Luzerner Treibhaus zeigt, was es draufhat

Das Kulturhaus mit den 100 Aktivisten

Lina Kunz, David Ammon und Fabian Fuchs (von links) im Treibhaus-Garten.  (Bild: jwy)

Ein Jugendschuppen macht Partys und Lärm. Auch, ja. Aber das Luzerner Treibhaus ist ein Ort, wo Jugendliche ihre Ideen verwirklichen. Davon zeugt das Festival «Treibhauseffekt». Da dürfen auch Ü30 hin. Und die Organisatoren verraten, wieso Konzerte nicht mehr dem Zeitgeist entsprechen.

Gehen Sie mal auf die Website des Treibhauses und klicken Sie dort auf «Team». Über 90 jugendliche Gesichter lachen einem da entgegen. Zumindest grösstenteils lachen sie, aber darum geht’s ja jetzt nicht. 90 – das sind viele. Und hinter jedem Gesicht ist eine Person, die in irgendeiner Form im städtischen Jugendhaus mitwirkt.

Sie alle stellen das Kulturangebot in diesem Haus auf die Beine: Sie organisieren das Esskino «Cinemangiare», mischen im Grafikpool mit, arbeiten an der Bar und in der Küche oder wirken in einer der elf Programmgruppen mit. «Insgesamt sind es über 100 Leute, die im Haus etwas machen», sagt Fabian «Fesch» Fuchs, Leiter des Treibhauses.

Das Treibhaus ist also mehr als einfach ein Jugendhaus, in dem ab und zu Partys steigen. Dass die Köpfe auf der Website so präsent sind, ist gewollt. «Nicht wir vom Büro sind wichtig, sondern die vielen Aktivisten», sagt David Ammon, für Administration und Marketing zuständig. «Wir wollen das Signal vermitteln: Hier gibt’s so viele verschiedene Leute, auch du kannst etwas machen.»

Einige der Aktivisten im Treibhaus.  (Bild: Screenshot Website)

Einige der Aktivisten im Treibhaus.  (Bild: Screenshot Website)

Plakate gestalten und Videos schneiden

«Das Haus bietet jeder jungen Person das Potenzial, ihren Stärken nachzugehen», ergänzt Lina Kunz, selber seit einigen Jahren in der Programmgruppe «Cinemangiare» und an der Treibhaus-Bar tätig. Und David Ammon sagt: «Wir wollen zeigen, dass wir nicht nur ein Partyhaus sind. Wenn du eine Idee hast, kannst du vorbeikommen, dann ist fast alles möglich.» Ein Beispiel: Beim Eingang hinter einer grossen Glasscheibe entsteht eine neue Kunstvitrine. Diese kam auf Initiative einer jungen Frau zustande.

«Es ist das Wochenende, an dem wir einmal zeigen wollen, was hier alles läuft.»

Lina Kunz, Mitorganisatorin

Die Treibhaus-Programmgruppen tragen Namen wie Tumble Weed, MLS Cru, Hundred and One, Profound Network, Chromosom X oder Ferrari Boyz Ent. Es gibt einen Multimedia-Pool, einen Grafik-Pool und ganz neu einen Journi-Pool. Auch diese Pools sind ein Experimentierfeld: Junge kriegen die Chance, Plakate zu gestalten, Video-Trailer zu schneiden oder über einen Anlass zu schreiben. Und sie kriegen via Treibhaus und Partner eine Plattform, die Resultate zu präsentieren.

Unzählige Ideen

Das Festival «Treibhauseffekt» Mitte September (mehr dazu ganz unten) soll nun an drei Tagen sichtbar machen, was hinter den vier lindengrünen Wänden das ganze Jahr geht. Die «konzentrierte Energie aller Treibhaus-Aktivisten an einem Wochenende», heisst es. «Wir haben so ein riesiges Angebot über das Jahr hinweg, es sind so viele verschiedene Leute involviert mit so verschiedenen Ideen – jetzt ist das Wochenende, an dem wir einmal zeigen wollen, was hier alles läuft», sagt die 23-jährige Lina Kunz.

Hier geht's hinein ins Jugendhaus.  (Bild: jwy)

Hier geht’s hinein ins Jugendhaus.  (Bild: jwy)

Schon letztes Jahr gab es das Festival – nun hat man das Konzept überarbeitet und einige Dinge verbessert: «Wir kamen auf die Idee, dass nicht nur wir vom Büro das organisieren sollten, sondern zusammen mit den freiwilligen Aktivisten», sagt David Ammon (28).

«Wir müssen regelmässig Partyanfragen ablehnen, weil wir schlicht zu viele haben.»

Fabian Fuchs, Leiter Treibhaus

Aus den Programmgruppen kamen unzählige Ideen und Beiträge zusammen. «Darunter auch eher doofe Sachen, die man nicht verwirklichen kann», sagt Kunz. Einige gute Ideen aber haben sich durchgesetzt – etwa die Druckerwerkstatt oder das Pop-up-Theater – und sind nun Teil des Programms.

Man lernt einander endlich kennen

«Das Festival ist für viele der Aktivisten ein Ausprobieren in verschiedene Richtungen», sagt Lina Kunz. «… ein Experimentierfeld», ergänzt der 30-jährige Fabian Fuchs. «… und ein Zusammenarbeiten», fügt David Ammon an. «Ein Nebeneffekt des Festivals ist, dass sich all die Aktivisten aus den Programmgruppen einmal kennenlernen.» Denn die Programmgruppen arbeiten relativ autonom, organisieren einzelne Abend und sehen die anderen ein Jahr lang kaum.

Sorgen über genügend Nachwuchs in den Programmgruppen muss sich das Treibhaus derzeit keine machen. «Im Moment werden wir sogar überhäuft, es ist wahnsinnig», sagt Fuchs, vor allem was Partys anbelange. «Da müssen wir regelmässig Anfragen ablehnen, weil wir schlicht zu viele haben», sagt er.

Sogar ein eigenes Bier gibt’s für das nahende Festival.  (Bild: jwy)

Sogar ein eigenes Bier gibt’s für das nahende Festival.  (Bild: jwy)

Das Treibhaus ist ein Pulsmesser und merkt, was die Jungen derzeit umtreibt. Spürt man die Tendenz «Weg von Konzerten, hin zu Partys»? «Absolut», sagt Fabian Fuchs. «Die Älteren in den Programmgruppen machen noch Konzerte, die Jüngeren nur noch Partys.» Kürzlich habe es wieder eine Erstausgabe einer Party gegeben, «da kamen 500 Leute, das ist Wahnsinn», sagt er.

Das ist der Zeitgeist

Ist das nicht schade, wenn die Anzahl Konzerte abnimmt? «Das ist halt einfach der Zeitgeist», sagt Fabian Fuchs. Und David Ammon fügt an: «Es ändert sich einfach, irgendeinmal werden wir die Alten sein und mötzlen über die Jungen.» Natürlich sei das schade, aber die Jungen hätten andere Interessen. «Und es ist wichtig, dass man diese Interessen in diesem Haus aufnehmen kann», sagt er.

«Jugendliche kommen, lernen und dann gehen sie in den Südpol oder in die Schüür, um ihre Erfahrung einzusetzen.»

David Ammon, Mitarbeiter Treibhaus

Am Anfang stehe stark das Ausprobieren im Vordergrund. «Du merkst bei den Jungen: Sie wollen in erster Linie etwas machen, der künstlerische Anspruch kommt später, das ist auch gut so», sagt Fabian Fuchs.

Lina Kunz erzählt: «Die Ansprüche kommen mit der Erfahrung. Am Anfang saugt man alles auf – und irgendwann zieht man dann wieder weiter.» Und David Ammon sieht das Treibhaus auch als Durchlauferhitzer, ähnlich wie das Radio 3fach bei den Medien: «Jugendliche kommen, lernen und dann gehen sie in den Südpol oder in die Schüür, um ihre Erfahrung einzusetzen.»

Ü30? Unbedingt!

Das Treibhaus ist zwar ein Jugendhaus, aber das Festival soll auch jene ansprechen, die sonst nicht – oder nicht mehr – dort verkehren. Darf man also auch als Ü30 aufkreuzen? «Zwingend!» – «Unbedingt!» – «Sicher!» (Gelächter)

Es sei ein grosses Ziel, dass möglichst alle kämen, auch Nachbarn, sagt Fabian Fuchs. «Oft wenn man tagsüber vorbeiläuft, sieht man das Haus und es ist zu und man fragt sich vielleicht, was da passiert.»

Psst, dieser Platz ist geheim: Lina Kunz, David Ammon (kauernd) und Fabian Fuchs im «Dschungel».  (Bild: jwy)

Psst, dieser Platz ist geheim: Lina Kunz, David Ammon (kauernd) und Fabian Fuchs im «Dschungel».  (Bild: jwy)

Aber für das Treibhaus ist es wichtig, dass es weitherum verstanden und akzeptiert wird. Nicht nur von den Nachbarn im angrenzenden Wohnquartier, sondern auch, weil es ein Haus ist, das von der Stadt unterstützt wird. «Es gibt in diesem Haus nicht nur Partys, und die Jungen betrinken sich nicht nur», sagt Ammon. «Man soll sehen, dass hier gearbeitet und etwas gemacht wird.»

Aber Jüngere wie Ältere an den gleichen Anlass zu locken, ist natürlich eine Herausforderung, das weiss auch David Ammon: «Die Jungen wollen nicht kommen, wenn die Alten da sind, und umgekehrt. Aber ich behaupte, dass eine Durchmischung möglich ist.»

Letztes Jahr habe das mit der Durchmischung noch nicht so gut geklappt, geben sie zu. «Wir hatten eine Lesung, zu der viele Ältere kamen, die 16-Jährigen haben das dann gecrasht, sie fanden das komisch und die Älteren gingen dann wieder», sagt Lina Kunz.

Festival: Drei Tage «Treibhauseffekt»

Zum zweiten Mal zeigt das Treibhaus an einem Wochenende die ganze Bandbreite an Kultur, die im Jugendhaus entsteht. Das sind: acht Konzerte, fünf DJ-Acts, das «Cinemangiare» (und eine Cine-Disco), eine Weinlounge (im «Dschungel» hinter dem Haus), Pop-up-Theater, Siebdruck-Werkstatt, Kleider-Flohmarkt und mehr:

Festival Treibhauseffekt: 15.–17. September, im und ums Treibhaus Luzern (das ganze Programm). Eintritt: 10 Franken

Zu den musiklalischen Highlights gehört das Duo Lord Kesseli & The Drums aus St. Gallen (Samstag). Sie spielen beide in der Band von Stahlberger und bringen eine faszinierende, hypnotische und sehr dunkle Rockmusik auf die Bühne.

 

Yeyey (am Freitag) aus den USA agieren weitaus elektronischer. Hinter der Band steckt Ben Shepard, der mit seiner Indie-Band Uzi & Ari zehn Jahre lang für Furore sorgte.

 

Lemur (ebenfalls am Freitag) bringt deutschsprachigen Rap mit Niveau und musikalischem Anspruch auf die Bühne. Auch er ist ein beliebter Gast: Mit seiner ehemaligen Combo Herr von Grau sorgte er schon für manchen euphorischen Abend im Treibhaus.

 

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