Die prägende Figur der Luzerner Rockszene

Von Möped Lads bis Mother’s Pride – er hatte sie alle

Deezl Imhof ist voll in seinem Element: Hinter den Reglern. (Bild: zVg)

Der Selfmade-Soundspezialist Deezl Imhof hat mit seinen Produktionen die Luzerner Rockszene geprägt – aber nicht nur. Deezl ist roher Rock’n’Roll, sein Gehör durchdringt Gitarrenwände, und wer den unpolierten Klang sucht, liegt beim 48-Jährigen goldrichtig. Aber es gibt auch Musiker, die ein wenig Angst vor ihm haben.

Im Renggloch, dort wo sich Autogaragen und Kampfkunst-Ateliers in die steile Strassenkurve drücken, haben sich mit der Soundfarm (Marco Jencarelli) und Deezl’s Foolpark Recording die zwei bekanntesten Studios für einheimische Pop- und Rockproduktionen niedergelassen. Sitzt man in den Ledersofas im Foolpark und lässt den Blick in den Raum schweifen, knistert Rock’n’Roll. Ein alter Industrieraum, hohe Wände, Instrumente, Mikrofone, Regale mit Tonbändern, Büchern und Zeugs. Der Pilatus erhebt sich hinter der Fensterfront, das waldige Vorhügelgebiet rückt ins Blickfeld und auch der Renggbach gleich vor der Tür. Er fliesst hier viel behäbiger, als sein Name vermuten lässt.

«Ich komme aus einer Theologenfamilie und sollte Priester werden. Deswegen mache ich Rock’n’Roll.»

«Herzblut» ist das Erste, was Deezl auf die Frage sagt, wie es eigentlich begonnen hat für ihn. Er hat nie etwas anderes gemacht, als sich mit Musik zu beschäftigen, um daraus in stetiger Dynamik zum gefragten Engineer und Produzenten zu werden. «Ich komme aus einer Theologenfamilie und sollte Priester werden. Deswegen mache ich Rock’n’Roll.» «Fooltier» hiess seine Band, als er noch Gitarrist war. Das passt zu seiner Haltung, wie ein kleines Grinsen bestätigt: «Ich habe früh begriffen, dass ich nicht für die normale Arbeitswelt geschaffen bin. Ich konnte mir nie vorstellen, in dieser einzusteigen und zu funktionieren. Als sie mich in der Primarschule fragten, was ich einmal werden wolle, sagte ich: ‹Raucher›.» Das ist er geworden. Den Rest hat er sich selber erarbeitet.

Deezl Imhof: In der Primarschule wollte er «Raucher» werden.

Deezl Imhof: In der Primarschule wollte er «Raucher» werden.

(Bild: zVg)

Böse gesagt: «Der Chef»

Es ist eine ganze Menge. Ganz natürlich ist es immer weitergegangen, vom ersten Vierspurgerät zu Achtspuraufnahmen und weiter auf der analogen Möglichkeitsskala bis hin zum eigenen Studio. Bei ihm prangen keine Bildschirme über den Gerätschaften, dafür steht in einer Ecke noch eine Studer-A820-Bandmaschine. Das Trident-Mischpult stammt aus London, «sehr schöne Preamps, analoger Sound auf hohem Level». Wo digital ausgerichtete Studios ständig am Nachrüsten sind, setzt Deezl auf sein bewährtes, eher schlichtes, wenn auch heimlifeisses Equipment. «Ich arbeite immer noch mit dem Urei-1176-Kompressor, weil es einfach der beste Drum-Kompressor ist, der je gebaut wurde.» Deezl ist trotzdem nicht der herkömmliche Analog-Fetischist. Er produziert so, weil es schlicht am geilsten klingt für das, was er will.

«Ich höre, denke und arbeite mit. Ich bin wie ein Mitglied der Band.»

Er will etwas, wenn er mit Musikern arbeitet. Er hat sich nie in der Rolle des reinen Recording Engineers gesehen. «Ich höre, denke und arbeite mit. Ich bin wie ein Mitglied der Band.» Und schiebt mit einem Lächeln nach: «Böse gesagt, der Chef der Band.» Ein guter Produzent könne bewirken, dass das gewisse Etwas passiere. You can make it happen. «Wenn du wirklich mit den Musikern bist, bringen sie es auch. Es braucht eine extreme Konzentration, das ist das Anstrengendste am Job. Und natürlich braucht es gute Ohren.»

Das hat ihm Respekt verschafft, auch bei internationalen Musikern. Etwa beim Ron-Wood-Tribute-Projekt, wo er bei «heavy sessions» in Zug und New York unter anderem mit den Ausnahmegitarristen Albert Lee und Nikki Sudden zusammenarbeitete. Zuerst bist du einfach der «fucking engineer». Irgendwann horchen auch diese Leute auf, wenn du dich voll reingibst und etwas zu sagen hast.» Seine Devise ist in all den Jahren nur noch lauter geworden: «The most important plug in is your ears.»

Die neue Möped Lads

National hat Deezl ab Mitte der 1990er-Jahre vor allem die Rockszenen in Luzern und Basel mit seinen Produktionen auf Schub gebracht. Seine allererstes Album war «Halt’s Maul Blocher» von Die Cadizier, ihres Zeichens «die ungekrönten Meister des Schweizer Kotztüten Politpunkrocks» (Webseite), die zumindest mit ihrem Albumtitel zeitlos geblieben sind. Dann hat er die Band des heutigen SRF-3-Rock-Specials-Moderators Dominik Dillier aufgenommen. Es folgten Musiker und Bands, die alle kennen, die auch nur einigermassen das Rockschaffen junger Bands in den letzten 20 Jahren verfolgt haben (siehe Box).

Deezl Imhof

Deezl Imhof: Hat viele Luzerner Bands beeinflusst – aber nicht nur.

(Bild: zVg)

Zu den treuen Kunden gehört Luke Gasser, der gerade auf Tour mit «Nazareth» war und bereits fünf Alben im Foolpark gemacht hat. Eine neue CD ist in Vorbereitung. Auch die letztjährige CD der Humanoids hat Deezl produziert. Auch Rams hat sein neues Album hier eingespielt. Auch im Kasten ist das neue Album der Möped Lads, das im April erscheint. «Eine wunderschöne Platte, das donnert mächtig, schöne Songs.»

«Ich mache keinen Pop, auch wenn ich es könnte.»

Deezl ist bekannt für seinen Gitarrensound. Da drückt er seinen eigenen Stempel auf. Ein wenig dreckig, körnig, rau. «Einfach nicht geschliffen. Es klingt nicht nach Luzern oder der Schweiz. Ich liebe es analog und authentisch – und international.» Das beeinflusst auch seine Produktionen. «Ich mache keinen Pop, auch wenn ich es könnte.» Handkehrum habe er viel Metal produziert, obwohl er selber nicht Metal höre. «Ich weiss, wie es klingen muss.» Dass er bei der deutschen Metal-Queen Doro Pesch Co-Produzent des Albums Warrior Soul wurde, freut ihn. «Dann merkst du, dass du nicht einfach Blödsinn machst.»

Sein Gehör macht Deezl nicht nur für Gitarren zu einem Experten. Es macht ihm Spass, schöne Gitarren zum Klingen zu bringen. «Aber Drum-Sounds sagen mir eigentlich mehr zu, das ist noch eine Spur interessanter.» Auch für Instrumente, die er nicht selber spielt, hat er in all den Jahren ein Flair entwickelt. «Rein mental spiele ich jedes Instrument. Ich kann sagen, was einer anders machen muss, damit es besser kommt. Das haben mich die Beobachtung und Erfahrung von 20 Jahren gelehrt.» Deezl macht sein Mischpult zum Instrument. Er versteht sich nicht als Techniker, sondern als Musiker.

Ein Blick in die Foolpark Studios.

Ein Blick in die Foolpark Studios.

(Bild: Highslide JS)

«Fucked up» und korrupt

Natürlich sind die bedeutungsloser gewordenen CD-Verkäufe und das serbelnde Musikbusiness am Foolpark nicht spurlos vorbeigegangen. «Die Leute haben zunehmend kein Budget mehr, um eine ganze CD zu produzieren. Früher hat eine Schweizer Band 2000 bis 3000 CDs verkauft, heute sind es 200 bis 300. Der Rest wird gratis gehört. Das ist der Todesstoss. Die Musik ist nichts mehr wert.» Warum die ganze Gesellschaft mittlerweile MP3 hört, ist ihm ein Rätsel. «Die Leute kaufen immer mehr Speicherplatz, aber die Qualität scheint keine Rolle zu spielen.» Eine weitere Konkurrenz sind vor allem die Heimstudios, in denen heute jeder selber seine Stücke aufnehmen kann. Trotzdem: «Früher oder später kommen sie wieder zurück. Es braucht jemanden, der zuhört und weiss, was und wie sie spielen und singen sollten.»

«Jammern ist mir zu blöd.»

Deezl lässt sich von dieser Entwicklung nicht aus dem Ruder bringen, auch wenn die Intensitätskurve seiner Produktionen abgenommen hat. Er nimmt den Lauf der Dinge, wie er kommt, und macht das Beste draus. «Jammern ist mir zu blöd.» Das offizielle Musikbusiness, wie es sich seit zehn Jahren zugespitzt hat, geht ihm ohnehin am Arsch vorbei. «Fucked up» und «korrupt» lautet sein Urteil. Es klingt ziemlich gelassen. Fast scheint es, als wäre die Gesellschaft eh schon hoffnungslos unterwandert. «Schalte einmal ‹Radio Pilatus› oder ‹SRF 3› ein, dann weisst du: Es wird einem, mit Ausnahme in den Specials, nur Müll vorgesetzt. Wenn man die Leute mit Müll füttert, wollen sie auch nichts anderes hören. Da hört der Spass auf. Das ist fast schon bösartig.»

«Eminem ist unschlagbar.»

Dabei gehe es nicht um das Genre, betont Deezl. «In jedem stilistischen Gebiet gibt es gute und schlechte Musik. Es gibt sogar gute Schlager. Es ist nicht einfach etwas scheisse, nur weil es einem selber nicht gefällt. Auch das lernt man in diesem Job.» Zum Beispiel Eminem. «Ich habe keine Platte von ihm, aber er ist unschlagbar.» Überraschenderweise verträgt er Led Zeppelin überhaupt nicht. «Mit Jimmy Page habe ich noch nie etwas anfangen können. Oder Pink Floyd: ‹The Wall› kann ich nicht hören, aber ‹Wish You were here› ist eine der geilsten Platten, die ich kenne.»

Lazarus und Hunger

Privat hört Deezl nicht sehr viel Musik. In der letzten Zeit sind es eher ruhigere Sachen. Singer-Songwriter-angehauchte Bands: Eels, Johnny Cash, Mark Lanegan. «Ich habe es lieber sparsam und will weniger Wände, die mich wegblasen.» Trotzdem wird er die Live-Konzerte von Eagles of Death Metal und Monster Magnet nicht verpassen. Die bringen sein altes Rockerherz zum Schlagen. Was ihn in jüngster Zeit wirklich umgehauen hat, ist der Song «Lazarus» von David Bowie. «Das ging mir an die Seele. Diese einfachen Worte, und wie sie wirken.» Und dann die Sophie Hunger, die er im Südpol wieder mal gehört hat. «Sie ist eine geniale Musikerin. Sie schafft es, eingängige hooklines in ein ‹jazzy mess› zu verpacken, das ist musikalisch sehr abgefahren. Da erinnert sie mich sogar an Bowie oder auch an Prince, die diese Kombination perfekt beherrschen.»

«Ich habe meine eigene Qualität. Mein Vorbild ist der Bach da draussen.»

Ambitionen? «Ich war von Anfang an in der Indie-Szene drin, mit sehr grossen Namen habe ich selten gearbeitet. Hätte ich wirklich Ambitionen gehabt, wäre ich Musiker geworden. Aber ich stelle mir das schrecklich vor, eine grosse Nummer zu sein und nicht mehr normal aus dem Haus gehen zu können.» Er hat auch kaum je Anstrengungen unternommen, um sich als Mr. Foolpark und Produzent im Gespräch zu halten. Er hat einfach gemacht und sich dadurch einen bestimmten Ruf erarbeitet. Umso schräger kommt es ihm vor, wenn er manchmal hört, dass sich Musiker nicht wagen, ihn als Produzenten anzufragen. Angst haben, vor ihm Gitarre zu spielen. Er schüttelt den Kopf. «Das verstehe ich nicht … bloss weil ich es sage, wenn ich etwas scheisse finde?»

Eine weitere Zigarette glimmt auf. Deezl, das analoge Gehör, hat viel erzählt. Auch zu möglichen Vorbildern hat er sich geäussert. «Natürlich gibt es einen Rick Rubin, aber es interessiert mich nicht, ihm nachzueifern. Ich habe meine eigene Qualität. Mein Vorbild ist der Bach da draussen.» Wie bitte? «Schau ihn an, so muss es tönen!»

Musiker von klein auf

Deezl Imhof wurde 1967 in Luzern geboren. Schon als Jugendlicher hat er Musik gespielt und erste Vierspuraufnahmen gemacht. Als Selfmade-Engineer hat er ein Studio aufgebaut und sich sukzessive zum Produzenten entwickelt. 1996 eröffnete er in Zug die Foolpark Recordings. Vor sieben Jahren hat er das Studio an den heutigen Standort in Obernau/Kriens gezügelt.

Im Foolpark sind einige der bedeutendsten Scheiben des Schweizer Indierocks aufgenommen und produziert worden, allen voran aus der Basler und Luzerner Szene. Das war zu den Zeiten, als es noch eine Luzerner Rockszene gab. Möped Lads, Mother’s Pride, Madeinmind, Neutones, Neviss, Highfish, Meyer, Marygold, Rag Mama Rag, Valium Speed, Lahar, Lird van Goles, Luke Gasser, Failed Teachers, Reto Burrell, Dada Ante Portas, Coal, Solitune und viele andere.

Deezl produzierte auch die Zuger Band Delilahs oder die Basler Lombego Surfers, Toxic Guinea Pigs oder Supernova. Nicht zu vergessen Zach Prather, den er schätzt. Rams. Marc Storace. Rosebud aus Zürich. The Vibes. The list goes on. Auch Indierock-fernere Bands wie Angy Burri, Dusty Boots, Black Mountain Blues Band oder Frölein Da Capo haben im Foolpark aufgenommen. Oder Sway89 mit einem gewissen Damian Lingg. Aus ihm ist der aktuell bekannte Luzerner Singer-Songwriter Damian Lynn geworden.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von George Scheidegger
    George Scheidegger, 09.03.2016, 17:53 Uhr

    Deezl Imhof – eine der wenigen authentischen Figuren in der Schweizer Rock-Szene! Diesen coolen Bericht hat er mehr als verdient!

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