Zuger Gründer des «Monthly Assault» im Interview

Brutal Death Metal oder: «Grunz, Grochs und Braaaaah!»

«Benighted» heizen dem Publikum der Industrie 45 am letzten Monthly Assault ein.

(Bild: Streit.Macht.Fotografie)

Seit bald fünf Jahren veranstaltet das Label «Monthly Assault» spezielle Metal-Konzerte in der Zuger Industrie 45. Wo Zug dabei im Bereich von «Bonzending zwischen Luzern und Zürich» und «capital of brutality» steht und was es mit Bärten, Bier und Bandshirts auf sich hat, verrät uns der Steinhauser Fabio Rainer.

Rund acht Mal im Jahr wird Zug zum Mekka für «Brutal Death Metal»-Fans. Gerade gegenüber den zahlreich sichtbaren Anzugträgern ist dies ein starker Kontrast. Verantwortlich dafür ist in erster Linie der 23-jährige Student Fabio Rainer. Unter dem Label «Monthly Assault» veranstaltet der Steinhauser seit einigen Jahren mehrere Shows im Jahr: Als Location dient jeweils das Konzerthaus Industrie 45. Bei Kaffee statt Bier gibt es eine Nachhilfestunde in Sachen Metal.

zentralplus: Wie bist du selbst zu dieser Musik und in die Szene gekommen?

Das «Monthly Assault»

Hinter dem Label stehen der Organisator Fabio Rainer sowie etwa 14 Helfer. Erste Anfragen, Promo, Dienst, Kasse: Alles wird selber gemacht. Das Resultat ist eine Konzertserie mit acht Shows im Jahr im Bereich des extremen, harten Metal. In der Regel spielen an einem Anlass vier bis acht Bands aus der Schweiz, Europa, aber auch von viel weiter her.

Mehr Impressionen gibt es hier.

Fabio Rainer: Das hat bei mir so mit 14 Jahren angefangen, mit einer Richtung namens «Pagan Metal». Diese hat vor allem keltische Einflüsse. Ich habe aber bald gemerkt, dass ich lieber keine «clean vocals», also reinen Gesang mag. Mit 18 habe ich angefangen, an «Death Metal»-Konzerte zu gehen. Als ich dann mit einer Kollegin als Maturaarbeit ein zweitägiges Festival organisiert habe, entschied ich mich relativ bald, auch selber Konzerte veranstalten zu wollen.

zentralplus: Auch mit dem Ziel, Metal in Zug bekannter zu machen? Oder gab es damals schon eine grössere Szene?

Rainer: Eine Szene in Zug gab es überhaupt nicht, aber die gibt es, würde ich behaupten, auch heute noch nicht. Gerade mal ein paar Kollegen von mir kannten damals diese Musik. Darum war die Absicht dahinter, extremen, harten Metal nach Zug zu bringen. Und etwas Leben in die Stadt: Das Zuger Kulturleben war salopp gesagt am Arsch.

«Auf der Facebook-Page eines Kollegen habe ich letztens die Bezeichnung ‹capital of brutality› gelesen, das hat mich schon gefreut.»

Fabio Rainer, Gründer «Monthly Assault»

zentralplus: Du hast «extremen und harten Metal» erwähnt – was muss man sich darunter vorstellen?

Rainer: Es gibt unter dem Begriff Metal zig verschiedene Strömungen. Um es vielleicht so zu erklären: Der Mainstream im Metal sind bekannte Bands wie Slayer oder Metallica. Dann gibt es den «Death Metal», bei denen Gitarren und Stimmen sehr tief und das Schlagzeug sehr laut ist. Und dann den «Brutal Death Metal»: Zusätzlich gibt es hier keine wirklichen Lyrics mehr, die Stimme ist mehr so ein zusätzliches Rhythmusinstrument. Oder halt kein Gesang, sondern «Gegrunze», wenn man so will (lacht).

Neugierig, wie das klingt? In etwa so:

zentralplus: Kommen die Besucher deiner Shows eher aus dem Rest der Schweiz?

Rainer: Definitiv. Ein grosser Teil der «Brutal Death Metal»-Szene trifft sich regelmässig an den Monthly Assaults, weil nicht viele andere Labels Konzerte in dieser Musikrichtung veranstalten. Zuger sind darunter aber eher wenige. Als Location wird Zug schon noch belächelt und eher so als «Bonzending zwischen Luzern und Zürich» gesehen. Auf der Facebook-Page eines Kollegen habe ich aber letztens die Bezeichnung «capital of brutality» gelesen, das hat mich schon gefreut. Mittlerweile sind wir hier in Zug auch international super vernetzt.

zentralplus: Wenn wir gerade bei Brutalität sind: Gibt es nicht auch Metal-Konzerte, an denen sich Besucher gegenseitig verprügeln?

Rainer: Heikles Terrain. Aber ja, so etwas in der Art gibt es tatsächlich an Veranstaltungen, wo es in Richtung Deathcore, Hardcore oder Beatdown geht. Da gibt es zum einen das «violent dancig», das gewalttätige Tanzen. Man bewegt sich dort mit Schwung, schleudert Arme und Beine umher, macht aber auch artistische Einlagen wie Saltos. Da kann man schon mal ein Körperteil eines anderen Konzertgängers ins Gesicht bekommen.

zentralplus: Und zum anderen?

Rainer: In diesem Fall, beim Beatdown, stehen die Zuschauer oft konzerttypisch im Halbkreis vor der Bühne. Reihenweise geht man dann herum und verpasst dem einen oder anderen einen Schlag. Oder der Sänger wirft einfach mal den Mikrofonständer mit voller Wucht ins Publikum. Persönlich kann ich mit diesen beiden Formen aber überhaupt nichts anfangen, und auch unsere Szene hat damit praktisch nichts zu tun.

zentralplus: Plaudern wir doch mal etwas über Klischees, von denen es über die Metalheads ja nicht wenige gibt. Welche stimmen und welche nerven einfach nur? Rainer: Die da wären? (lacht)

Der Steinhauser Fabio Rainer schaut am «Monthly Assault» im Publikum nach dem Rechten.

Der Steinhauser Fabio Rainer schaut am «Monthly Assault» im Publikum nach dem Rechten.

(Bild: Fabio Rainer)

zentralplus: Männer mit langen Haaren und Bart, etwas unhygienisch, dauerbesoffen, aggressiv und immer nur in komischen Bandshirts gekleidet. Oder total in Schwarz, so wie du jetzt gerade.

Rainer: Verdammt, erwischt. Aber ernsthaft: Die Hälfte davon stimmt wahrscheinlich schon. Schwarz und Bandshirts dominieren bestimmt, aber es wird niemand aufgehängt, der in einem gelben T-Shirt erscheint – zumindest nicht bei uns. Die Musik ist definitiv auch aggressiv, aber nicht die Leute! Gerade wenn man bedenkt, wie viel Band und Publikum an einem Abend trinken, laufen die Shows total friedlich ab. Wir haben schon mit gut 260 Nasen ohne Security völlig friedlich gefeiert. Da gibt es in «normalen» Clubs jedes Wochenende mehr Radau.

«Eine normal oder eben für den Ausgang gestylte Frau wird schon bewundert.»

Fabio Rainer

zentralplus: Nervt dich keines dieser Vorurteile?

Rainer: Nicht wirklich, ich amüsiere mich mehr darüber und bin auch ziemlich ehrlich. Ausserdem steckt hinter dem Menschen mehr als nur die Zugehörigkeit zur Musikszene. Nur so als Kontrast: Ich studiere Religionswissenschaft, spiele klassisches Klavier und bin Vegetarier. Nicht gerade das wandelnde Klischee, oder?

zentralplus: Vermutlich nicht. Bleiben wir aber noch einen Moment bei Stereotypen: Wie sieht es so gendertechnisch aus? Ist «Brutal Death Metal» eine Männerdomäne?

Rainer: Ja, ganz klar. Der Frauenanteil an den Shows und in der Szene liegt bei 20 bis 25 Prozent; oft sind es auch die Freundinnen der Männer.

zentralplus: Ich hab bei der Vorbereitung öfters gelesen, die Szene sei mitunter sexistisch. Aufgetakelte Frauen seien die Anhängsel, solche mit Bandshirts und Stiefeln voll in der Szene dabei, aber die würden mehr als Männer angesehen. Stimmt was davon?

Rainer: Ganz ehrlich, ich habe es bisher eher vermieden, die Szene zu analysieren. Ein Grundsexismus ist vermutlich schon vorhanden. Eine normal oder eben für den Ausgang gestylte Frau wird schon bewundert, aber es geht dann nicht so weit, dass – wie bei gewissen anderen Idioten verbreitet – gepfiffen wird oder ständig anzügliche Bemerkungen gemacht werden. Aber Aufmerksamkeit gibt es durchaus, auch, weil wie gesagt tendenziell wenig Frauen bei Shows sind. Trägt eine Frau Bandshirts, wird sie vermutlich schon als etwas weniger weiblich wahrgenommen, aber die Frage ist hier, inwieweit die Beteiligten das stört.

Impression vom «Santa Slam» des letzten Jahres, zu sehen ist die Band «Crepitation.»

Impression vom «Santa Slam» des letzten Jahres, zu sehen ist die Band «Crepitation».

(Bild: Streit.Macht.Fotografie)

zentralplus: Apropos Bandshirts beziehungsweise Bandlogos – hier scheint die Devise zu gelten: Je schlechter lesbar, desto besser. Ist das ein Weg, die nicht unbedingt mehrheitstauglichen Bandnamen doch noch etwas zu verschleiern?

Rainer: Überhaupt nicht. Das ist das Kunsthandwerk der Szene, ein Symbolsystem. Für Insider sind die Namen nicht provozierend, sondern gehören dazu. Ein Logo ist einerseits das «Brand», die Marke einer Band, andererseits sollen Schriftzüge und Bilder abgrenzen und die Subkultur definieren. Mit Verschleiern hat das nichts zu tun: Auf Bildern zu den Logos sind ungeschönt Leichen, Nacktheit und andere leicht verstörende Elemente drauf. Deswegen bist du aber kein Killer oder stehst auf Nekrophilie! Zumindest nicht, dass ich wüsste (lacht).
 
zentralplus: Zum Schluss: Wann könnten Interessierte das nächste Mal den Selbstversuch wagen?

Rainer: Das nächste «Monthly Assault» findet am 12. Mai in der Industrie 45 statt. Wer’s langsam angehen will: Nach der Show spielt unser Tontechniker meist noch etwas 90-Jahre-Sound für die Afterparty.
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