Zuschauerdebakel für Luzerner Gratis-Open-Air

Funk am See in der Krise: «Jetzt gibt’s keine Tabus mehr»

Gute Bands – wie hier Patrick Bishop –, aber wenig Zuschauer: Das Funk am See muss über die Bücher (Bild: Silvio Zeder).

Das war das letzte Open Air auf der Lidowiese dieser Art. Denn: 14’000 Besucher wurden erwartet, nur 8000 kamen. Erneut schreibt das Funk am See tiefrote Zahlen. Jetzt ist die Vereinskasse fast leer – und ein kompletter Neustart zwingend. Doch wohin die Reise führen soll, ist unklar.

Man kann es nicht schönreden: Zuschauermässig war das Funk am See-Festival letztes Wochenende ein Reinfall. Erwartet wurden 14’000 Fans. Aber: Am Samstag schafften es klägliche 4000 Leute auf die Lidowiese vor dem Verkehrshaus. Zusammen mit den (gut gezählten) 4000 Leuten am Freitagabend gilt die 2016er-Ausgabe mit rund 8000 Besuchern als eine der schlechtbesuchtesten.

«Das Konzept ist nicht mehr zeitgemäss. Eventuell müssen wir eine ganz neue Ausrichtung einschlagen.»

Yanik Kloter, Medienchef Funk am See

Finanziell heisst das: Ein schmerzhaftes Defizit von voraussichtlich rund 30’000 Franken – bei einem Budget von 170’000 Franken. Und schon die 2014er-Ausgabe war finanziell ein Desaster – ein 40’000-Franken-Loch riss sie in die Vereinskasse. «So kann und darf es nicht weitergehen», sagt Yanik Kloter, Medienverantwortlicher des Open Airs sowie des Radio 3fach (das Open Air wurde ursprünglich von Radio 3fach organisiert, seit 2006 ist dafür der Verein Open Air Lidowiese verantwortlich, wobei die beiden Organisationen weiterhin sehr eng verknüpft sind).

zentralplus: Yanik Kloter, das Funk am See bietet extrem viel. Am Freitagabend und den ganzen Samstag hindurch gibt’s jeweils über ein Dutzend Bands zu hören – gratis und franko. Auch kulinarisch wird einiges geboten, zudem gibt’s eine Disco. Sind die bloss 8000 Besucher nicht sehr frustrierend?

Yanik Kloter: Wir haben uns ganz klar mehr erhofft. Aber als Gratis-Event wussten wir: Wenn das Wetter nicht mitspielt, wird es sehr schwierig. Denn fürs Funk am See müssen die Leute keine Tickets im Voraus kaufen. Wäre dies der Fall, kämen auch bei schlechtem Wetter, wie diesem Samstag, viel mehr Besucher. Richtig schmerzen wird uns dann aber die definitive Finanzabrechnung.

Der Auftritt von Her am Freitagabend war ein Highlight des Funk am See 2016 (Bild: Silvio Zeder).

Der Auftritt von Her am Freitagabend war ein Highlight des Funk am See 2016 (Bild: Silvio Zeder).

zentralplus: Die Organisatoren und die vielen Freiwilligen leisten einen enormen Aufwand, um dieses alle zwei Jahre stattfindende Gratis-Open-Air auf die Beine zu stellen. Doch das Angebot scheint teilweise am Publikum vorbeizuzielen.

Kloter: Was geleistet wurde, ist kaum zu glauben. Ein Riesenkompliment an alle Beteiligten. Eines ist klar: Wir werden nie Mainstream bieten, sind uns aber bewusst, dass wir etwas ändern müssen und dass das Konzept so nicht mehr funktioniert. Offensichtlich ist es nicht mehr zeitgemäss. Eventuell müssen wir deshalb eine ganz neue Ausrichtung einschlagen.

«Wir können nicht noch mal so ein Defizit stemmen.»

zentralplus: Das Programm spricht vor allem Musiknerds an und hätte auch ans viel kleinere B-Sides auf dem Sonnenberg (max. 1500 Besucher) gepasst – haben ein oder zwei bekannte Headliner gefehlt? Oder müsste es mehr in Richtung Hip Hop oder elektronische Musik gehen, was grad populär ist? Oder will die Jugend von heute einfach nur noch Party feiern?

Kloter: Die Bandbreite am Funk am See spiegelt jeweils das Programm von Radio 3fach: Von elektronischer Musik über Hip Hop, Pop und Rock und Indie ist immer alles dabei. Eine Schweizer Band wie Klaus Johann Grobe sollte eigentlich allen gefallen. Aber vielleicht müssen wir auch dieses Konzept überdenken. Etwa, indem wir in eine ganz bestimmte Nische gehen.

Auch das gehört zum Funk am See: Tolle Stimmung auf der Lidowiese mit Blick auf den Vierwaldstättersee (Bild: Silvio Zeder).

Auch das gehört zum Funk am See: Tolle Stimmung auf der Lidowiese mit Blick auf den Vierwaldstättersee (Bild: Silvio Zeder).

zentralplus: 40’000 Stutz Defizit vor zwei Jahren, wohl gut 30’000 Franken dieses Jahr – was hat das für Auswirkungen?

Kloter: Es ist genau jenes Szenario eingetreten, das nicht hätte eintreten dürfen. Dieses Mal kriegen wir das noch hin. Aber Ende Jahr sind unsere Reserven annährend aufgebraucht. Wir können nicht noch mal so ein Defizit stemmen – in Zukunft muss es definitiv besser laufen.

«Jetzt sind grundlegende Weichenstellungen gefragt.»

zentralplus: 2009 hat das Funk am See von der Albert Köchlin Stiftung (AKS) 60’000 Franken erhalten. Dieser Betrag hätte möglichst lange nicht angetastet werden sollen – doch nun ist das Geld also für die Defizite draufgegangen?

Kloter: Teilweise, ja. Das Geld der AKS wurde in die folgenden Ausgaben investiert, hat aber auch geholfen, das Defizit 2014 zu decken. Wir müssen also von Neuem anfangen und wieder ein Polster aufbauen. Jetzt sind grundlegende Weichenstellungen gefragt. Es gibt keine Tabus mehr. Das kann etwa heissen: Wieder nur noch einen statt zwei Tage, nur noch eine statt zwei Bühnen, ein kleineres Gelände einrichten, wie erwähnt eine andere Zielgruppe ansprechen oder wieder Eintritt verlangen.

zentralplus: Ursprünglich war geplant, mit den Überschüssen aus dem Funk am See das Jugendradio 3fach zu unterstützen – dieses ist finanziell ja auch nicht auf Rosen gebettet. Muss das Radio nun das Open Air mitfinanzieren, anstatt davon profitieren zu können?

Kloter: Nein, das sind zwei getrennte Vereine und zwei getrennte Rechnungen. Die Idee war: Wenn wir mal eine super Ausgabe gehabt hätten, hätte das Radio davon profitiert.

Hanreti aus Luzern rocken die Bühne des Funk am See (Bild: Silvio Zeder).

Hanreti aus Luzern rocken die Bühne des Funk am See (Bild: Silvio Zeder).

zentralplus: Welche Leute bestimmen nun über die Neuausrichtung des Funk am See?

Kloter: Zum einen das Organisationskomitee des Festivals. Das sind von Radio 3fach Geschäftsleiterin Kim Schelbert, Programmleiter Samuel Konrad, Musikchef Moritz Stettler und ich sowie der externe Personalverantwortliche David Ammon und der Gesamtkoordinator des Funk am See 2016, Philippe Weizenegger. Diese Gruppe hat die aktuelle Ausgabe seit acht Monaten geplant und schliesslich durchgeführt.

Entscheidungsträger wird dann aber wohl der Verein Open Air Lidowiese sein. Dieser besteht aus Präsident Roland Graf, Vizepräsident Sandro Matt sowie Aktuar Severin Zenklusen.

zentralplus: Am Samstag hats ziemlich geregnet. Darunter leidet der Rasen. In Vorjahren musste das Funk am See für entsprechende «Reparaturarbeiten» schon tief in die Tasche greifen. Wie sieht es dieses Jahr aus?

Kloter: Das ist die einzige gute Seite der Sache: Weil so wenig Leute gekommen sind, hat der Rasen fast gar nicht gelitten (schmunzelt). Im Ernst: Wir waren sehr bemüht, diesen sehr hohen Betrag nicht wieder aufwenden zu müssen. Das ist uns neben vielen anderen Details gut gelungen.

Funk-am-See-Medienchef Yanik Kloter packt diesen Montag beim Zusammenräumen an.

Funk-am-See-Medienchef Yanik Kloter packt diesen Montag beim Zusammenräumen an.

Hinweis: Einen guten Überblick über die Geschichte und Entwicklung des Funk am See vermittelt dieser Beitrag aus dem Jahr 2014 von zentralplus.

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Mehr Bilder vom Funk am See zeigen wir Ihnen in unserer Bildergalerie:

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