50 Fragen an Gabriel Felder

«Habt keine Angst vor eurem Kern»

Einst war Gabriel Felder ein national gefeierter Radiomoderator und Sänger. Mittlerweile hat sich der Luzerner vom Schweizer Chart-Leben verabschiedet und lebt weit, weit weg in der Weltstadt London. Für uns ist das immer noch nah genug, um ihm unsere 50 Fragen zu stellen.

Er hört es zwar heute nicht mehr gerne, aber er war ein «Star». In den 1990er-Jahren war Gabriel Felder bei Radio Pilatus und moderierte die Schweizer Hitparade auf DRS3. Später wurde der Luzerner Programmleiter bei Radio 105 und stürmte selbst die Charts mit Hits wie «Shine» oder «Summerdaze».

Und heute? Ist er von der Bildfläche verschwunden? Nicht ganz, es hat ihn nach London verschlagen. Per Skype stellt sich Gabriel Felder unseren 50 Fragen – und kommt dabei ins Philosophieren.

1.  Gabriel, du wurdest am 1. November 48 Jahre alt. Was hast du dir zum Geburtstag gewünscht?

Schönes Wetter, damit ich mit Freunden im Park spazieren gehen kann. Dieser Wunsch hat sich zum Glück erfüllt. Über London schien tatsächlich die Sonne. 

2. Welche Sehnsuchtswünsche hast du dir bisher im Leben erfüllen können?

In London zu leben. Das war schon immer ein grosser Wunsch von mir.

3. Wieso London?

Ich kann das gar nicht so genau sagen. London als Weltstadt hat mich immer fasziniert. Letztlich war es der Beruf, der mich hierher gebracht hat.

4. Was fehlt dir?

Die frische Luft. In der Schweiz ist die Luft viel besser.

5. In welcher Sprache denkst oder träumst du, Englisch oder Mundart?

Das ist mittlerweile ein Mix. Meine Freunde aus London kommen zum Teil in meinen Träumen vor, mit ihnen spreche ich Englisch. Aber Mundart ist natürlich auch immer noch dabei.

6. Besuchst du ab und zu Luzern?

Ja, ich liebe Luzern. Heute erlebe ich es als Tourist.

7. Wie sieht dein Alltag in London aus?

Ich bin Freischaffender im Erziehungsbereich und habe ein eigenes Geschäft als Privatlehrer. Dabei gebe ich Privatstunden in den Fächern Englisch und Mathematik. Ich schreibe auch für die «Neue Luzerner Zeitung» und übersetze. Daneben habe ich ein Kinderbuch geschrieben. Ich hoffe, es demnächst herausbringen zu können.

8. Wovon handelt es?

Es ist eine Serie. Es geht darum, Kindern Zugang zu den eigenen Gefühlen zu ermöglichen. Kinder fühlen sehr intensiv, sehr viel unfiltrierter, aber sie haben selten die Gelegenheit, zu reflektieren oder mehr herauszufinden. Im ersten Buch der Serie geht es um einen Buben, der heisst Warwick, und er ist konfrontiert mit Gefühlen. Ich schreibe immer eine Geschichte rund um ein bestimmtes Gefühl.

9. Wie heisst das Buch?

Der erste Band heisst «Warwick and the Happy Feeling». Dabei geht es darum, wie man mit dem Umstand umgeht, dass ein Glücksgefühl kommt und geht. Das Kommen ist ja nie das Problem, man nimmt Glücklichsein gerne auf. Aber wie geht man damit um, wenn das Glücksgefühl wieder geht und sich nicht festhalten lässt? Das ist Teil eins. Und jetzt gerade bin ich bei Teil zwei: «Warwick and the Stormy Feeling». Da geht es mehr um die intensiven Gefühle wie Wut und Aggression.

«Heute erlebe ich Luzern als Tourist.»

10. Deine Arbeit war immer schon hauptsächlich an Jugendliche adressiert. Was ist deine wichtigste Botschaft an die Jugend von heute?

Ich finde es etwas suspekt, wenn Ältere den Jüngeren Botschaften mit auf den Weg geben, weil man schlussendlich alles selber erfahren muss. Aber ich würde sagen: Habt keine Angst vor eurem Kern und seid euch selbst.

11. Gibt es in deinem Privatleben Kinder, zu denen du einen engeren Bezug hast?

Ja, ich bin Mentor eines 9-jährigen Bubs. Wobei Mentor sehr formell klingt. Das ist ein Bub aus meinem Freundeskreis, der adoptiert wurde. Ich bin seine männliche Bezugsperson, die in seinem Umfeld sonst fehlt.

12. Velo oder Taxi?

Velo.

13. Deine eigene Jugend war stark vom Plattenauflegen geprägt. Legst du heute noch Musik auf?

Ich würde gern. Hiermit mache ich Werbung, falls mich mal jemand in Luzern engagieren will. Er lacht. Ich habe hier in London bei Geburtstagspartys von Freunden ab und zu aufgelegt. Ich mache es sehr gerne, habe aber im Moment keine regelmässige Plattform. Ich finde es sehr spannend, Musik aufzulegen und die Leute zum Tanzen zu bringen. 

14. Wie bist du der Musik heute verbunden?

Überlegt ... Mehrheitlich als Konsument. Ich höre mir immer noch sehr gerne Musik an. Musik begleitet mich durch den Tag, aber ich bin nicht mehr selber aktiv am Musizieren. 

15. Du nimmst also keine eigenen Songs mehr auf?

Nein. Es hat kein Zucken mehr gegeben, einen Songtext zu schreiben oder eine Musikerkarriere zu verfolgen. Ich bin auch nicht mehr ganz in dem Alter, in dem man das als Frontperson im Rampenlicht machen kann. Ich bin zufrieden mit einem simplen, aber erfüllten Leben.

16. Hörst du dir deine alten Lieder heute noch an?

Ja. Ein paar kommen ab und zu an die Oberfläche. Dann höre ich mir das an und finde: Da steckt wirklich ein Teil meiner Geschichte drin. Ich stehe sehr hinter dieser Musik und weiss gleichzeitig, dass das Produkt von jemand Jüngerem, Unerfahrenerem ist.


17. Gibt es Lieder, die dir peinlich sind, wenn du sie wieder hörst?

Nicht wirklich. Erstens höre ich sie nicht sehr oft und zweitens finde ich, sollte man sich nicht schämen für irgendetwas im Leben, das man kreativ in die Welt gestellt hat. Weil da immer etwas dahinterstand, woran man geglaubt hat.

18. Hast du Lieblingslieder – also von anderen Musikern?

Ich habe eine Platte, die ich mir im Moment sehr gerne anhöre. Die ist von «Rumer» und heisst «Season of my Soul». Fast jedes Lied da drauf finde ich berührend, das Album ist meiner Meinung nach ein moderner Klassiker – sehr empfehlenswert.

19. Singst du unter der Dusche?

Das habe ich nie wirklich gemacht, ehrlich gesagt!

20. Wie sieht deine musikalische Top-Five of All Time aus?

Er überlegt intensiv. Im Moment würde ich spontan sagen: Rumer, Alanis Morissette, Blur, Oasis, The Maccabees.

21. Ist populäre Musik deiner Meinung nach in den letzten Jahrzehnten besser oder eher schlechter geworden?

Die Musikindustrie hat nicht mehr so einen Würgegriff um die Kreativität der Leute. Heute kann man sich die Gitarre nehmen, ein Lied singen und auf Youtube stellen. Wenn das Lied etwas hat, das die Leute erreicht, etwas auslöst oder berührt, kann es sich verbreiten ohne den «Chef mit einer dicken Zigarre im Mund». Da ist ein demokratischer Prozess am Laufen, der sehr gut für die Kreativität ist. Das macht die Musikszene heute viel lebendiger und interessanter, finde ich.

«Man sollte sich nicht schämen für das, was man kreativ in die Welt gestellt hat.»

22. Wenn jeder der letzten zwölf Monate in deinem Leben ein Lied mit eigener Melodie war, was wäre dann der Albumtitel für dein vergangenes Jahr?

Wenn man älter wird, findet man heraus, dass das Leben eine andauernde Zeitstrecke ist, bei der man versucht, herauszufinden, wer man ist, warum man hier ist und wie man sich am besten in diese Welt einbringt. Darum würde ich sagen: Finde deinen Kern oder: Find your Core.

23. Disco-Pop oder Punk-Rock?

Keines von beidem (lacht). Es wäre im Moment eher Folk-Music. Etwas Authentisches, Akustisches.

24. Richard Chamberlain oder James Dean?

James Dean.

25. Welchen Film kannst du dir immer wieder anschauen?

Den ersten Film der Matrix-Reihe.

26. Was fasziniert dich daran?

Die Philosophie: Was ist Realität, was Illusion? Die grossen buddhistischen Fragen, die immer mehr Mainstream werden.

27. Bei welchem Film war einmal Schauen schon zu viel?

Er überlegt länger. Der Film war so schlecht, ich habe den Namen schon wieder vergessen. Es ging irgendwie um Rumba.

28. Baumhaus oder Puppenhaus?

Baumhaus.

«Die Musikindustrie hat nicht mehr so einen Würgegriff um die Kreativität der Leute.»

29. Katze oder Hund?

Hund.

30. Wie informierst du dich im Alltag?

BBC und The Guardian. BBC fürs Auge und Ohr und The Guardian für den Intellekt.

31. Das wäre meine nächste Frage gewesen: The Guardian oder Daily Mirror?

Definitiv Guardian. Ich habe auch einen Freund, der dort arbeitet, und ich wohne zehn Minuten von der Redaktion entfernt.

32. Und von den Schweizer Publikationen?

Wenn ich wählen müsste zwischen den grossen Zürcher Qualitätstiteln, dann würde ich wahrscheinlich den Tagi wählen.

33. Welches Buch liest du gerade?

«The Children Act von Ian McEwan», das habe ich gerade zum Geburtstag bekommen und es ist sehr spannend. Es geht um die verschiedenen Schattierungen der menschlichen Seele und spielt in London – packend.

34. Welches Buch würdest du weiterempfehlen?

«No Boundary» von Ken Wilber. Auf Deutsch heisst es «Wege zum Selbst».

35. Zeichne bitte mal dein Lieblingstier!

Mit diesem walisischen Collie Annie, dem Hund eines befreundeten Paares, geht Gabriel Felder jeden Freitag spazieren. 

 

36. Nun beginne ich einen Satz und du beendest ihn mit deiner Meinung: Wenn ich sehr glücklich bin, dann …?

… sehe ich blauen Himmel und ein paar Wolken.

37. Wenn ich so richtig traurig bin, …?

… dann weiss ich immer, dass es vorbeigeht, aber für diesen Moment wichtig ist.

38. Wenn ich mich vor Alltagspflichten drücken will, …?

… verschwinde ich im Coffee-Shop. (lacht)

39. In London lebt es sich besser als in Luzern, weil …?

… es mehr Coffee-Shops gibt. (lacht)

40. Luzern ist schöner als London, weil …?

… man überallhin zu Fuss gehen kann. Hier muss man oft seine Reisen sorgfältig planen; mit drei Zügen und vier Bussen. (schmunzelt)

41. Kinder sind für mich …?

… die Botschafter der Zukunft.

42. Schwule Paare sollten Kinder adoptieren dürfen, weil …?

… sie ein Herz haben und in diesem Herz Liebe drin steckt. (sagt es mit tiefer Überzeugung)

43. Ich habe gemerkt, dass ich schwul bin, als …?

Er zögert mit der Antwort. Ich würde die Frage eigentlich gerne offen lassen. Nicht aus einem Widerstand heraus, dass ich hier nichts preisgeben will, aber ich finde, dass es einfach keine grosse Rolle spielt. Und auch weil ich mich ganz ehrlich gesagt nicht daran erinnern kann. Einen Aha-Moment gab es nicht. Viele meinen, bei der sexuellen Identität gebe es eine sehr scharfe Grenze. Ich glaube, dass diese Grenze viel fliessender ist, als dass wir meinen, dass wir beide Anteile in uns drin haben – weiblich und männlich –, und dass es da nicht so historische Momente gibt, wo man quasi «erwacht».

44. Trotzdem ist das sogenannte «Coming Out» häufig ein Thema. Kannst du erzählen, wie das bei dir war?

Das kommt sehr auf das soziale Umfeld an. Das ist mitunter der Grund, wieso ich hier in London bin. In diesem Umfeld ist das völlig natürlich, hier existiert eine multisexuelle Gesellschaft. Ich sage nicht, dass das überall in London oder überall in England mit der gleichen Toleranz angeschaut wird. Das ist vielleicht durchaus eine Blase, in der ich lebe. Auch in der Schweiz musste ich übrigens nie hinstehen und eine Verkündigung vorlesen. Ich habe versucht, das fliessen zu lassen, und die Leute haben angefangen, zu realisieren und zu akzeptieren.

«Wir haben beide Anteile in uns drin – männlich und weiblich.»

45. Also gab es bei dir kein solches «Coming out»?

Nicht im Sinne einer grossen Rede – die hat nie stattgefunden. Ich habe darüber gesprochen, andere Meinungen angehört und mit der Zeit ist das immer mehr aufgegangen.

46. Rugby oder Kunstturnen?

Rugby.

47. Glaubst du eigentlich an etwas Allumfassendes, so etwas wie «Gott»?

Ich bin überzeugt, da ist eine Intelligenz vorhanden, die alles aus dem Nichts in eine Form gebracht hat, aber nicht aus einer religiösen, engen Scheuklappen-Sicht.

48. Welche persönliche Bedeutung hat Religion in deinem Leben?

Ich bin als Katholik aufgewachsen. Es gab die Erste Kommunion, ein Ritual, an das ich mich sehr gut erinnern kann. Es war sehr aufregend und gab mir eine Idee davon, dass es mehr im Leben gibt als nur das, was man sieht – es geht auch darum, in sich zu gehen. Aber wenn ich in mich gehe, will ich nicht sagen müssen: Das in mir drin ist gut und das ist schlecht. Ganz oft funktioniert Religion so. Ich denke, es geht darum, dass man sich als ganzes Wesen annimmt – sich mit seinen Schattenseiten konfrontiert und auch diese annimmt.

«Ich bin überzeugt, da ist eine Intelligenz vorhanden, die alles aus dem Nichts in eine Form gebracht hat.»

49. Zeige der Kamera bitte einmal, wie du dreinschauen würdest, wenn du erfährst: «Papst schafft Vatikan ab und tritt zurück – Katholische Regierung wird aufgelöst.»

Whaaat?!?!

50. Und zum Schluss: Was willst du noch erleben, bevor du 50 Jahre alt wirst?

Nach Thailand fahren.

Die Fragen stellte Elia Saeed. 

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