Ein Projekt zwischen Kapital und Kunst

Plastikstiere sollen Zuger Unternehmer und Künstler zusammenbringen

Am diesjährigen Zuger Stierenmarkt wird das Kunstprojekt lanciert. Diese beiden Bullen dienen dabei allerdings lediglich als Vorbild.

(Bild: Jakob Ineichen)

In Zug wird ein neues Kunstprojekt lanciert. Es will allerdings viel mehr sein als ein reines Kunstprojekt. Imagepflege für den Wirtschaftskanton soll es betreiben. Und jungen Künstlern zum Durchbruch verhelfen. Und sowieso ganz neue Verhältnisse schaffen – und das alles auf dem Rücken eines Stieres.

Zug und Stiere? Wähnt man sich beim Gedanken an diese bulligen Grasfresser nicht viel mehr im Kanton Uri? Dessen Wappen ziert schliesslich der Kopf eines Auerochsens. Aber passt das nach Zug? «Ja und Nein», sagt Kathrin Sonderegger. «Die Umsetzung mit dem Stier liegt für den Kanton Zug sehr nahe. Der Stier steht durch den traditionellen Zuger Stierenmarkt für Vergangenheit, durch das Wappentier des EVZ für Gegenwart und durch das Eidgenössische Schwing- und Älplerfest 2019 in Zug für Zukunft.»

Von echten und falschen Stieren

Am 8. September 2016 wird das Projekt anlässlich des Zuger Stierenmarktes offiziell lanciert. Die Ausschreibung für den Wettbewerb läuft noch bis am 30. September. Der Zeitraum für die Gestaltungsarbeiten erstreckt sich von Mitte Oktober bis Mai 2017. Danach werden die Stierwerke im Kanton Zug ausgestellt, auf öffentlichen Plätzen oder bei den Auftraggebern – vornehmlich auf städtischem Boden. Der Kreis schliesst sich am nächstjährigen Stierenmarkt, wo die Werke von einer Fachjury prämiert und anschliessend versteigert werden.

Der Erlös aus der Versteigerung geht an nachwuchsfördernde Projekte in Sport und Kultur. Die Künstler werden mit 10 Prozent am Verkaufserlös ihres Werkes beteiligt.

Das klingt schon mal reichlich durchdacht, was Kathrin Sonderegger und Claudia Tolusso da auf die Beine stellen. «Zuger Stierparade» nennt sich das Kunstprojekt. Lanciert wird dieses vom Verein «kreativeBewegung», Sonderegger amtet dort als Geschäftsführerin. Als vermittelnde und gestalterische Leiterin hat sie Tolusso mit an Bord geholt. Ihr gemeinsames Ziel: Junge Kunstschaffende fördern und gleichzeitig die Themen Kunst und Gestaltung breiteren Schichten zugänglich machen, indem sie diese auf die Strasse bringen.

Standortvorteil Zug?

Das ganze funktioniert so: Künstlerideen werden in einem Pool gesammelt. Privatpersonen und Unternehmen kaufen einen der Stierrohlinge und übergeben diesen einem Kunstschaffenden zur Gestaltung. Die Käufer fungieren also als Mäzene im Sinne eines Projektförderers. Sie können zwischen zwei Stiergrössen wählen: einem ausgewachsenen Stier in Originalgrösse (die «Königsklasse») und einem verkleinerten Jungstier.

Den Rohling gibt es in gross und klein.

Den Rohling gibt es in gross und klein.

(Bild: zvg)

«Der Käufer zahlt 2500 Franken für den Rohling und 500 bis 2500 Franken an den Kunstschaffenden, der mit diesem Honorar den Stier bearbeitet. Den Grossstier gibt es also ab 3000 Franken», erläutert Sonderegger. Beim kleinen ist es rund die Hälfte. Geht es nach den Initianten, sollen künftig gleich ganze Stierfamilien den Kanton bevölkern.

«Wir konnten bereits Stiere verkaufen, obwohl die Ausschreibung noch nicht einmal gestartet ist.»

Kathrin Sonderegger, Zuger Stierparade

Dass sich der Künstlerpool schon bald mit Ideen füllen wird, darf man durchaus erwarten. Schliesslich geht der Künstler keinerlei Risiko ein. Es stellt sich jedoch die Frage, ob sich überhaupt jemand dazu bereit erklärt, den nicht ganz so kleinen Betrag in die Hände zu nehmen, um damit einen Kunststoffstier bespielen zu lassen. Kathrin Sonderegger macht sich diesbezüglich keine Sorgen: «Es gibt viele kulturfördernde Firmen und Stiftungen in Zug. Das wird hier funktionieren, davon bin ich überzeugt. Schliesslich konnten wir bereits jetzt einige Stiere verkaufen, obwohl die Ausschreibung noch nicht einmal gestartet ist.»

Alter Wein in neuen Schläuchen

So ganz neu ist die Idee indessen nicht. Es gibt zwei bekannte Vorläufer aus Zürich: Zum einen bunt bemalte Löwenskulpturen aus dem Jahr 1986, zum anderen die «Zürcher Kuh-Kultur» 1998, als bemalte Kühe die Stadt zierten. «Es geht allerdings nicht darum, wie damals in Zürich die Rohlinge einfach zu bemalen», merkt Tolusso an. «Die Möglichkeiten sind vielfältiger. Der Rohling kann zum Beispiel eingeschmolzen und neu formiert werden.»

Kathrin Sonderegger mit einem Stierrohling.

Kathrin Sonderegger mit einem Stierrohling.

(Bild: pbu)

«Die Idee an sich ist nicht neu», merkt auch Sonderegger an. «Aber wir setzen sie anders um.» Konkret: Nicht nur bildnerisch Gestaltende werden angesprochen, sondern alle künstlerische Sparten. Selbst ein Autor könne mitmachen, wie sie betont: «Er schreibt zum Beispiel über den Stier und nutzt den Rohling, indem er aus diesem einen Sitz macht. Die Leute können sich dann da rein setzen und die Geschichte hören.»

Aus Feind mach Freund

Das Konzept dahinter sieht vor, zwei Diszipline zusammenzuführen: «Es ist der Versuch, eine Verbindung zwischen Kunst und Wirtschaft herzustellen», erklärt Tolusso. «Wir wollen Kulturschaffende und Wirtschaftsvertreter in einen Dialog setzen. Wie bringe ich künstlerisches Gedankengut in die Gesellschaft? Das ist die leitende Frage.» Tolusso selbst sehe sich selbst dabei in der Rolle der Vermittlerin zwischen den beiden Gebieten – als Stallmeisterin sozusagen, die ihre Schützlinge in die temporäre Obhut bereitwilliger Stierbändiger gibt.

«Wir wollen jungen Künstlern zeigen, dass die Zusammenarbeit mit Unternehmen fruchtbar sein kann.»

Kathrin Sonderegger

Man wolle so auch Vorbehalte gegenüber dem kommerziellen Kunstmarkt bereinigen. Viele Kunstschaffende stünden auf «Kriegsfuss» mit Wirtschaftsvertretern, konstatiert Sonderegger. «Wir wollen die Hemmschwelle etwas senken und gerade jungen Künstlern zeigen, dass die Zusammenarbeit mit Unternehmen durchaus fruchtbar sein kann.»

Claudia Tolusso, gestalterische Leiterin.

Claudia Tolusso, gestalterische Leiterin.

(Bild: zvg)

Echte Kunst versus plumpe Imagepflege

Auch Claudia Tolusso ist guten Mutes, dass sich die hiesigen Wirtschaftsvertreter darauf einlassen werden. «Ihnen geht es dabei um Imagepflege und darum, in Zug mit ihrem Namen präsent zu sein», meint sie. «Mein Projektwunsch wäre, wenn Käufer und Kunstschaffende in einen Dialog kommen. Damit Berührungsängste abgebaut werden und Raum für einen Dialog entsteht, der von gegenseitigem Nutzen geprägt ist.» Schade wäre es, wenn der Käufer den Stier kaufe und den Künstler einfach machen liesse.

Sonderegger und Tolusso geizen bei ihrem Vorhaben jedenfalls nicht mit Ambitionen: Ganze 200 Stück Vieh soll die Stierparade dereinst umfassen. Ob ihnen die angestrebte Annäherung zwischen Wirtschaftsvertretern und Künstlern dabei gelingen, oder das Projekt letztlich zur reinen Firmen-PR verkommen wird, bleibt dahingestellt.

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