Zuger Zwischennutzung «Kolin21»

Ein letztes Lebenszeichen vor dem endgültigen Aus

Installation «shelter» von Anna Margrit Annen. (Bild: zvg)

Aus, Ende, vorbei: Die Tage der kulturellen Zwischennutzung am Kolinplatz 21 in Zug sind gezählt. Die letzte Ausstellung läutet den Abbruch ein. Das Bedauern ist gross, denn ein zweites «Kolin21» wird es so schnell nicht geben.

In Zug ist die Wehmut über das nahende Ende gross, auch wenn von Anfang an klar war, dass der Kulturraum «Kolin21» ein temporärer sein wird. Nach gut zwei Jahren der Zwischennutzung werden die Räumlichkeiten am Kolinplatz 21 im April abgerissen. Entstehen werden dort ein Bistro oder Café sowie preisgünstige Wohnungen für Studenten (zentralplus berichtete).

«Ich bedauere es sehr, dass es nun vorbei ist», sagt die Stadtzuger Kulturbeauftragte Jacqueline Falk. Das treffe auch auf eine Heerschar aus hiesigen Künstlern zu, welche ihre Installationen gerne im Kolin21 gezeigt hätten. «Wir mussten vielen Anfragen absagen. Sowohl solchen, die bereits hier waren, als auch jenen, die noch etwas machen wollten.»

Eine kulturell pulsierende Brandruine

Rückblende: Das Haus am Kolinplatz 21 wurde im Jahr 1999 nahezu vollständig durch einen Brand zerstört. Nur das Erdgeschoss konnte anschliessend noch genutzt werden. Das einzige Überbleibsel war damit das traditionelle Musikhaus Schmitz. 2014 verschwanden allerdings die Blasinstrumente und Gitarren aus dem Schaufenster – Schmitz verlegte sein Geschäft an die Ägeristrasse. Die städtische Liegenschaft – oder besser: das, was davon übrig war – stand nun also leer.

«Wir wollten ‹Auslandzuger› zurück in die Stadt holen.»

Jacqueline Falk, Kulturchefin Stadt Zug

Aber nur bis zum 5. April 2014. Die Gruppenausstellung «The Museum of the Unwanted» gab den Startschuss zur kulturellen Zwischennutzung Kolin21 (zentralplus berichtete). Schnell etablierte sich der temporäre Kulturraum zu einem beliebten Hotspot für lokale und überregionale Kulturschaffende. Es folgte eine von der Zürcher «TomBola» kuratierte Ausstellungsreihe mit Werken von jungen Zugern wie Sara Masüger oder Jonas Burkhalter.

«Globuhkraha» von Barbara Brülisauer, Gianin Conrad und Antshi von Moos.

«Globuhkraha» von Barbara Brülisauer, Gianin Conrad und Antshi von Moos.

(Bild: zvg)

«Martha Martha» von Jonas Burkhalter, Tarik Hayward und Lucas Herzig.

«Martha Martha» von Jonas Burkhalter, Tarik Hayward und Lucas Herzig.

(Bild: zvg)

«Prime Like» von Ramon Hungerbühler, Sinae Yoo, Philémon Otth, Stefan Burger, Nils Amadeus Lange und Timothy Lee Standring.

«Prime Like» von Ramon Hungerbühler, Sinae Yoo, Philémon Otth, Stefan Burger, Nils Amadeus Lange und Timothy Lee Standring.

Später die Ausstellung «Teilung» der beiden Künstler Antonia Bisig und Markus Uhr. Im Oktober 2015 spannte die Zugerin Patricia Jacomella mit «Between the Lines» ihr Netz am Kolinplatz (zum Bericht). Dann hingen die Bilder des Zugers Heinz Ruhstaller, der seine Ausstellung «Realistischer Superlokalpatriotismus» nannte.

«Between the Lines» von Patricia Jacomella.

«Between the Lines» von Patricia Jacomella.

(Bild: pbu)

«Last Island» von Sara Masüger.

«Last Island» von Sara Masüger.

«Teilung» von Antonia Bisig und Markus Uhr.

«Teilung» von Antonia Bisig und Markus Uhr.

«Superlokalpatriotismus, das ist ein schöner Titel», findet Jacqueline Falk rückblickend, «denn er passt ausgezeichnet zum Konzept der Zwischennutzung Kolin21.» Der Zuger Bezug sei ihr immer wichtig gewesen, ebenso wie die Absicht, junge, innovative und avantgardistische Künstler zu fördern. «Wir wollten ‹Auslandzuger› zurück in die Stadt holen. Und sie sind gekommen. Für einmal nicht, um ‹nur› Ehrungen und Kunstpreise in Empfang zu nehmen.»

Die nomadische Künstlerin

Anna Margrit Annen ist 1951 in Baar geboren. Sie studierte Kunst in Luzern und Basel und erlangte einen Diplomabschluss in audiovisueller Gestaltung. Seit 1985 arbeitet sie als freischaffende Künstlerin. Seither ist sie als «nomadische Künstlerin» unterwegs. Das heisst, sie hat kein festes Atelier und arbeitet temporär an unterschiedlichen Orten. Annen arbeitet mit verschiedenen Medien und Materialien, seien es Malereien, Videos, Fotografien oder auch Installationen. Mehr Infos finden sich auf ihrer Homepage.

Ein Obdach bis zum Abbruch

So wie die Zugerin Anna Margrit Annen (siehe Box). Die Künstlerin kehrte vorübergehend in ihre Heimatstadt zurück und beschäftigte sich seit Anfang Januar mit den Räumen am Kolinplatz. Sie liess die Umgebung zunächst auf sich wirken und begann dann Schritt für Schritt mit der Umsetzung ihres Projekts «shelter». Jeweils am Freitag konnten Besucher das temporäre Atelier besichtigen, Entwicklungen beobachten und dabei mit der Künstlerin ins Gespräch kommen. Eine raumfüllende Installation und verschiedene Eingriffe in die Beschaffenheit des Raumes sind nun das Ergebnis. Vernissage ist am 27. Februar 2016.

«Seit Jahren schon beschäftige ich mich mit dem Thema Unterwegssein», erklärt Annen. Sie arbeite zwar nomadisch, das heisst ohne festes Atelier. Aber auch wenn man ständig unterwegs sei, brauche es ein Obdach, in das man einkehren könne, wenn auch nur vorübergehend. «Der Begriff ‹shelter› passt somit nicht nur zu meiner Arbeit, sondern beschreibt auch, wie die Stadt Zug mir einen Schutzraum gewährte.»

Ihre Installation sei «work in progress». Es gehöre zu ihrer Arbeit, dass diese sich entwickle. Deshalb wird «shelter» nach dem Abriss nicht zu Ende sein: «Das Objekt ist in einer knalligen roten Farbe gehalten. Das heisst, dass man die Reste auch in den Trümmern noch sehen wird.»

Der Vorteil einer Zwischennutzung sei, dass man durch den drohenden Abriss ein grosses Stück an Freiheit gewinne, sagt Martin Riesen vom «EVA-Lab», der selber auch im Kolin21 ausgestellt hat. «Wir konnten hier bohren, Sachen aufhängen, uns austoben. Wir waren frei und konnten Sachen machen, die man sonst nicht machen kann.» Für ihn gibt es deshalb nur eine Devise: «Mehr davon!»

«Eine kommerziell ausgerichtete Galerie würde dieses Risiko wohl nicht eingehen.»

Anna Margrit Annen, Künstlerin

Ein Schutzraum für die Kunst

Solche Räume seien dringend notwendig, konstatiert die Künstlerin Annen. Da könne man Dinge ausprobieren, die in einer Galerie schlicht unmöglich wären. Sie spricht von einem Schutzraum für die Kunst. «Der Raum muss nicht schön gehalten werden. Man kann sich vertun. Etwas wagen. Und vielleicht auch scheitern. Eine kommerziell ausgerichtete Galerie würde dieses Risiko wohl nicht eingehen.»

Das Kolin21 sei ein Charakter-Raum an sensationeller Lage, sagt Falk. Einen Ersatz dafür zu finden, dürfte schwierig werden. «Aber wir halten die Augen offen. Schliesslich gehört es zu unserer Kulturstrategie, Zwischennutzungen zu fördern. Irgendwo geht immer eine Tür auf.»

So wie zum Beispiel bei der Kulturwohnung direkt beim Bahnhof. Das Kulturprojekt «d’Wohnig» wurde kürzlich unerwarteterweise für sechs Monate verlängert (wir berichteten). Und die nächste Gelegenheit kommt bestimmt.

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