Kunstmuseum Luzern: Zwei Vernissagen auf einmal

Kunst mit der Kettensäge und Malerei zum Thema Alltag

Die Holz-Kakteen von Claudia Comte.

(Bild: Gunnar Meier)

Donuts aus Marmor oder ein leuchtender Giacometti? Am Freitag lud das Kunstmuseum zur Vernissage von zwei unterschiedlichen Ausstellungen: raumfüllende Skulpturen von Claudia Comte und Bilder aus der Sammlung zum Thema Alltag.

Die 34-jährige Claudia Comte ist Bildhauerin, Konzept- und Installationskünstlerin und ja, auch Waldarbeiterin. Aber dazu später. Die gebürtige Waadtländerin, die mittlerweile in Berlin lebt, hat schon an einer beeindruckenden Anzahl von Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland teilgenommen und gehört zu den Stars in der jungen Kunstszene.

Für ihre erste museale Einzelausstellung füllt sie nun im Kunstmuseum Luzern unter dem Titel «10 Rooms, 40 Walls, 1059 mgleich zehn Räume mit ihren Skulpturen. Entstanden sind viele Objekte aus Holz und Marmor, doch einige sind auch, sozusagen frisch ab Presse, dem 3D-Drucker entsprungen. Auch Industrieprodukte aus der Aeronautik, angeordnet gleich Insekten oder Masken in einem Natur- oder Völkerkundemuseum, sind zu sehen.

Die ausgestellten Objekte korrespondieren jeweils mit den gross angelegten Wandmalereien: Die meist weichen und organischen Formen erzeugen vor dem Hintergrund der strengen Linien und Raster beim Betrachter einen optischen Widerspruch. Aber auch die von Comics und Popart inspirierten Wandzeichnungen lockern die strengen Linien auf und verleihen Leichtigkeit. Die Kuratorin Fanni Fetzer betont während der Führung solche verbindenden Gestaltungselemente, die sich durch die ganze Ausstellung ziehen und damit eine Einheit herstellen würden.

Aussergewöhnliche Werke sind im Kunstmuseum zu sehen.

Aussergewöhnliche Werke sind im Kunstmuseum zu sehen.

(Bild: Gunnar Meier)

Kakteen aus Holz und Donuts aus Stein

Zu sehen sind raumhohe glatt  geschliffene Kakteen aus Holz oder grosse, polierte Donuts aus Marmor. Und wie eingangs erwähnt, scheut sich die Künstlerin nicht vor körperlicher Schwerarbeit. Das Holz für ihre Skulpturen hat sie in den Wäldern im Jura nämlich eigenhändig mit der Kettensäge in die gewünschten Formen geschnitten. Im ersten Raum dürfen sich die Besucher gar auf die riesigen so entstandenen Holzschaukeln setzen und durch die Luft schwingen.

Sowohl in Bezug auf die Arbeitstechniken als auch auf die verwendeten Materialien beweist Comte künstlerische Vielseitigkeit. Sie malt und schleift, sägt, fräst und druckt. So hat sie die Druckstöcke ebenfalls mit der Kettensäge angefertigt, daraus entstanden ist eine Serie Bilder mit farbigen, gross angelegten Gitternetzen auf schwarzem Hintergrund. Ihr Interesse gilt dabei insbesondere Farbkombinationen und Farbverläufen oder wie bei einigen Bildern auch bloss dem Akt des Farbauftrags.

«Cocktail Paintings» beispielsweise nennt sie die schmalen mehrteiligen Arbeiten mit den verschiedenfarbigen Farbverläufen. Was Claudia Comte sicher nicht ist: eine Kunstmalerin im traditionellen Sinn. Ob das Kunst ist? Wie so oft bei zeitgenössischer Kunst werden sich darüber vermutlich einmal mehr die Geister scheiden. Zu einem abschliessenden Urteil wird es in dieser Frage auch bei dieser Schau nicht kommen. Eines aber ist klar: Diese Künstlerin strotzt vor Ideen und Tatkraft.

Hinweis: Die Ausstellung «10 Rooms, 40 Walls, 1059 m2» dauert bis am 18. Juni. Im Rahmen der Ausstellungen sind verschiedene Veranstaltungen und Führungen geplant. Diesen Samstag, 4. März, und am 3. Mai ist die Künstlerin anwesend.

Für Freunde der Malerei

Die zweite Ausstellung, die am Freitagabend unter dem Titel «von früh bis spät Bilder des Alltags aus der Sammlung» eröffnet wurde, widmet sich dem Thema Alltag. Quer durch verschiedene Stilepochen zeigt die Schau mit wenigen Ausnahmen Bilder aus der Sammlung und dem 19. und 20. Jahrhundert.

Der Sammlungskonservator und Kurator Heinz Stahlhut führt durch die Räume, welche verschiedene Aspekte zum Thema beleuchten: die Arbeit, alltägliche Dinge des Lebens oder den städtischen Alltag. Ein paar wenige Beispiele gefällig? Von den älteren Schweizer Künstlern werden etwa das dem Realismus verpflichtete Gemälde «Die Uhrmacherwerkstatt in Madrid» von Hodler, ein weiblicher Akt von Vallotton oder ein schon fast abstrakt dargestelltes Bücherregal von Augusto sowie ein leuchtendes Meisterwerk von  Giovanni Giacometti gezeigt.

Die jüngere Generation ist unter anderen mit dynamischen Bleistiftzeichnungen der Luzernerin Irène Wydler, Fotografien und Videokunst von Beat Streuli oder einem Objet trouvé von Daniel Spörri vertreten. Im Verlauf der bis in den Winter dauernden Ausstellung werden Bilder jeweils unter dem Zeichen eines neuen Aspekts ausgewechselt.

Ferdinand Hodler (1853–1918), Die Uhrmacherwerkstätte in Madrid, 1879 Öl auf Leinwand, 82 x 93 cm. Eigentum der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Gottfried Keller- Stiftung, Bern

Ferdinand Hodler (1853–1918), Die Uhrmacherwerkstätte in Madrid, 1879 Öl auf Leinwand, 82 × 93 cm. Eigentum der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Gottfried-Keller-Stiftung, Bern

Auch Eichen des Meisters Robert Zünd

Natürlich wird dann das Bild «Jäger in Eichwaldlichtung» des Luzerner Meisters der Bäume und Wälder Robert Zünd nicht fehlen, wenn die Jagd zum Thema des Alltags gemacht wird. Zu den Schweizer Künstler gesellen sich aber auch grossartige, internationale Künstler. So etwa ein naturalistisches Werk des Belgiers Constantin Meunier (1831–1905) mit dem Titel «Der Glasbläser», ein im expressionistischen, kräftigen Duktus hingeworfenes von Max Pechstein mit dem Titel «Einholen des Bootes» oder ein im Neoexpressionismus gestaltetes Bild «Auf der Strasse» des Deutschen Werner Büttner (*1954).

Zu den Trouvaillen gehört zweifellos auch der expressionistische und, wie Stahlhut erläutert, auch unter dem Einfluss der Neuen Sachlichkeit entstandene «Samstagnachnachmittags-Spaziergang» von Paul Camenisch (1893–1970): Dies ist eines von zwei Bildern, welche die (private) Sammlung Anliker speziell für diese Ausstellung zur Verfügung stellt. Auch für die meisten Besucher wahrscheinlich unbekannte Werke können entdeckt werden: interessant unter anderem beispielsweise die undatierten Federzeichnungen von Clara Reinhard (1777–1848), der Tochter des Luzerner Trachten- und Porträtmalers Josef Reinhard. Zu dieser Zeit waren malende Frauen ja immer noch eine Seltenheit.  

Max Pechstein (1881–1955), Einholen des Bootes, 1925 Öl auf Leinwand, 81 x 100.5 cm. Kunstmuseum Luzern.

Max Pechstein (1881–1955), Einholen des Bootes, 1925 Öl auf Leinwand, 81 × 100,5 cm. Kunstmuseum Luzern.

Auch wenn im Vergleich mit anderen Schweizer Kunsthäusern die Sammlung in Luzern sicher bescheiden ausfällt, gibt es vieles zu entdecken und es befinden sich sogar nicht wenige Meisterwerke darunter. Um die zu sehen, lohnt sich ein Besuch allemal!  

Hinweis: Die Ausstellung «von früh bis spät Bilder des Alltags aus der Sammlung» dauert bis am 26. November. Daten für die öffentlichen Führungen durch die Ausstellung sind auf der Webseite des Kunsmuseums Luzern einzusehen.

Weitere Impressionen sehen Sie in unserer Bildergalerie:

 

Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon