterre und Hermann tönt das sinngemäss so: «Ping-Pong, Ping-Pong, Ping-Pong.» Das war es dann auch aus dem Sportstudio.

Achim Parterre lockert auf seinem Keyboard jeweils mit eintönig stumpfsinnigen Jingles die Beiträge auf und leitet von einer Sendung in die andere über. Musik, Gesang und Text, Neues und Altes wird ohnehin, nachdem es erst durch den Fleischwolf gedreht wurde, permanent zu Eigenem verwurstet. So klingt etwa Peter Rebers süsse Weltumseglerromantik durch, wenn Kämpf in kindlich naiver Weise singt: «E Kokosnuss zom Zmorge, e Kakadu luegt zue.»

Der Blödsinn wird ad absurdum geführt

Um einer Funkstille zuvorzukommen, stimmen die drei wiederholt in ihr monotones Lieblingslied ein, das aus bloss zwei Wörtern besteht, dafür aber eine ganz grosse Welt zu beinhalten verspricht: «A Woman». Dieser absurde Singsang ist eines der wiederkehrenden Elemente, das den ganzen Blödsinn auf dieser Bühne ad absurdum führt.

In der Sendung «Boxenstopp mit Jesus» beantwortet Kämpf in der Rolle als Pfarrer Zambo Zorflüeh die Fragen der achtjährigen Tamara aus dem Entlebuch, warum denn die Sonne am Abend untergehe, glatt mit der Apokalypse aus der Johannes-Offenbarung. «Das ist das Buch mit den sieben Siegeln, Tamara», sagt Kämpf mit dunkler, verheissungsvoller Stimme. Er droht dann mit weissen, schwarzen und bleichen Pferden, die da vom Himmel kommen werden, von Tod, Pocken und Pest und von Engeln und Kriegen, die das Land verwüsten werden. Was war denn nun eigentlich die Ausgangsfrage?

Schräges Trio mit viel Plausch an der eigenen Sache

Was diese schrägen Vögel besonders sympathisch macht: Die drei haben sichtlich Spass am Auftreten und finden ihre aus allen Nähten platzende Performance nicht zuletzt selber saukomisch. All jenen, die in dunklen Tagen von Weltschmerz heimgesucht werden oder einfach den Ernst des Lebens für einen Abend vergessen wollen, sei ein Abend mit den Gebirgspoeten unbedingt empfohlen.

 

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