Ein Literaturfestival zum 10-Jahr-Jubiläum

Lob aus Berlin: «Die Lesebühne Zug ist ein Vorbild für die ganze Welt»

Judith Stadlin und Michael van Orsouw feiern ihre Lesebühne.

(Bild: Wolfgang Meyer)

In der äusseren Altstadt von Zug liegt seit zehn Jahren ein kleines Juwel vergraben: Die Lesebühne des Literaturduos «Satz&Pfeffer». Es ist ein Ort, an dem Grenzen Hausverbot haben und Familiarität gross geschrieben wird. Zur Feier des Jubiläums gab es ein kleines Literaturfestival – und gepfefferte Gratulationen aus dem fernen Norden.

Vor zehn Jahren reisten Judith Stadlin und Michael van Orsouw alias «Satz&Pfeffer» nach Berlin. Das machen die beiden gerne. Hier tingeln sie von Bühne zu Bühne, tragen ihre Texte vor, lernen andere Literaten kennen und nehmen Hörspiele fürs Radio auf.

Dazwischen nächtigen sie auch mal im Wohnmobil auf öffentlichen Pärken und grüssen frühmorgens freundliche Polizeistreifen aus dem Fenster. Was man als Literat in der Fremde eben so tut. Und davon reichlich. «Damals haben wir uns ernsthaft überlegt, nach Berlin zu ziehen», erzählt Stadlin heute. Entschieden haben sie sich dann aber für die umgekehrte Variante: Berlin kam nach Zug.

In Gesellschaft seiner seriösen literarischen Anverwandten liegt nun in der äusseren Altstadt zwischen der Bibliothek, der Doku-Zug und der St. Oswalds Kirche ein kleines Juwel vergraben. Von aussen gut verborgen, entfaltet das Stückchen Berlin an der Oswaldsgasse 11 – wie der Bahnsteig 9 ¾ – von innen eine um so lebendigere Strahlkraft. Das Diminuitiv in Verbindung mit der Weltstatt aus dem Norden ist in diesem Fall durchaus angebracht: Hinter dem unscheinbaren Eingang zur Nummer 11 stösst man auf die kleinste Kleintheaterbühne der Welt. Oder zumindest in Zug.

Eine Grenze hat Hausverbot

Ohne E und U: Nein, Stadlin und van Orsouw schreiben nicht etwa Texte ohne Konsonanten. Und das gängige E und U wie etwa in «echt? und sonst so?» hält auch in ihren Texte Einzug. Geht es aber um E wie «ernste Literatur» und U wie «Unterhaltungsliteratur», wie sie vom Schuldogma unterschieden werden, stellen sich die beiden quer.

Nathan der Weise etwa von Lessing ist «E»:  Ernste Literatur. In fünf Akten wirken Humanismus, der Toleranzgedanke der Aufklärung und natürlich die Ringparabel durch die Zeilen des wohl schon seit Anbeginn der Zeit in Reclam-Gelb gebundenen klassischen Dramas. Bücher von Bibi Blocksberg sind «U»: Unterhaltungsliteratur.

Auf der kleinsten Kleinkunstbühne Zugs hat diese Grenze Hausverbot. Hier mischt sich Ernstes ungeniert mit Unterhaltendem und löst in den zahlarmen Rängen der literarischen Manege gerne mal humorvoll Euphorie aus.

Natürlich ist das Kunst!

«Unterhaltender Kunst wird gerne nachgesagt, sie sei gar keine Kunst. Das ist natürlich ausgemachter Unsinn.» Auf einer Bühne kann es gar nicht zu viel Unterhaltung geben, finden Stadlin und Orsouw.

Das Literaturduo «Satz&Pfeffer» präsentiert auf seiner hauseigenen Lesebühne «Oswalds Eleven» an der Oswaldsgasse 11 deswegen nun seit zehn Jahren an jedem Elften des Monats die «Satz&Pfeffer-Lesebühne» mit Literaten aus der Schweiz, Deutschland und Österreich, und frönt dem kurzweiligen Vorlesen.

Der Schweizer Autor Charles Lewinsky auf der kleinsten Kleintheaterbühne von Zug.

Der Schweizer Autor Charles Lewinsky auf der kleinsten Kleintheaterbühne von Zug.

(Bild: Wolfgang Meyer)

Drei Abende hintereinander feierte die Lesebühne drum seit Donnerstagabend ihr zehnjähriges Bestehen. Elf Autoren, Musiker, Comedians und Slampoeten aus der Schweiz, Berlin und München präsentierten ihre Werke. Darunter der Berliner Bestsellerautor Paul Bokowski, der Zürcher Romancier Charles Lewinsky und der Zuger Musiker Aldo Caviezel.

Ein kleines Literatenfestival also. Auf der langen Liste der Namen jener, die in den vergangenen zehn Jahren schon auf dieser Bühne gestanden haben finden sich allerlei bekannte Namen. Beni Thurnheer, Röbi Koller, Nik Hartmann, Susanne Kunz, Nora Gomringer, Pedro Lenz und Linard Bardill sind nur einige wenige davon.

Ganz, ganz, ganz anders

Eine der Eigenheiten des kleinen Literatur-Geheimtipps entdecken Zuspätgekommene erst in der zweiten Hälfte des Abends. Jetzt setzen sich nämlich alle, die vorne waren, nach hinten und umgekehrt. «Hinten», das ist der zweite kleine Raum, direkt hinter der Bühne, in dem der Abend live übertragen wird. In etwa so, wie wenn der BWL-Vorlesungssaal überbelegt ist und in einen zweiten Saal übertragen werden muss. Einfach ganz, ganz, ganz anders. So finden immerhin 70 Zuschauer Platz rund um die kleine Bühne.

«In diesen zehn Jahren haben sich viele Freundschaften entwickelt», erzählt van Orsouw. Besonders zwischen der Zuger Satz&Pfeffer-Lesebühne und den Lesebühnen in Berlin besteht ein reger Austausch. «Man lädt sich nicht nur gegenseitig zu Auftritten ein, wir diskutieren auch unsere Texte miteinander und versuchen, uns im Kreativprozess gegenseitig zu helfen.»

Ein wichtiger Bestandteil der Lesebühnenkultur liegt in ihrer Familiarität. So schicken ihnen ihre Literaturfreunde aus Berlin Video-Gratulations-Botschaften, die ihren fulminanten Höhepunkt in einem bestimmt gut getroffenen Zitat erreicht: «Die Lesebühne Zug ist wahrlich ein Vorbild für uns in Berlin. Ja, ein Vorbild für die ganze Welt.»

Die Gratulations-Botschaften aus Berlin:

 

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