Carlo von Ah veröffentlicht sein achtes Werk

Der Zuger Autor und seine historischen Romane

Er beschreibt die «furchtbaren Zustände» in der damaligen Schweiz: Der Zuger Autor Carlo von Ah.

(Bild: wme)

Carlo von Ah veröffentlicht sein achtes Buch «Von Flüe im Krieg». Der historische Roman des Zugers beleuchtet bisher unbekannte Facetten, etwa die Rolle der Frau im Krieg. Wieso der Autor manchmal auch auf Fiktion zurückgreift und er Krimis inzwischen verabscheut.

Carlo von Ah war vieles in seinem Leben: Oberst im Generalstab der Schweizer Armee, Direktor verschiedener Handelsunternehmen, zwischendurch engagiert beim IKRK und seit seiner Pensionierung auch Schriftsteller.

Am Montagabend hält der 77-Jährige in der Stadtbibliothek Zug seine erste Lesung zu seinem achten Werk «Von Flüe im Krieg» (siehe Box). Der historische Roman ist auf den Spuren eines Schweizer Söldners im Tross der Napoleonischen Feldzüge nach Spanien und Russland. Die Perspektive der historischen Person Joseph Ignaz von Flüe – ein Obwaldner Offizier und Nachfahre von Bruder Klaus – nutzt von Ah als Schauwagen. Von dessen Warte aus verstrickt er den Leser in die damalige Zeit.

Kein Platz auf dem Steckbrief

Dabei beleuchtet von Ah verschiedene Ebenen der damaligen Verhältnisse und lenkt den Blick des Lesers auch auf gesellschaftliche Realitäten, die bisher in der Geschichte kaum Erwähnung finden. So etwa die Rolle der Frau im Krieg. «In der Geschichte finden immer nur starke Männer Erwähnung, die sich gegenseitig die Köpfe einschlugen», stellt der ehemalige Oberst spöttisch fest. Dass Frauen ihren Männern in den Krieg nachzogen, diesen die Kleider flickten oder die Verwundeten von den Schlachtfeldern schleppten, das findet selten Erwähnung.

«In der Geschichte finden immer nur starke Männer Erwähnung, die sich gegenseitig die Köpfe einschlugen.»

Dass unter Napoleon die Bauern der Innerschweiz derart Hunger litten, dass sie rund 4’000 Kinder ins Mittelland schickten, um der Mangelernährung zu entgehen; solche Facetten, die auf den Steckbriefen der historischen Eckdaten selten Platz finden, für die Menschen damals aber sehr bestimmend waren, arbeitet von Ah in seinen Roman mit ein.

Süffige Geschichte

Geschichte hat ihn schon immer interessiert. Aber: «Geschichte muss Fleisch am Knochen haben.» Der Stoff muss süffig verarbeitet werden, damit er dem Leser nicht wie leblose Steine im Magen liegt, sondern ihn mit seiner historischen Gravität in die Geschichte zieht.

«Wir müssen mit unserer Herkunft manchmal gar nicht so angeben.»

So füllt von Ah Lücken in den Quellen mit Fiktion. «Meist sind das harmlose fiktive Erweiterungen des historischen Kontexts.» Gefühlsregungen, Gespräche, Gedanken, Kleinigkeiten, die – auch wenn sie tatsächlich so stattgefunden haben – niemals den Weg in die Geschichtsbücher gefunden hätten.

Fiktive Begegnungen

Von Ah lässt auch Charaktere aneinandergeraten, von denen er weiss, dass sie sich zu Lebzeiten nie begegnet sind. Er schildert etwa die Begegnung zwischen dem pro napoleonischen Offizier von Flüe und dem Befürworter helvetischer Unabhängigkeit und kantonaler Souveränität, dem Offizier Ital Reding.

Lesung mit Nachfahren von Flües

Carlo von Ah: «Von Flüe im Krieg. Ein Innerschweizer Söldneroffizier im Solde Napoleons.» Verlag Pro Libro. Lesungen: Montag, 18. September,  20 Uhr, Kantonsbibliothek Zug. Donnerstag, 21. September, 19.30 Uhr, Gemeindebibliothek Hünenberg.

Der Autor wird vom Zuger Akkordeonvirtuosen Julian von Flüe begleitet, einem entfernten Nachfahren des Protagonisten Joseph Ignaz von Flüe. Er unterstreicht die geografischen Wechsel der Leseabschnitte mit passendem Lied-Repertoire.

«Ich liess die historischen Charaktere in eine fiktive Situation eintreten, in der ich ihre unterschiedlichen politischen Überzeugungen zueinander in Diskurs setzen konnte», erzählt er. Diese Begebenheiten gestaltet von Ah so, wie sie ohne Weiteres auch tatsächlich hätten stattfinden können. «Ich bereite die Fakten für den Leser auf. Ich veranschauliche sie. Ich beuge sie aber nie.»

Ein schmerzhafter Prozess

Ein Gesicht will er den Fakten geben. Den «furchtbaren Zuständen» in der damaligen Schweiz, erzählt Carlo von Ah. «Das lässt sich vielleicht mit den Geschehnissen in der Ukraine vergleichen. Wenn eine gespaltene schwache Nation sich, getrieben von einer starken äusseren Macht, selbst zerfleischt. Da müssen wir mit unserer Herkunft manchmal gar nicht so angeben.»

«Zu oft findet man in Krimis schlechten Erzählstil in unbeholfener Sprache.»

Die Schweiz in Armut, mit dem Söldnergeschäft am Tropf der Ware Mensch – viel zu viel wollte der leidenschaftliche Laienhistoriker seinem Leser anfangs vermitteln. Deshalb musste er das 550 Seiten starke Manuskript auf 350 Seiten kürzen. Ein schmerzhafter Prozess. «Aber das Leben besteht so oft darin, loszulassen. Doch es kommt immer wieder etwas Neues.»

Schluss mit Krimi

«Von Flüe im Krieg» ist nicht von Ahs erster historischer Roman. 2013 veröffentlichte er bereits das viel beachtete Buch «Durch Dschungel und Intrigen», in dem er den Schweizer Oberst Hans Imfeld durch die französischen Feldzüge in Indochina erzählerisch begleitet. Für diese Arbeit wurde er 2016 von der Vontobel-Stiftung mit dem Anerkennungspreis «Kreatives Alter» ausgezeichnet.

Insgesamt acht Werke sind seit 2005 aus seiner Feder erschienen. Anfangs schrieb er Krimis. Diesem Genre hat er sich heute entfremdet. «Der Krimi ist für mich zur literarischen Schmuddelecke geworden», meint er. «Damit tue ich vielen guten Krimischreibern Unrecht. Aber zu oft findet man hier schlechten Erzählstil in unbeholfener Sprache.»

Wenn der Rummel um die Veröffentlichung seines neusten Werkes über die Bühne ist, soll vorerst wieder einmal Ruhe um den Schriftsteller von Ah einkehren. «Ich will wieder mehr Zeit mit meiner Frau verbringen. Lesen, mehr Musik hören und selber – wenn auch dilettantisch – Klavier spielen.»

Das neue Buch von Carlo von Ah.

Das neue Buch von Carlo von Ah.

(Bild: zvg)

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1 Kommentar
  • Profilfoto von mebinger
    mebinger, 18.09.2017, 18:04 Uhr

    Ich habe meine regionalen Bestsellerautoren
    (Über den Reiz der regional verankerten Autoren)

    In letzter Zeit lese ich immer öfters Romane und Krimis von regionalen Autoren wie Silvia Götschi, Monika Dettwiler, Karl Hensler oder Thomas Brändle und stelle verwundert fest, das sie mich nicht minder fesseln als Romane von Dame Agatha Mary Clarissa Christie (ich erachte es als Respektbezeugung jeweils den gesamten Namen inkl. Titel zu nennen) oder von Sir Arthur Ignatius Conan Doyle. Ich frage mich immer öfters, ob der Hype über Bestsellerautoren nicht nur Schall und Rauch darstellt. Natürlich haben mich diese international bekannten Schriftsteller auch gefesselt, aber ich kenne sie nicht persönlich und vieles, was ich bei unseren Autoren zwischen den Zeilen zu erkennen glaube – wobei ich wohl zugegebenermassen ab und zu überinterpretiere – kann ich nur bei den mir bekannten Autoren erahnen. Wenn mich Silvia Götschi auf die Rigi entführt oder Karl Hensler nach Mariazell, dann entsteht ein Gefühl der Vertrautheit, welche mir Doyle oder Christie nie zu vermitteln vermögen. Diese vertrauten Bilder, diese vertrauten Landschaften, die nahen Ereignisse sind der Kern regionaler Literatur.

    Wenn ich dann noch „Das literarische Quartett“ im ZDF oder den „Literaturclub“ im SRF anschaue und merke, wie viel der Zufall eine Rolle spielt, ob ein Buch verrissen oder hoch gelobt wird, dann zweifle ich daran, das es einen Unterschied zwischen Bestsellerliteratur und hoher regionaler Literatur gibt. Dann komme ich zum Schluss, dass meine nahen Autoren nicht im Geringsten schlechter schreiben als diejenigen, die welche mit ihren Werken Millionen verdienen.

    Man darf nie vergessen, dass es nicht im Interesse des Kritikers ist, fair zu sein; er muss seine Brötchen verdienen!

    Keine Illusionen habe ich auch mehr bezüglich der Sprache. Auch das sogenannte gute Deutsch ist nur eine Frage des Geschmackes. Auch wenn es Deutschlehrer nicht gerne hören, Deutsch ist so flexibel, dass der Unterschied zwischen richtig oder falsch oft nur eine Frage des Zeitgeistes oder auch des eigenen Standpunktes ist.

    Wenn Maxim Biller sagt, die Lektoren der grossen Verlage hätten es geschafft, dass die neue Literatur zu einem sprachlichen Einheitsbrei degeneriert sei, ist das nur die halbe Wahrheit. Die Renditegeilheit der Verlagskonzerne verunmöglicht eine prägnante Literatur, die sich auch gegen den Terror der politischen Korrektheit und des Rentieren-Müssens auflehnt.

    Ich will nicht verhehlen, dass es wohl einen Unterschied gibt zu einem „Stiller“ von Max Frisch oder einem „Steppenwolf“ von Hermann Hesse. Aber dieser Unterschied betrifft gar nicht das Bestreben regionaler Literatur. Diese will unterhalten und wenn in dieser Unterhaltung auch ein wenig Haltung oder politische Stellungnahme verpackt ist, ist das ein Sahnehäubchen, aber für mich weder ausschlaggebend noch zwingend notwendig!

    Literaturkritik will immer bewerten. Braucht es das wirklich? Sollten wir nicht einfach lesen, weil es uns gut tut die Seele erlabt?

    In der Musik machen wir den gleichen Fehler und unterscheiden zwischen ernster Musik und Unterhaltungsmusik. Wir haben vergessen, dass in der Wiener Klassik Mozart reinste Unterhaltungsmusik war und es sich erst viel später als ernste Musik etablierte.

    Hören wir auf zu werten und geniessen es einfach, dass es so viele Schriftsteller gibt, die uns das Lesen so leicht machen

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