Luzerner Hollywood-Animator unterrichtet Nachwuchs

«Wir bewegen digitale Puppen»

Alle Bewegungen sollen natürlich wirken – leichter gesagt als getan: Teilnehmer der Master Academy in Animation an der Hochschule Luzern.

 

(Bild: jal)

Vom «grottenschlechten» Kurzfilm nach Hollywood: Der Luzerner Stefan Schumacher haucht beim berühmten Studio Pixar den Filmfiguren Leben ein. Wie man das am besten macht, zeigt er jungen Animatoren zurzeit in einem speziellen Projekt an der Hochschule Luzern.

Sein erstes Werk bezeichnet der Luzerner Stefan Schumacher heute als «grottenschlechten, fiebertraummässigen Kurzfilm». Er realisierte ihn für seine Maturaarbeit vor über zehn Jahren – seither weiss er, dass er in der Animation arbeiten möchte. Heute animiert Schumacher in Kalifornien für Pixar, eines der berühmtesten Filmstudios der Welt, Figuren für die Kinohits «Finding Dory», «Brave» oder «Monster University».

Einen Job wie seinen wünschen sich wohl auch die meisten, die derzeit an der Hochschule Luzern die erste Master Academy in Animation (Lumaa) besuchen. Es ist ein einzigartiges Projekt, das erstmals in Luzern stattfindet: Schumacher und fünf weitere Profis aus der Filmbranche bringen den Teilnehmern in sechs Wochen bei, wie man Trickfilmfiguren zum Leben erweckt.

Schweizer Community in Hollywood

Nur eine Handvoll Schweizer haben den Sprung in die Filmbranche geschafft. Die Stellen sind rar, die Konkurrenz international. Die Community sei klein, entsprechend kenne man einander, sagt Schumacher. Durch dieses Netzwerk ist auch die Master Academy in Luzern zustande gekommen.

«Die Animation Luzern ist international sehr renommiert, wird aber in der Schweiz nicht ausreichend wertgeschätzt.»

Jürgen Haas, Professor Hochschule Luzern

Für die 16 Plätze haben sich 35 Interessierte angemeldet – Animationsschaffende aus der ganzen Schweiz. Für die Hochschule Luzern ist die Lumaa ein «extrem wichtiges» Aushängeschild, sagt Jürgen Haas. Er ist Leiter des Bachelors Animation, eines Studiengangs, den in Luzern aktuell 80 Studierende auf drei Jahrgänge verteilt belegen. «Die Animation Luzern ist international sehr renommiert, wird aber in der Schweiz nicht ausreichend wertgeschätzt», sagt Haas.

Ein Mund und sein Charakter

Im Raum im dritten Stock an der Baselstrasse ist es still, die Luft schlecht, die Kaffeebecher leer. Konzentriert starren die vorwiegend jungen Animatoren auf ihre Bildschirme: Dort wird eine Augenbraue einige Millimeter höher gesetzt, da an einem Mundwinkel gezupft. Auf dem Programm steht diese Woche die Animation von Gesichtern.

«Die grösste Herausforderung ist, dass der Gesamteindruck stimmt.»

Noah Demirci, Teilnehmer Master Academy

«Was ist eine natürliche Bewegung?», fragt Stefan Schumacher. Um das plastisch zu sehen, schaute sich die Gruppe am Morgen Videos an mit «echten» Schauspielern, verschiedene Gesichter und was sie über den Charakter oder die Stimmung einer Person aussagen. Genervte Münder, erfreute Augen, traurige Blicke. «In der Animation bewegen wir digitale Puppen», sagt der 32-Jährige.

Einblick in die Lumaa: Noah Demirci passt diese Figur einer Szene aus Harry Potter an.

Es sind oft Details, die den Unterschied machen – und die das erfahrene Auge von Schumacher erkennt. Etwa im Gespräch mit Noah Demirci. Für ihn ist der Workshop gerade deshalb «das Beste, das ich je besucht habe». Er hat soeben den Bachelor Animation an der Hochschule Luzern abgeschlossen. Im Herbst will er eine Stelle in der Filmbranche suchen – und hofft auf sein Glück. Denn in der Werbebranche als Animator zu arbeiten, möchte er lieber nicht, «das ist mir zu kommerziell».

«Die grösste Herausforderung ist, dass der Gesamteindruck stimmt und die Emotionen stark rüberkommen», sagt er, während er die Gesichtszüge einer Figur so anpasst, dass eine Audiodatei von Harry Potter darübergelegt werden kann.

Dreimonatiges Vorstellungsgespräch

Für die Teilnehmer will Schumacher aber nicht nur Experte sein, sondern auch ein Mentor. Es geht auch ums Netzwerk, das in dieser Branche sehr wichtig ist, um Fuss zu fassen. «Die Lumaa ist ein Anknüpfungspunkt», sagt Jürgen Haas, Leiter Bachelor Animation. Schumacher sagt, er werde oft gefragt, wie man es in eines der berühmten Studios schafft. «Das diskutieren wir dann jeweils beim Bier nach dem Kurs», sagt der 32-Jährige und lacht.

Von einem solchen Workshop konnte Schumacher damals nicht profitieren. Nach der Kantonsschule in Luzern studierte er kurz Computer Sciences an der ETH, jobbte anschliessend in der Werbebranche und schaute sich nach einer Animationsausbildung um. So landete er an der Kunstschule in San Franciso, unter anderem wegen der Nähe zur Industrie.

Der Luzerner Stefan Schumacher arbeitet bei Pixar in Kalifornien – und ist zurzeit für die Master Academy zurück in der Schweiz.

Der Luzerner Stefan Schumacher arbeitet bei Pixar in Kalifornien – und ist zurzeit für die Master Academy zurück in der Schweiz.

(Bild: jal)

Es folgte ein Praktikum bei Pixar – «quasi ein dreimonatiges Vorstellungsgespräch, das teilweise Tag und Nacht dauerte». Schumacher hat sich bewährt und arbeitet nun seit sechs Jahren beim berühmten Studio. Und dort wird er voraussichtlich bleiben – obwohl er ab und zu Heimweh nach Luzern verspüre, sagt er mit einem Lächeln.

Doch wer in der Filmbranche arbeiten will, muss gemäss Schumacher zwangsläufig ins Ausland. In der Schweiz gebe es zwar auch immer mehr Möglichkeiten, aber vorwiegend in der Game-Industrie und der Werbung.

Anatomie und Ideen

Es ist kurz vor Mittag. Ans Essen scheint noch kein Teilnehmer einen Gedanken zu verschwenden. Stefan Schumacher zeigt einer jungen Frau, welche Stimmung die Augenlider ihrer glatzköpfigen Figur vermitteln können.

«Alles dauert lang, alles ist mühsam.»

Stefan Schumacher, Animator bei Pixar

Das Schwierigste daran, ein Gesicht zum Leben zu erwecken? Schumacher sagt: «Alles dauert lang, alles ist mühsam.» Der 32-Jährige zeigt auf seinem Computer eine Sequenz, kaum länger als drei Sekunden; ein Mädchen blickt auf, sagt einen Satz, zeigt auf eine Kiste. «Dafür habe ich zwei bis drei Wochen gebraucht», sagt Schumacher und man weiss, was er vorher gemeint hat. Geduld und Ausdauer sind gefragt – und wenn es auf die «Deadline» eines Films zugeht, auch Nachtschichten.

Die wichtigste Voraussetzung, um Animator zu werden, ist für Schumacher aber die Kreativität. «Du musst wissen, wie die Anatomie funktioniert. Aber worauf es ankommt, sind die Ideen und die Sensibilität fürs Design.»

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