Auch Deutsche sollen bald gegen Bünzlitum kämpfen

Schwule Elfen und Lederhosen: Luzerner Spielemacherin expandiert

Spielemacherin Angela Vögtli auf ihrem Balkon in Luzern.

(Bild: giw)

Bereits über 3000 Mal wurde das provokative Kartenspiel «Kampf gegen das Bünzlitum» verkauft. Entwickelt hat es die Luzerner Grafikerin Angela Vögtli. Der Erfolg und die Nörgeleien aus ihrem deutschen Freundeskreis bewegen sie nun, eine Version für unsere nördlichen Nachbarn zu entwickeln. Und erneut gibt es keine Tabus.

«Ein benutzter Tampon hat Zottel als SVP-Maskottchen abgelöst.» Derartig süffisante Schlagzeilen produziert das Spiel «Kampf gegen das Bünzlitum» am Laufmeter. Die Luzerner Spieleproduzentin und Designerin Angela Vögtli sorgte im Jahr 2015 für Aufsehen mit ihrem provozierenden Gesellschaftsspiel (zentralplus berichtete), das auch in Luzerner Beizen gerne zu bierseligen Abenden gespielt wird. Inzwischen hat sie bereits die dritte Auflage veröffentlicht und über 3000 Exemplare verkauft – kosten tut es im Einzelhandel rund 43.- Franken. Nun möchte sie expandieren: «Wir entwickeln eine deutsche Version.»

Spieltitel funktioniert in Deutschland nicht

In Vögtlis Zuhause stapeln sich wenig überraschend Spiele, aber auch ein grosses Darth-Vader Modell und eine Ritterrüstung begrüssen Besucher und Kunden gleichermassen. Vögtlis Arbeits- und Wohnraum gehen ineinander über.

«Wir sind etwas überehrgeizig.»

Angela Vögtli, Spielentwicklerin und Grafikerin

Grund für eine speziell deutsche Version sind die vielen Rückmeldungen aus ihrem nahen Umfeld und an den Spielmessen: «Meine deutschen Freunde finden das Spiel zwar super, sind aber mit vielen Schweizer Persönlichkeiten und aktuellen Ereignissen nicht vertraut.» Das beginnt bereits beim Spieletitel: «Bünzli» ist Schweizer Dialekt und wird in Deutschland nicht verstanden. Das nagt selbstredend am Spielspass.

Spielregeln

Das Spiel besteht aus 150 Fragekarten und 450 Antwortkarten.

So funktioniert es: Jeder Spieler zieht acht Karten vom Stapel. Der Rundenboss zieht eine Karte vom Fragestapel und liest diese laut vor. Nun wählt jeder Spieler aus seiner Hand die lustigste und inkorrekteste Antwort und gibt diese verdeckt dem Rundenboss. Der Rundenboss liest alle erhaltenen Antworten vor und wählt dann seinen Favoriten aus.

Der Gewinner erhält eine Karte als Trophäe für seinen fiesen Satz. Nun füllen alle Spieler ihre Hand wieder auf acht Karten auf – und der bitterböse Spass beginnt von vorne.

Teure Entwicklung

Die 33-jährige Vögtli plant ambitioniert, bereits im Oktober sollen die ersten Exemplare in Deutschland zum Verkauf stehen. Pünktlich auf die grosse Spielemesse in Essen, wo sie einen Messestand gebucht hat: «Wir sind etwas überehrgeizig», sagt sie schmunzelnd. Um das Spiel zu finanzieren, hat Vögtli eine Crowdfunding-Kampagne lanciert, die diesen Montag startet. 20’000 Franken müssen in den nächsten zwei Monaten auf Kickstarter zusammenkommen. Das Spiel hat 600 Karten und ist 1.7 Kilo schwer – das kostet.

Am ersten Tag fliessen bereits über 4000 Franken ins Projekt. Das ist keine Überraschung. Vögtli hat sich schon einen Namen gemacht, ausserdem wächst die Nachfrage: «Brettspiele und Gesellschaftsspiele sind im Trend, sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz gibt es inzwischen eine grosse Community.» Die Messe «SPIEL» in Essen verzeichnete im letzten Jahr 174’000 Besucher.

Ein provokantes Blatt – damit lässt sich spielen.

Ein provokantes Blatt – damit lässt sich spielen.

(Bild: giw)

«Zwanghaftes Masturbieren» und «Schwule Elfen»

Damit die Übersetzung des Spiels in die deutsche Realität gelingt, hat sie sich Verstärkung geholt. Mitte Juni hat sie zusammen mit ihrem Kumpel Jérôme Schwarzkopf die Kampfhummel Spiele GmbH gegründet: «Dadurch muss ich nicht das gesamte finanzielle Risiko alleine tragen und habe jemanden mit im Boot, der bereits mit dem Vertrieb von Spielen in Deutschland vertraut ist .»

Drei deutsche Studenten hätten geholfen, die neuen Spielkarten mit Inhalten zu füllen: «Allein könnte ich das nicht. Ich weiss nicht alles, was den durchschnittlichen Deutschen gerade beschäftigt.» Der gute Geschmack und die «Political Correctness» bleiben auch in der deutschen Version auf der Strecke.

Erste Beispielkarten mit Sätzen wie «Ich stehe auf Pornos mit … und ….», «Bayrische Lederhosen werden jetzt immer aus …-Leder hergestellt» oder «Ich bremse auch für…» treffen auf Füllwörter wie «Zwanghaftes Masturbieren» und «Schwule Elfen» und «Menstruationsblut».

Politisch heikle Themen inklusive

Auch vor politisch heiklen Themen der deutschen Geschichte wird nicht Halt gemacht: «Die Nazi-Vergangenheit wird Platz finden.» Fürchten tut sie sich nicht vor empörten Reaktionen. «Die Provokation gehört dazu, das nehmen wir auf uns.» Mit der Gründung der GmbH ist Vögtli auch besser geschützt: «Das Spiel läuft dadurch nicht nur unter meinem Namen, sollte es zum grossen Shitstorm kommen.» Die Frau ist überzeugt, dass Humor auch mal Moral und Geschmack ausreizen darf.

Angela Vögtli erhielt für ihr Gesellschaftsspiel «Kampf dem Bünzlitum» viel Lob.

Angela Vögtli erhielt für ihr Gesellschaftsspiel «Kampf dem Bünzlitum» viel Lob.

(Bild: giw)

Kaum negative Reaktionen

Auf die Schweizer Version habe es kaum negative Reaktionen gegeben. «Einige beschwerten sich, dass das Spiel total frauenfeindlich sei.» Gegen diesen Vorwurf wehrt sie sich aber deutlich, denn alle würden gleichermassen ihr Fett wegkriegen: «Wir machen uns über alles und alle lustig.» Den grossen Erfolg habe sie definitiv nicht erwartet. «Ich dachte, der Markt sei viel zu klein für ein fieses Partyspiel in der Schweiz. Ich hab das als Experiment ohne Erfolgsaussicht gestartet.»

«In Zukunft möchte ich vermehrt auf die Spielentwicklung setzen.»

Angela Vögtli, Spielentwicklerin und Grafikerin

Mit den Erfahrungen aus der ersten Version geht es nun nach Deutschland. An den Spielregeln selbst ändert sich nichts. Die Expansion führt dazu, dass der Vertrieb aufwendiger und teurer wird: «Zu Beginn versuchen wir es allein, aber früher oder später werden wir uns vermutlich einen Vertriebspartner für Lager und Versand suchen.»

Vögtli ist Inhaberin einer Grafikagentur und wird das vorerst auch bleiben. «In Zukunft möchte ich aber vermehrt auf die Spielentwicklung setzen.» Sie hat mit einer Kollegin noch andere Spielkonzepte im Köcher. Dass es ein Kinderspiel wird, darf man bezweifeln.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Daniel Huber
    Daniel Huber, 18.07.2017, 18:38 Uhr

    Hauptsache provozieren, dann verkauft sich auch ein Kartenspiel. Nur, was ich nicht verstehe: Finanzieren lässt man sich die Entwicklung über Crowdfounding, mit dem sich unter dem Strich die Kosten für die GmbH-Gründung reinspielen lassen. Doch wozu noch der Partner und die Aussage, dass man damit nicht das gesamte finanzielle Risiko alleine tragen müsse? Das haben ja die Crowdfounder übernommen.

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    • Profilfoto von pixelqueen
      pixelqueen, 19.07.2017, 10:53 Uhr

      Das tolle an Crowdfunding ist ja, dass man nur jene Projekte unterstützt, die man mag. Wer nicht auf derben Humor steht, lässt die Finger davon.

      Dann zum Risiko: Die Kosten für die Firmengründung, Salär für Schreiberlinge, Print von Protoypen, Videoproduktion, usw. fallen natürlich auch an, wenn die Kickstarter-Kampagne nicht erfolgreich sein sollte, und stellen somit ein finanzielles Risiko dar. Aber das ist, wie im Artikel erwähnt, natürlich nicht der einzige Grund, warum mein Partner Jérôme involviert ist. Er hat Erfahrung im Vertrieb von Spielen in Deutschland und – nicht minder wichtig – ist schlicht ein guter Freund.

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