Seal am Luzerner Blue Balls

Ein Konzertabend mit Vorturner Seal

Der britische Schmusefunker Seal trieb sein Publikum am Blue Balls zu tänzerischen Höchstleistungen. Zwischen Welthits, Weltschmerz und schnellen Beats konnte auch eine Stimme, die den Erwartungen nicht ganz gerecht wurde, das kollektive Glück nicht trüben.

Seal? Der Name weckt Erinnerungen. An die 90er-Jahre, als der Brite Hit um Hit produzierte und Millionen der Schmachtfetzen verkaufte – und damit nicht nur die Herzen der Fans, sondern auch jenes von Heidi Klum eroberte. Tempi passati. Klum ist längst über alle Berge, und der letzte grössere musikalische Erfolg Seals ist auch schon acht Jahre her.

Stimmlich nicht auf der Höhe

Aber das scheint an diesem Abend nebensächlich zu sein, das Publikum füllte das KKL auch nicht wegen seiner aktuellen Songs, sondern um den Chartstürmer aus den 90er-Jahren zu hören. Und die holt er denn auch gleich zu Beginn ab, mit einer eher ungewöhnlichen Interpretation seines ersten Hits überhaupt, «Crazy». Mit viel Geschwindigkeit geht es weiter. Mit dem angeschlagenen Tempo nicht ganz Schritt halten kann jedoch er selbst. Die für Einzigartigkeit bekannte, sanfte und kratzig zugleich klingende Stimme scheint ihn an diesem Abend etwas im Stich zu lassen. Besonders in schnellen Stücken bleibt die Dynamik immer wieder auf der Strecke. Was das Publikum so wenig zu stören scheint wie seine gegenüber früheren Zeiten von vier auf zwei Musiker geschrumpfte Begleitband.

Überhaupt das Publikum. Gut durchmischt, einige jüngere, viele 50+, nicht wenige noch etwas betagtere. Und durchs Band gut gelaunt. Den Flirt mit seinem Publikum beherrscht Seal an diesem Abend, wenn sich auch nie eine echte Vertrautheit einzustellen vermag. Einer amerikanischen Umarmung gleich berührt man sich, ohne sich näher zu kommen. Professionell ist die Performance, energiegeladen, ohne jene Intimität aber, die man sich in Momenten gewünscht hätte, in denen sich der Sänger immer wieder unter seine Fans mischte.

Kollektives Glück im Gruppengesang

Faszinierend dennoch, wie es Seal einem Vortänzer gleich schon beim zweiten Stück schafft, das Parkett in Stehplätze zu verwandeln. Und nach rasantem Auftakt und akustischen Stücken zur Konzertmitte dann die grosse Aktivierungstherapie. Ein Aufruf des Soulpopers, und das Spalier im Saal steht, als ob er noch einmal eine jährliche Hochzeitszeremonie mit seiner Heidi begehen würde. Reihenweise schunkelt Jung und Alt zu Vorturner Seal im Takt, das hätte selbst Helene Fischer nicht besser hinbekommen.

Beim Megahit «Kiss from a Rose» ist es um das Publikum dann ganz geschehen und man entschwebt im Gruppensang auf Wolke sieben. Mit dem gemeinsamen dadada-dadada-dada-Gesang sind auch Seals hilflos wirkende Einordnungsversuche zum aktuellen Weltgeschehen vergessen und das kollektive Glück greift im KKL um sich. Dass er in einer grossen Gestik am Ende sein Herz in den Raum entlässt, ist eine weitere Zugabe für ein entrücktes Publikum, dem seine Stimme längst egal ist.

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