Drittes Mal Comedy im Luzerner Club Madeleine

«Auch ein Schlagersänger kann kommen, wenn er lustig ist»

Die Köpfe hinter Comedy im Madeleine: Johnny Burn (liegend) und Albi Christen.  (Bild: jwy)

Hauptsache Unterhaltung: Wer auf die Bühne tritt, sollte das Publikum 30 Minuten zum Lachen bringen. Das kennt der Luzerner Comedian Johnny Burn nur zu gut. Zusammen mit Albi Christen organisiert er zum dritten Mal Comedy im Madeleine. Wie sie den Spagat von Spoken-Word bis Zauberei hinkriegen wollen, verraten sie im Interview.

Seit 2014 gibt’s im Madeleine, an der Luzerner Baselstrasse, regelmässig Comedy-Abende. Johnny Burn präsentiert Vertreter aus Comedy, Kabarett, Stand-up, Satire, Spoken-Word oder sogar Magie und Musik – alles ist erlaubt, Hauptsache, das Publikum lacht. Diesen Donnerstag startet die dritte Staffel mit insgesamt sieben Abenden – erstmals auch mit Comedians aus Deutschland.

zentralplus: Insgesamt stehen im Madeleine bis nächsten April 22 Künstler auf der Bühne. Man konnte sich auch bewerben – ist jemand davon im Programm gelandet?

Albi Christen: Ja, das gibt es immer wieder. Am Donnerstag ist es Pumpernickel aus Zürich. Er macht Liederimprovisationen und holt dazu Inputs aus dem Publikum. Comedians, die noch am Anfang stehen und noch keinen Namen haben in der Szene, können sich bewerben und bekommen dann vielleicht einen Kurzauftritt von fünf bis zehn Minuten.

Johnny Burn: Wir geben ihnen die Gelegenheit, ins kalte Wasser zu springen. Wir hatten auch schon einen blutjungen Comedian, bei dem die ersten drei Minuten recht easy waren, nachher hat es dann geholpert. Das Publikum hat mitgelitten …

Christen: … aber auch das verträgt es. Auch etwas Schlechtes kann dann komisch oder erfrischend sein fürs Publikum. Auch Mav (Johnnys richtiger Name) war anfangs froh um solche Gelegenheiten. Letztlich kannst du als Comedian nur so weiterkommen.

zentralplus: Auf der Bühne stehen «deine Komikerfreunde», Johnny Burn. Wie wählt ihr aus?

Burn: Die meisten habe ich selber schon einmal auf der Bühne getroffen.

Christen: Es gibt ähnliche Formate in Zürich, Basel und Bern. Der Kern der jungen Comedians tingelt zwischen diesen Städten, man kennt sich.

«Im Madeleine knistert es viel mehr als auf grossen Bühnen.»

Albi Christen, Organisator

zentralplus: Viele Auftrittsmöglichkeiten gibt es ja nicht.

Christen: Solche Plattformen sind für Comedians extrem wichtig, auch für die Etablierten. Wir haben auch Fabian Unteregger oder Stefan Büesser, die mittlerweile gross sind. Aber auch sie schätzen das, wenn sie im kleinen Rahmen auftreten und das Publikum spüren. Gerade im Madeleine knistert es viel mehr.

Burn: Es ist halt eine Bar, Gölä würde sagen, es ist dreckiger …

Christen: Das würde Chris von Rohr sagen …

Burn: Ja stimmt, von Rohr. Sind ja etwa dieselben, oder? Letztlich haben auch die Etablierten so angefangen, jetzt sind sie eine Unterstützung für uns.

Johnny Burn tritt selber auf die Madeleine-Bühne – er ist der rote Faden durchs Programm.  (Bild: zvg)

Johnny Burn tritt selber auf die Madeleine-Bühne – er ist der rote Faden durchs Programm.  (Bild: zvg)

zentralplus: Das Programm sei «jung und frech, böse bis trashig». Könnt ihr das einlösen?

Comedy im Madeleine

Die dritte Staffel von Comedy im Madeleine startet am Donnerstag, 27. Oktober, 20.15 Uhr mit Archie Clapp (D), Javier Garcia, Charles Nguela und Pumpernickel. Danach gibt’s weitere sechs Abende bis im April 2017 (hier geht’s zum Programm), jeweils im Madeleine in Luzern. Durch die Abende führt der Luzerner Komiker Johnny Burn.

Christen: Ja, gerade bei den Jungen, die mehr auf Stand-up setzen als auf Kleinkunst. Über diese Begriffe lässt sich natürlich streiten, aber letztlich macht jeder auf diese Bühne hier Comedy. Die Lacherquote ist nicht immer gleich hoch, aber die Leute sollen gut unterhalten sein. Was war die Frage? (lacht)

zentralplus: Gut unterhalten ja, aber sind sie denn richtig böse?

Christen: Nicht alle gleich, aber hier viel eher als an grösseren Comedy-Anlässen. Man kann hier Sachen rauslassen, die man sonst vielleicht nicht würde.

Burn: Es ist wirklich so. Die meisten, die hier auftreten, auch die Etablierten, sagen: Ich mache 15 Minuten Programm, von dem ich weiss, dass es funktioniert. Und die restliche Zeit probiere ich Sachen aus.

«Wir haben uns hier von Anfang an keine Grenzen gesetzt.»

Johnny Burn, Comedian

zentralplus: Um Dinge auszuprobieren, die man sonst nicht kann?

Burn: Ja genau, es ist in der Tat so. Man hat die Chance, etwas zu hören, was vielleicht im nächsten Programm auftaucht.

zentralplus: Erstmals habt ihr auch Vertreter aus Deutschland. Hat die Schweiz nicht genug zu bieten?

Christen: Nein, sondern um das Angebot noch etwas attraktiver zu machen. Ich habe in Berlin viel Comedy gesehen, etwa Archie Clapp, der am Donnerstag auftritt. Er ist sehr trashig und frech und nimmt kein Blatt vor den Mund. Er provoziert das Publikum gerne, das habe ich selber erlebt. Und ich fand, dass es geil wäre, jemanden wie ihn hier zu haben. Die Deutschen haben schon ein anderes Mundwerk.

 

zentralplus: Er nennt sich «Anarcho-Clown», tönt gefährlich?

Christen: Er macht Tricks, die ich so noch nie gesehen habe. Wir hatten auch schon Zauberer und Clowns. Archie verdreht das ins Absurde, schmückt es mit Trash, provoziert und macht daraus eine neue Kunst.

zentralplus: Keine Angst, dass die Schweizer Vertreter neben ihm untergehen?

Burn: Es wird immer so sein, dass einer weniger Applaus erntet, du kannst nie alles auf einer Stange behalten. Aber es ist gar nicht in meinem Interesse, dass alle gleich gut wären. Die Leute sollen unterhalten werden, Punkt, fertig.

Christen: Man kann ja nicht nur von Lachern ausgehen. Die Abwechslung bereichert das Programm. Meistens haben wir auch einen Poetry-Slammer und wenn es nichts Musikalisches hat, dann singt Johnny zwischen den Showblöcken kurze Songs.

zentralplus: Wie beurteilt ihr die aktuelle Comedyszene der Schweiz? Eher hoffnungsfroh oder düster?

Burn: Ich finde es sehr hoffnungsvoll, wir hatten viele gute Anfragen von Comedians, von denen ich noch nie gehört habe. Da ist schon Potenzial da.

zentralplus: Schwappt der Boom des Poetry-Slam auf die Comedy-Szene über?

Christen: Viele Slammer werden später Comedians, allen voran Hazel Brugger oder Gabriel Vetter. Poetry-Slammer, die nicht mehr klischeemässig vom Papier ablesen und frei Geschichten erzählen. Es ist ein Schritt, mit dem du wohl auch eher Geld verdienen kannst.

Burn: Wir haben uns hier von Anfang an keine Grenzen gesetzt. Wir wollten nicht nur «Stand-upper» haben, weil ich das selber nicht bin. Das Ziel ist, die Leute zu unterhalten – egal, wie. Es kann auch ein Schlagersänger kommen, er muss einfach lustig sein.

Johnny Burn und Albi Christen im Madeleine.  (Bild: zvg)

Johnny Burn und Albi Christen im Madeleine.  (Bild: zvg)

zentralplus: Ist Luzern ein gutes Pflaster für Comedy?

Christen: Wir haben in der Regel 70 bis 100 Zuschauer. Jene, die kommen, finden es immer genial. Zum Stammpublikum gehören aber nur wenige.

Burn: Wir müssen jedes Mal von Neuem alle Hebel in Bewegung setzen, bis es die Leute wieder merken. Wir machen das quasi mit null Budget, aber wir wollen die Leute dafür sensibilisieren, dass es Comedy gibt.

zentralplus: Neben Archie Clapp tritt am ersten Abend Javier Garcia auf, kein Spanier, wie man meinen könnte, sondern ein Zürcher, ein «Milli-Secondo», wie er sich nennt.

Burn: Ich habe ihn vor einigen Jahren an den Oltner Kaberett-Tagen kennengelernt am «Migranten-Stall», wie der Abend hiess. Da wurden verschiedene Secondos eingeladen, Müslüm hat den roten Faden gesponnen. Dieses Jahr sah ich die Premiere seines ersten abendfüllenden Stücks, und es hat mich weggehauen.

Christen: Er ist eigentlich Banker, macht das also nicht hauptberuflich. Es ist faszinierend, wie er das neben seinem normalen Job durchzieht.

 

zentralplus: Dann Charles Nguela, der sprichwörtlich «schwarzen Humor» auf die Bühne bringt. Er kam erst mit 14 aus Südafrika in die Schweiz.

Burn: Auch ihn kenne ich von Olten und ich habe ihn mal im Kleintheater gesehen – er ist auf bestem Weg.

zentralplus: Auffallend viele Schweizer Comedians haben Migrationshintergrund und kokettieren mit ihrer Herkunft.

Christen: Es bietet sich natürlich an, die Klischees der eigenen Herkunft zu bedienen. Gerade als Comedian hat man damit eine gewisse Einzigartigkeit und man sieht und erzählt dann auch die Geschichten aus einer anderen Perspektive. Wäre ich Komiker, würden viele Themen, die etwa Johnny bringt, nicht funktionieren.

 

zentralplus: Und Secondos haben automatisch andere Themen?

Christen: Andere, eigene Erfahrungen. Das Leben schreibt die beste Comedy. Dabei kommt es nicht wirklich drauf an, von wo man kommt, sondern vielmehr, was man erlebt, wie man damit umgeht und wie man es auf die Bühne bringt.

Burn: Es gibt auch Schweizer Komiker, die zum Beispiel den «Jugoslang» bedienen, aber die haben einen anderen Aufbau. Man schaut dann schon zweimal drauf und das Publikum ist kritischer. Es gibt schon viele Secondos, die Comedy machen, aber ich kenne auch viele langweilige Kambodschaner, die völlig unlustig sind (lacht).

zentralplus: Das Programm macht einen rechten Spagat: Spoken-Word-Autoren wie Renato Keiser oder Patti Basler auf der einen, platter Humor eines Veri auf der anderen Seite.

Christen: Veris Humor ist alles andere als platt – vielmehr kritisch und intelligent –aber dazu muss man ihn erst mal 20 Minuten sehen. Diese Gelegenheit bieten wir. Es ist sozusagen eine Teasershow, man sieht vielleicht Javier Garcia und findet: Von dem will ich mehr sehen. Klar, so ein Mix ist immer ein Wagnis, aber bisher sind noch alle begeistert rausgelaufen. Letztlich sollen die Leute unterhalten werden. Und die Erwartungen sind weniger hoch, darum werden sie auch meist übertroffen. Man kann hier praktisch zweieinhalb Stunden Vollgas durchlachen.

Burn: Die meisten, die hier auftreten, sind ja auch alleine unterwegs. Wenn du gut bist und etwas ausstrahlst, wollen die Leute sehen, was du sonst machst und wo du sonst noch auftrittst. Die meisten abendfüllenden Auftritte sind bei mir auch so entstanden.

Zu den Personen

Johnny Burn moderiert die Abende im Madeleine und sorgt für musikalische Auflockerung. Der Komiker ist in Kambodscha geboren und in Malters aufgewachsen und hat sich schon früh dem Entertainment verschrieben. Er gewann den Publikumspreis bei den Swiss Comedy Awards, trat schon bei «Giacobbo/Müller» auf und steht heute hauptberuflich auf der Bühne.

Albi Christen ist für die Produktion zuständig – auch er kennt das Comedybusiness: Seit 2004 organisiert er das Humorfestival «Stans Lacht». Seit 2011 arbeitet er eng mit Johnny Burn zusammen und rief mit ihm Comedy im Madeleine ins leben, um jungen Schweizer Comedians eine Plattform zu bieten. Hauptberuflich hat er eine eigene Werbeagentur.

Hinweis: zentralplus ist Medienpartner von Comedy im Madeleine.

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