Max-Frisch-Inszenierung im Burgbachkeller Zug

Gelungenes Spiel mit der eigenen Biografie

Hannes Kürmann (Markus Roos) wird konfrontiert mit einer früheren Liebschaft, dem Playboy-Häschen Helene (Katja Stocklin-Kappeler) und der Spielleiterin (Gabriela Widmer-Annen), welche die Situation kommentiert.

(Bild: zvg)

Könnte die eigene Biografie auch anders ausgehen? Mit dieser Frage beschäftigt sich der Laientheaterverein «Die Kulisse Zug» im Rahmen der Inszenierung von Max Frischs «Biografie: Ein Spiel». Die tragisch-ironische Komödie überzeugt mit einem hohen Tempo, tollen Stimmungsbildern und der Absurdität einer ewigen Wiederkehr des Gleichen. Oder verändert sich doch etwas?

Der 49-jährige Verhaltensforscher Hannes Kürmann (Markus Roos) erhält die Möglichkeit, seine Biografie an irgendeinem Punkt in seinem Leben zu verändern. Er scheint genau zu wissen, was er anders machen würde. Es ist die zweite Ehe mit Antoinette Stein (Pia Irányi), die ihm wie ein Klotz am Bein hängt. Herr Kürmann kann küren, er hat die Wahl. Er möchte das erste Zusammentreffen mit Antoinette vor sieben Jahren anders gestalten. Nur ein einziges Mal hat er sich anders zu verhalten und die kultivierte Antoinette landet nicht in seinem Bett, sondern im Taxi nach Hause. Einfacher gedacht als getan.

Tolle Stimmungsbilder

Auf einem braunen, ledrigen Liegefauteuil räkelt sich die hübsche und selbstbewusste Antoinette Stein und zündet sich eine Zigarette an. Ganz kurz wird es dunkel und man sieht nur die Glut ihrer Zigarette. Hannes Kürmann kommt nach der Verabschiedung seiner Gäste zurück in sein Wohnzimmer und sieht diese ihm unbekannte Frau dasitzen. Es ist die erste Begegnung mit seiner zukünftigen Ehefrau – und er will auf jeden Fall verhindern, dass sie bleibt. Und doch kommen sie sich näher und Antoinette bittet ihn in ihrem breiten Berndeutsch, wenigstens das Licht zu löschen. Es wird dunkel. «Halt! – Halt!», schreit Kürmann aus dem Dunkeln und das Licht geht wieder an.

Antoinette Stein (Pia Irányi) macht Hannes Kürmann (Markus Roos) schöne Augen.

Antoinette Stein (Pia Irányi) macht Hannes Kürmann (Markus Roos) schöne Augen.

(Bild: zvg)

Doch nicht mehr ein warmes, klares Bühnenlicht leuchtet, sondern ein bläuliches, kühles Licht. Dazu erklingt im schnellen Rhythmus ein düsteres, melancholisches Synthie-Popstück. «Kann ich hier nochmals anfangen?», fragt er die drei seitlich neben der Bühne stehenden Spielleiter, ausdrucksstark gespielt von Raban Weibel, Gabriela Widmer-Annen und Katja Stocklin-Kappeler.

Die Regisseurin Stephanie Aebischer vermag mit Licht, Musik, Tanz und Kostümen die beiden unterschiedlichen Spielebenen des Stücks gekonnt zu kontrastieren. Auch spielen sich die biografischen Szenen Kürmanns auf einem runden Podest in der Mitte der Bühne ab, während die nüchternen, teils kommentierenden, teils provozierenden Kommentare der Spielleiter aus dem seitlichen Off kommen. Das bewirkt einen oftmals temporeichen Schlagabtausch, was für komische und absurde Situationen sorgt und das Publikum zum Lachen bringt.

Hannes Kürmann (Markus Roos) umrahmt von den Ballettschülerinnen (v.l. Gabriela Widmer-Annen, Katja Stocklin-Kappeler) aus der Nachbarschaft.

Hannes Kürmann (Markus Roos) umrahmt von den Ballettschülerinnen (v.l. Gabriela Widmer-Annen, Katja Stocklin-Kappeler) aus der Nachbarschaft.

(Bild: zvg)

Alles dreht sich im Kreis

Das Bühnenbild besticht durch einfache und nüchterne Requisiten: zwei weisse Türrahmen, die als Eingang in Kürmanns Biografie dienen, das lederne Sofa, der Aschenbecher und der kleine Whiskyschrank. Fast alle Gegenstände sind eckig, was Aebischer wiederum mit der runden Bühne kontrastiert. Dass sich dabei die Bühne plötzlich zu drehen beginnt (ein Wink an Ulrich Rasches drehende Bühnenkonstruktionen?), steht sinnbildlich für Kürmanns sich ständig im Kreis drehende Versuche, seine Biografie zu ändern.

Gleichermassen wirkt auch die Spieluhr, die ein Ebenbild der Bühne darstellt. Die traurige Spieluhrmelodie lässt alle einen Moment innehalten und bringt auch das Publikum zum Grübeln. Gibt es vielleicht jemanden, der die grosse Spieluhr des Lebens immer wieder aufzieht? Sind wir vielleicht alle Marionetten wie die an roten Schnüren aufgehängten Schachfiguren? Wer zieht die Fäden unseres Lebens?

Die Spielleiterin (Katja-Stocklin-Kappeler) studiert mit Hannes Kürmann (Markus Roos) dessen Biografie.

Die Spielleiterin (Katja-Stocklin-Kappeler) studiert mit Hannes Kürmann (Markus Roos) dessen Biografie.

(Bild: zvg)

Spiel mit Möglichkeiten

Immer wieder schlüpfen die drei Spielleiter in unterschiedliche Figuren und spielen ihre Rollen ganz hervorragend. Und auch Kürmann schlüpft ständig in andere Parts, nämlich in seine früheren Ichs. Die unzähligen Rollenwechsel sowie die Raum- und Zeitsprünge stehen dabei im Zentrum des Stücks. Denn es ist das Schauspiel selber, das uns gerade das andere, das Nichtrealisierte, immer wieder vor Augen führt.

Die «Dramaturgie des Zufalls», so Frisch, sei der Beweis dafür, dass es auch anders hätte kommen können. Während die Zeit unaufhaltbar voranschreitet und das Leben in eine unwiderrufliche Biografie niederschreibt, führt uns das Schauspiel die Kontingenz der Ereignisse vor Augen und bricht mit den Gesetzmässigkeiten des Lebens.

Das Stück «Biografie: Ein Spiel» wird noch bis am 11. November im Burgbachkeller Zug aufgeführt. Hier geht es zu den Aufführungsdaten.

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