Ein Luzerner Hansdampf auf allen Bühnen

Walter Sigi Arnold – verwurzelt im immer Neuen

Walter Sigi Arnold – aus der Zentralschweizer Theaterszene nicht wegzudenken.

(Bild: jav)

Als grosser Netzwerker und Urgestein der Freien Luzerner Theaterszene ist Walter Sigi Arnold bekannt. zentralplus verriet er, dass er auch ein leidenschaftlicher «Geher» ist und nur aus purem Zufall Schauspieler wurde.

Mit Theater hatte Walter Sigi Arnold erst mal so rein gar nichts am Hut. Als Jüngster von sechs Geschwistern auf dem Bauernhof «Sigibühl» in Altdorf – woher auch der Name «Sigi» kommt – war bereits seine Ausbildung zum Lehrer exotisch. Vom «Zigeunerberuf» Schauspieler noch ganz zu schweigen.

Als er nach nur einem Jahr als Lehrer entschied, dass das nicht sein Weg sein würde, stand ein Mathematikstudium hoch im Kurs. «‹Du könntest doch auch etwas mit Theater machen›, hat schliesslich ein Kollege gesagt, nachdem ich als Tafelmajor an der Hochzeit meiner Schwester gewaltet hatte», sagt Arnold lachend. Ein einziges Vorsprechen an der Schauspielschule in Bern wies ihm dann den Weg. Arnold wurde Schauspieler – ohne wirklich eine grosse Ahnung davon zu haben, worauf er sich einliess.

Ohne grosse Träume oder Ambitionen

«Ich bin nüchtern, aber neugierig an die Ausbildung rangegangen. Meine Lust am Theater wuchs erst während der Ausbildung und mit den Jahren. Und sie wächst noch immer.» Besonders an den vielfältigen Geschichten und den Stoffen kann sich Arnold begeistern.

Heute arbeitet der 58-Jährige als Schauspieler, Sprecher und Regisseur von Luzern aus, wo wir uns im Lokal «Parterre» in der Neustadt treffen.

Wenn jemand seit Jahrzehnten konstant erfolgreich als Schauspieler in der Freien Szene der Zentralschweiz unterwegs ist, dann Sigi Arnold. Nach der Ausbildung verbrachte er sechs Jahre an verschiedenen Häusern in Deutschland, ab 1990 spielte er regelmässig auch am Luzerner Theater, ohne jedoch zum festen Ensemble zu gehören. Rund zehn Jahre war er mehrere Monate pro Jahr am Luzerner Theater und an deutschen Festspielen engagiert.

Walter Sigi Arnold (zweiter von links) in «Biedermanns umgezogen» am Luzerner Theater.

Walter Sigi Arnold (zweiter von links) in «Biedermanns umgezogen» am Luzerner Theater.

(Bild: zvg)

Ein, zwei, drei Projekte

Mit den Jahren sind die monatelangen Engagements an festen Theatern weniger geworden, auch das Fernsehen hat Arnold hinter sich. Seine Engagements führen ihn in Kleintheater, an Stadttheater, auf grosse Freilicht- und kleine Lesebühnen, auch bei einem Home-Delivery-Leseservice ist er mit dabei. Ständig laufen mehrere Projekte gleichzeitig. Dank einem riesigen Netzwerk ist das möglich. Dieses hat sich Arnold über die Jahre hinweg aufgebaut – bei der Arbeit mit immer neuen Leuten und dem Touren durch die ganze Schweiz. Heute werden so ständig neue Projekte und Angebote an ihn herangetragen.

«Ich kann es gut aushalten, nicht zu wissen, was kommt.»

Teils sei er schon bis 2019 verplant, teils kommen auch kurzfristig Anfragen, zum Beispiel von Tonstudios, dazu. Ein guter Organisator ist Arnold auf jeden Fall – und das ganz ohne Handy. «Diesen Luxus leiste ich mir», betont er. «Es bedeutet Lebensqualität für mich.»

Zum Teil sei es sicher Glück, dass er immer wieder angefragt werde, aber auch seine Art, zu arbeiten, sei ein Grund. «Ich bin immer ehrlich. Wenn ich mal das Gefühl habe, es passt nicht und ein Thema packt mich nicht, dann sage ich das auch.»

So liest man ohne «Stürchler»

Nicht nur auf der Bühne, auch in Tonstudios ist Arnold anzutreffen: «Ich spreche Kommentare für Dokumentarfilme ein, für Museen, mache Hörspiele für DRS1, ein Projekt über Urner Sagen oder nehme auch regelmässig für die Blindenbücherei auf.» Bei Letzterem sei alles Mögliche mit dabei, Romane, Abstimmungsvorlagen, auch schon mal ein Buch über 120 Käsesorten. «Ich habe jeden einzelnen Käse mit Tabelle vorgelesen: mit Reifezeit, Fettgehalt und so weiter – die Blindenbücherei ist definitiv ein spannender Job und super für die Allgemeinbildung», so Arnold schmunzelnd.

Besonders gerne mache er aber Hörspiele: «Das ist eine wunderschöne Arbeit.» Da könne er auch mal wieder von seinem «Bahnhof-Buffet-Olten-Dialekt» auf Urner Dialekt umschalten. Denn auf der Bühne dominiert vor allem das Hochdeutsche.

«Ich mag es, mich immer mehr in einen Stoff reinzuknien.»

Lesen sei überhaupt viel Arbeit, das werde oft unterschätzt, betont Arnold. «Man muss viel Zeit investieren, damit ein Text flüssig, ohne Stocken und Stürcheln, über die Bühne geht. Ich brauche genaue Bilder, die ich wie ein Film ablaufen lassen kann. Man muss exakt wissen, wovon man erzählt, und diese Bilder an die Zuhörer weitergeben können.» Das Vorlesen gewinne er seit Jahren immer lieber. «Wir werden täglich in immer schnellerem Tempo mit Tausenden Bildern zugemüllt. Bei einer Lesung aber kann man in kleinem Rahmen seine ganz eigenen Bilder im eigenen Tempo entstehen lassen. Ich glaube, das lernen die Leute wieder mehr schätzen.»

Lesungen und Tonaufnahmen sind ein weiteres Standbein des Schauspielers.

Lesungen und Tonaufnahmen sind ein weiteres Standbein des Schauspielers.

(Bild: zvg)

Richtig reinknien macht Freude

Gerade probt Arnold vor allem für die Freilichtproduktion «Die Vögel» diesen Sommer auf Tribschen, in welcher er die Hauptrolle spielt, und beschäftigt sich bereits schon mit einem Musiktheaterprojekt, welches am Lucerne Festival als Schweizer Erstaufführung gezeigt wird (siehe Box).

Besonders für Letzteres sei eine gute Vorbereitung wichtig, da es mit den Musikern zusammen nur eine kurze Probezeit geben werde. «Es sind komplizierte Texte, aber eben auch ein toller Stoff mit Substanz», schwärmt Arnold. «Ich mag es, mich während der Arbeit immer mehr in einen Stoff reinzuknien und mich in ihn zu vertiefen.»

Grosse Projekte stehen an

«Stadt der Vögel» heisst die Komödie aus der Feder von Gisela Widmer, inszeniert von Annette Windlin, welche diesen Sommer auf Tribschen aufgeführt wird. Walter Sigi Arnold spielt darin zusammen mit 40 Laiendarstellern. Die Premiere findet am 13. Juni statt. Es werden insgesamt 27 Vorstellungen unter freiem Himmel aufgeführt.

Am 13. August folgt eine Schweizer Erstaufführung von «The Book of Disquiet» im Luzerner Theater, in welcher Walter Sigi Arnold alleine als Schauspieler mit dem Ensemble der Lucerne Festival Alumni auf der Bühne stehen wird. Die Produktion wird vom «Composer in residence» Michel van der Aa als multimediales Musiktheater umgesetzt, in welcher er die Theaterrealität filmisch vervielfältigt. 

 

Luzern vernetzt sich

Arnold ist ein Insider, aber trotzdem an kein Haus oder Ensemble fest gebunden – nur an Luzern. Und mit seiner Lebenspartnerin, der Geigerin Christa Zahner, ist er mittlerweile seit 25 Jahren zusammen.

Ungefähr so lange, wie er sich in der Freien Szene als Schauspieler bewegt. Grosse Veränderungen habe er in dieser Zeit in Luzern nicht wirklich wahrgenommen. «Klar, es gibt mehr Möglichkeiten: mehr Orte und Veranstaltungen. Aber nach wie vor ist die feste Freie Szene relativ klein.» Bei den Jüngeren nimmt Arnold aber langsam eine verstärkte Zusammenarbeit wahr. «Patric Gehrig und sein Umfeld zum Beispiel, die sind dabei, etwas aufzubauen.» Dieses Bestreben nach Vernetzung und Öffnung komme auch vom Luzerner Theater unter der neuen Intendanz. «Ich spüre, dass es dort in die verschiedensten Richtungen zu funktionieren beginnt.»

Es wäre viel mehr möglich, ist Arnold überzeugt, aber das hängt immer auch von den Projekten ab. «Jemand muss die grossen Kisten anreissen.»

Bald ist er auf Tribschen an den Luzerner Freilichtspielen zu sehen.

Bald ist er auf Tribschen an den Luzerner Freilichtspielen zu sehen.

(Bild: zvg)

Laufen und «Trölen»

«Texte lerne ich beim Laufen. Und wann immer es geht, draussen.» Mindestens eine Stunde pro Tag findet man Arnold gehend – irgendwo am See oder auf einem Hügel. «Viele Texte verbinde ich so auch mit Orten.»

«Ich konnte noch nie eine Produktion wegen dem Stutz nicht machen.»

Doch nicht nur beim Lernen ist Arnold auf den Beinen: «Im Moment laufe ich den gesamten Rhein von der Quelle am Oberalppass bis nach Rotterdam.» Zwei Drittel habe er schon hinter sich gebracht, ein Projekt für Jahre. Sobald er wieder einige Tage Zeit findet, wird er mit dem Zug nach Koblenz fahren und die nächste Etappe in Angriff nehmen. Rund 40 Kilometer geht er dabei pro Tag, läuft von kleinsten Dörfern nahe der Quelle durch weite Landschaften, durch Industrie und am Schluss durch Megastädte. Keine Fotos, keine Notizen macht Arnold dabei: «Nur Sinnieren. Ich versuche manchmal etwas Schlaues zu denken, aber eigentlich ist es mehr eine Nullzeit für den Kopf, in welcher Ideen ‹vor sich hintrölen› können.»

Die «Ürner» Gelassenheit

Sorgen als Schauspieler ohne festes Engagement habe er kaum je gehabt. «Ich kann es gut aushalten, nicht zu wissen, was kommt.» Ihm falle sonst schon etwas ein, das er auf die Beine stellen könnte. Bisher habe er auch die Gelder immer irgendwie zusammengebracht. «Ich konnte noch nie eine Produktion wegen dem Stutz nicht machen.» Oft habe er einfach gemacht und dann währenddessen geschaut, ob noch was reinkomme. «Ich glaube, diese Ruhe habe ich von zu Hause.» Die Kindheit auf dem Bauernhof in den Urner Bergen habe ihm wohl die nötige Erdung und Gelassenheit dafür verpasst. «Und das Verwurzelte.»

Was sich scheinbar nicht mit seiner Neugier beisst: «Ich lasse mich immer wieder gerne für völlig Neues begeistern, lasse mich gerne an neue Stoffe heranführen, von neuen Menschen.» Die Vielfältigkeit sei mitunter das Schönste an diesem Job. «Ich kann glücklicherweise sehr gut zwischen verschiedenen Programmen, Proben und Themen switchen. Das hilft.»

Braucht man bei dem ständigen Wechseln zwischen neuen Orten und Menschen ein Ritual? «Eigentlich nicht», findet Arnold. «Aber oft drehe ich vor der Vorstellung noch eine Kurve im Quartier.» Ein bisschen laufen eben – ein bisschen «trölen».

(Bild: Freilicht Luzern)

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