15 Jahre Festival Pink Panorama in Luzern

«Für die queere Community ist Trumps Wahl katastrophal»

Christina Niederer, Mitbegründerin von Pink Panorama, in der Ausstellung in der Kunsthalle.  (Bild: jwy)

Dass es das lesbischwule Filmfestival Pink Panorama gibt, ist gar nicht selbstverständlich für ein Nest wie Luzern. Wir wollten von der Gründerin wissen: Wer schaut sich denn die «queeren» Filme an? Und wie schwer hat es ihre Community in einer Welt, die Menschen wie Donald Trump wählt?

Beharrlichkeit zahlt sich aus: Seit 15 Jahren gibt es in Luzern das Filmfestival Pink Panorama. Es widmet sich lesbischen, schwulen, bisexuellen und transsexuellen Themen in Filmen. Jedes Jahr wurde der Anlass etwas bekannter, als Höhepunkt kriegt er nun einen Werkbeitrag über 15’000 Franken vom Kanton Luzern (Preisübergabe ist am 11. November in Hochdorf).

Das Festival richtet sich an alle offenen Geister, aber im Speziellen an Schwule, Lesben, Bi- und Transmenschen. «Das Festival ist ein Ort, wo die Wünsche nach Anerkennung, Offenheit, Sicherheit, Freiheit und Schutz manifest werden. Wo die Unterschiede, die sonst zählen, nicht relevant sind», heisst es im diesjährigen Grusswort.

Dieses Jahr gibt es nicht nur Filme, sondern auch eine Ausstellung. Verschiedene Künstlerinnen und Künstler thematisieren das Festivalthema «vis-à-vis» auf ihre Art. Die Werke sind einen Stock über dem Stattkino in der Kunsthalle ausgestellt (siehe Box am Ende des Artikels).

Die freischaffende Grafikerin und Fotografin Christina Niederer ist seit Beginn mit dabei. Sie hat das Festival zusammen mit Peter Leimgruber vom Stattkino und Marco Lehre mitbegründet.

Christina Niederer, Mitbegründerin von Pink Panorama, in der kommenden Ausstellung in der Kunsthalle.  (Bild: jwy)

Christina Niederer, Mitbegründerin von Pink Panorama, in der kommenden Ausstellung in der Kunsthalle.  (Bild: jwy)

zentralplus: Wie wichtig ist es, dass ein solches Festival lesbische und schwule Themen öffentlich thematisiert?

Christina Niederer: Seit diesem Mittwochmorgen wieder x-fach wichtiger. Seit diesem unfassbaren Wahlresultat aus den USA. Gerade für die queere Community ist die Wahl von Donald Trump katastrophal. Er hat ja in einem Interview angekündigt, dass er nur Richter ernennen wird, die den Schwulen und Lesben das Eherecht wieder entziehen würden.

zentralplus: Da sind wir schon mitten in der Politik. Sie sprechen das Gesetz an, wonach in den USA seit 2015 Schwule und Lesben landesweit heiraten dürfen.

Niederer: Man muss befürchten, dass dieses Gesetz wieder aufgehoben wird. Das ist ein Rückschlag für alles Erreichte. Und das in einer Zeit, in der man vorwärtsschauen müsste. Darum sind lesbisch-schwule, trans-queere Festivals unglaublich wichtig, auch um Zeichen zu setzen nach aussen.

zentralplus: Kommen vor allem Leute aus der Community ans Festival – oder auch Heterosexuelle?

Niederer: Es ist zu einem Treffpunkt geworden und man kennt einander. Für uns wäre es wichtig, ein offenes Festival zu sein, an das alle Leute kommen. Das haben wir noch nicht ganz erreicht.

zentralplus: Es ist ja nicht selbstverständlich, dass es ein solches Festival überhaupt gibt in einem katholischen Nest wie Luzern.

Niederer: Ich glaube nicht, dass dies heute noch so provokativ ist.

(Peter Leimgruber setzt sich dazu, Leiter des Stattkinos und ebenfalls Festival-Mitbegründer.)

zentralplus: Was sind die augenfälligsten Veränderungen der letzten 15 Jahre?

Niederer: Das Festival ist bekannter geworden. Und es arbeiten inzwischen viel mehr Leute im OK. Aber vom Programm her ist das Festival ähnlich geblieben. Für uns muss es überblickbar bleiben, grösser werden ist nicht das Ziel.

Im Film «Grandma» von Pete Weit (USA, 2016) klappert die exzentrische Dichterin Elle (Lily Tomlin) mit ihrer Enkelin Sage sämtliche alte Freunde und Ex-Liebschaften ab.

Im Film «Grandma» von Pete Weit (USA, 2016) klappert die exzentrische Dichterin Elle (Lily Tomlin) mit ihrer Enkelin Sage sämtliche alte Freunde und Ex-Liebschaften ab.

(Bild: zvg)

zentralplus: Fünf Filme stammen dieses Jahr aus den USA, die das «queere Leben von der freundlichen, ja fröhlichen Seite zeigen», schreiben Sie. Sind die USA trotz Trump Vorbild?

Niederer: Es gibt natürlich ein Riesenangebot aus den USA. Bei den Schwulen-Filmen haben wir eine grandios grosse Auswahl, bei den Lesben-Filmen ist es schwieriger, wir müssen viel weiter suchen, es gibt gesamthaft halt weniger Filme mit lesbischem Inhalt. Wir wollen Filme zeigen, die wir gut finden, auch wenn sie vielleicht nicht das grosse Publikum anziehen.

zentralplus: Wie wählen Sie die Filme aus?

Niederer: Wir müssen immer schauen, dass es einen Ausgleich aus anspruchsvolleren und leichteren Filmen gibt. Das hat sich verändert in den 15 Jahren. Wir haben angefangen mit zum Teil eher schwierigen Filmen. Wir wollen ja aufzeigen, wie es auf dieser Welt aussieht, und auch Filme zu Menschenrechtsthemen zeigen (siehe Box). Aber leider haben wir den Saal bei diesen Filmen nicht voll. Es gäbe wahnsinnig viele exzellente und spannende Filme, die aber nur wenige Leute anziehen. Ich persönlich finde es schade, dass wir nicht noch mehr Nischenfilme zeigen können. Ich wünschte mir ein zweites kleines Kino für 20 Leute, wo man Filme wagen können, die noch provokativer und mutiger sind.

Peter Leimgruber, der Geschäftsleiter des Stattkinos, wird mit dem Anerkennungspreis der Stadt Luzern für sein kulturelles Schaffen geehrt.

Peter Leimgruber, der Geschäftsleiter des Stattkinos, wird mit dem Anerkennungspreis der Stadt Luzern für sein kulturelles Schaffen geehrt.

(Bild: pbu)

zentralplus: Ist Luzern zu klein für diese Nische?

Niederer: Ja, irgendwie schon, darum versuchen wir eine Mischung aus politischen und gesellschaftlichen Themen und guter Unterhaltung.

Peter Leimgruber: Es ist auch so, dass Lesben viel mutiger sind und mehr Risikobereitschaft zeigen. Der Protest kommt eher von schwulen Männern. Das war vor 15 Jahren noch anders. Wenn ich Schwulen einen Hardcore-Film zeige, bei dem es um Mord und Totschlag geht, zucken die eher zurück. Die wünschen sich eher das Gefällige. Alles, was in Richtung Softporno geht, kommt gut an, aber wir sind kein Softporno-Festival. Wir zeigen schon auch Sex in den Filmen, aber in einem ganz anderen Zusammenhang.

Niederer: Es ist gesamthaft so, dass Frauen eher auch in die Schwulen-Filme sitzen. Wir haben allgemein viel mehr Frauen, sie sind neugieriger.

Leimgruber: Ja, Frauen sind viel eher bereit, in einen Schwulen-Film zu sitzen, als umgekehrt. Das sehe ich an den Reservationen: 80 Prozent sind Frauen.

zentralplus: Der Eröffnungsfilm ist ein Bollywood-Film, der in Norwegen spielt. Das hat Erklärungsbedarf …

Leimgruber: (lacht) In Indien ist Homosexualität zwar nicht mehr verboten, aber nach wie vor nicht gross angesagt. Deshalb sind sie im Film nach Norwegen ausgewichen, um die Geschichte zu erzählen. Man sieht ja immer die typischen Bollywood-Filme, jetzt wollen wir dem Publikum einen solchen Film zeigen, der anders daherkommt. Er ist zwar etwas trivial, aber bietet sich an, weil sowohl Männer als auch Frauen zum Thema gemacht werden, nicht nur die Schwulen.

Ein Bollywood-Drama, das im norwegischen Outback spielt: «Life is a Moment».  (Bild: zvg)

Ein Bollywood-Drama, das im norwegischen Outback spielt: «Life is a Moment».  (Bild: zvg)

zentralplus: Wie hat sich die Thematik der Filme im Programm über die Jahre verändert?

Niederer: Sie hat sich stark verändert. Ich reise viel an Festivals, unter anderem an die Berlinale. Vor 20 Jahren ging ich bei Schwulen-Filmen öfters nach 10 Minuten raus, weil es fast nur um Sex ging. Heute finde ich, dass es ganz viele tolle Schwulen-Filme gibt. Wahnsinnig feine und langsame Filme mit guten Geschichten. Bei den Lesben-Filmen gibt es inzwischen mehr Mainstream-Filme, aber auch komödiantische Sachen, dir mir persönlich weniger gefallen. Ich schaue im Jahr so an die 100 Filme, bis ich die paar fürs Festival beisammen habe.

zentralplus: Ist das ein Nebeneffekt, weil sich die Thematik geöffnet hat?

Niederer: Das ganze Filmbusiness hat sich verändert. Wir haben Massen von Filmen, eigentlich viel zu viele. Was sich auch verändert hat: Das engagierte, feministische Filmschaffen fehlt je länger je mehr, das finde ich sehr schade.

Leimgruber: Bei den Schwulen-Filmen hat sich das sogenannte New-Queer-Cinema etabliert, das hauptsächlich aus Amerika kommt. Da ist das Schwulsein nicht mehr das Thema, sondern es wird als selbstverständlich hingestellt. Es werden einfach Geschichten von Menschen erzählt, zufälligerweise vielleicht mit zwei Männern. Das ist eine ganz andere Haltung, ein gewachsenes Selbstbewusstsein, das ich gut finde. Man hört auch von Heterosexuellen, die das interessant finden.

Niederer: Die Gesellschaft hat sich verändert. Wir zeigen heute Filme, in denen es um Kinder geht, Regenbogenfamilien, das hatten wir vor 15 Jahren nicht. Oder all die Filme mit Transgender-Themen. Auch das hat sich stark verändert, weil es öffentlicher und sichtbarer geworden ist.

15. Filmfestival Pink Panorama

Die 15. Ausgabe des lesbischwulen Filmfestivals Pink Panorama findet vom 10. bis 20. November im Stattkino statt (zentralplus berichtete). Die diesjährige Ausgabe steht unter dem Thema «vis-à-vis».

Zum Filmprogramm: Es gibt als Schweizer Erstaufführung ein norwegisches Bollywood-Melodrama («Life is a Moment»), dazu drei Vorpremieren: «Quand on a 17 ans» (Frankreich 2016) über eine Männerfreundschaft, «Mapplethorpe: Look at the Pictures» (USA/Deutschland 2016) über den schwulen Fotografen Robert Mapplethorpe sowie die Transgender-Tragikomödie «Three Generations» (USA 2015) über eine Geschlechtsumwandlung. Auch dunklere Seiten der Thematik werden beleuchtet. Der Dokumentarfilm «Abominable Crime» (Jamaika/USA 2013) thematisiert Gewalterfahrungen und Angst von lesbischen und schwulen Menschen in Jamaika.

Im Erdgeschoss des Bourbaki, in der Kunsthalle, gibt’s eine Ausstellung (10. bis 20. November). Mit den Künstlern Maya Prachonig, Barbara Gwerder, Nadja Geisser, Silvana Leonardi, Jürg Benninger, Frantiček Klossner und Damien Comment. Eröffnung und Vernissage: Donnerstag, 10. November, 18.30 Uhr.

Jubiläumsparty am Samstag, 12. November, 22 Uhr, Jazzkantine Luzern.

Gespräch mit Helena Röösli (Dirigentin), Frantiček Klossner (Künstlerin) und Mitra Devi (Filmemacherin): Sonntag, 13. November, 17 Uhr, Stattkino. Das ganze Programm gibt’s auf der Webseite.

Bilder aus der Ausstellung in der Galerie:

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