Slam-Poetin Hazel Brugger

«Ich bin eigentlich ein ‹gschämiger› Mensch»

Hazel Brugger hat ihr Studium auf Eis gelegt – aus gutem Grund. (Bild: Jessica Wirth)

Hazel Brugger ist die Schweizer Slam-Poetin mit dem Charme einer schamlosen Dampfwalze. Der Tagi nannte sie die «böseste Frau der Schweiz», doch zentral+ lernte sie äusserst nett kennen. Und ziemlich begeisterungsfähig – auf ihre eigene Art.

Sie ist im Luzerner Kleintheater ein ständiger Gast. Einmal im Oktober, im November mit der Premiere des neuen Programms und gleich mit einer eigenen Reihe im kommenden Frühling. Hazel Brugger, die berühmt-berüchtigte Slam-Poetin aus Dielsdorf fühlt sich im Luzerner Kleintheater offensichtlich ganz wohl. «Ja, es passt einfach, und das scheinbar von beiden Seiten her», meint die 21-Jährige und lacht.

Kein Wunder eigentlich, da die Luzerner zwar Slam gerne mögen, aber anscheinend selbst keinen machen wollen – oder können. «Die Slam-Szene Zentralschweiz existiert kaum», bestätigt auch Brugger. Luzern habe dafür Spoken-Word-Künstler, «und den ‹gesunden Menschenversand› – das Beste natürlich».

Gar nicht so böse

Brugger wirkt im ersten Moment genauso wie auf der Bühne. Abgeklärt und schwer zu durchschauen. In ihrer trockenen Art haut sie schlagfertig die Sprüche raus. Und dann aber, aus dem Nichts heraus, lacht sie herzlich. Ein neues Bild, das die Bühnenfigur von der Privatperson sofort abhebt. «Auf der Bühne bin ich eine gesteigerte Version von all meinen negativen Eigenschaften», aber eigentlich sei sie eine ganz fröhliche Person.

«Ich bin begeistert von der Welt!»

Und sie sei keinesfalls die «böseste Frau der Schweiz», wie der Tagesanzeiger sie einmal bezeichnete. «Ich weiss nicht, wie viele Frauen der Tagi sonst so interviewt. Vielleicht waren da nur ich und Nella Martinetti – dann würde ich es verstehen», stichelt sie.

Begeisterung pur

Von der Aussage, sie wirke auf der Bühne nicht sehr begeisterungsfähig, ist sie nicht begeistert. «Ich bin begeistert von der Welt!», ruft sie aus. Tatsächlich kann sich Brugger während des Gesprächs bei Tee und Sonnenschein für ziemlich vieles begeistern.

Zur Person

Hazel Brugger ist Schweizermeisterin im Poetry Slam 2013. Sie ist auf Theaterbühnen, im Radio und Fernsehen des deutschsprachigen Raumes anzutreffen. Sie schreibt eine Kolumne im «Magazin» und moderiert monatlich ihre eigen Show im Theater Neumarkt.

Brugger kreiert wilde Geschichten aus dem Nichts und findet schöne Worte für das Hässliche. Sie penetriert kompromisslos die Psyche der Zuschauer. Schonungslos, detailverliebt zerlegt sie die Welt in Einzelteile.

Sie ist offensichtlich ein Fan von einem festen Händedruck, von Kanye West, von Selbstinszenierung und von Hunden. «Don’t be an asshole!» ist ihr Motto – und dieses fasse auch gleich die ganze Bibel zusammen.

Mit ihren jungen Jahren konnte sie sich bereits für zahlreiche Kurse begeistern: Sie absolvierte einen Schweiss-, einen Barista- und einen Barkeeper-Kurs. «Eigentlich war mir einfach langweilig.» Sie ist ein Fan von «you» – das sei viel besser als «du» und «Sie». Die Schule hingegen habe sie gehasst. «Ich war zwar nicht schlecht in der Schule, aber die Schule war schlecht.»

Aber sie zeige ihre Freude und Faszination allgemein eher auf niedriger Flamme. «Ich muss meine Begeisterung nicht mit der Tischbombe servieren.»

«Ich war zwar nicht schlecht in der Schule, aber die Schule war schlecht.»

«Doch ich beschäftige mich mehr mit der Welt und spreche mehr über sie und ihre kleinen Dinge als viele andere Menschen.» Brugger ist eine Beobachterin. Und bei ihr gehört zum Beobachten auch gleich das Hinterfragen und die seltsamen Verknüpfungen, die sie veranstaltet. «Das passiert automatisch. Ich würde mir all diese Gedanken auch machen, wenn ich nicht auf der Bühne stehen würde. Aber so ist es natürlich super – wie Recycling.»

Studium auf Eis

Die 21-Jährige wirkt auf den ersten Blick älter, als sie wirklich ist. Das kann aber auch an ihrer Grösse von 1.80 Meter liegen. Oder an der Müdigkeit. «Ich bin derzeit immer müde, weil ich so verdammt viel unterwegs bin.» Das habe sie nie erwartet, und eigentlich sei es derzeit fast zu viel.

Das Studium der Philosophie hat Brugger deshalb auf Eis gelegt – gelinde ausgedrückt. Sie sei zwar noch eingeschrieben, aber dieses Semester gar nicht angemeldet. «Das Interesse ist natürlich noch da, aber ich finde gerade keinen Hut, der gross genug für alles ist», bedauert sie. Und zudem wäre es unverantwortlich, grosse Auftritte abzusagen, um am nächsten Morgen keine Vorlesung zu verpassen, findet sie.

«Heimat ist überall dort, wo sich dein PC automatisch mit dem WLAN verbindet.»

Brugger wohnt mittlerweile alleine in einer Wohnung in Zürich. Obwohl sie nach eigener Aussage maximal fünf Tage im Monat zuhause verbringt. «Den Rest der Zeit bin ich unterwegs.» Der Ort, an welchem sie sich zurzeit am meisten aufhalte, sei der HB Zürich. «Man sagt ja: Heimat ist überall dort, wo sich dein PC automatisch mit dem WLAN verbindet.» Man habe ja eigentlich weniger gemeinsam mit Leuten aus dem Ort, in welchem man geboren ist, als jetzt beispielsweise sie mit den Leuten von der Kleinkunstbühne. «Aber trotzdem würde ich niemals sagen, die Kleinkunstbühne sei meine Heimat. Das wäre ja grauenhaft schnulzig», gibt sie lachend zum Ausdruck. 

Auf jeden Fall behauptet Brugger, in jeder grösseren deutschen Stadt den Ort zu kennen, wo man den besten Kaffee bekomme. «Kaffee ist meine einzige Droge. Drogen sind sowieso echt Scheisse. Also mir ist es grundsätzlich egal, wenn Leute Drogen nehmen, aber mich selber macht das nur nervös.»

Sex mit toten Hamstern kann lustig sein

Es läuft auf jeden Fall? «Ja sicher, ich habe viel zu tun und eine Arbeit, die mir unheimlich viel Spass macht.» Zuerst stehe zwar immer die Angst – vor dem Auftritt. «Aber ich habe mir mittlerweile beigebracht, danach auch stolz zu sein.»

«Auf der Bühne kann man alles sagen – zum Beispiel: Ich mag Sex mit toten Hamstern.»

Die junge Frau scheint absolut kein Schamgefühl zu haben bei dem, was sie auf und neben der Bühne so von sich gibt. «Ich bin privat ein sehr ‹gschämiger› Mensch», wehrt sich Brugger. Die Schweizer seien sowieso die «gschämigsten» Menschen der Welt – auf der Liste komme wahrscheinlich sogar der Vatikan erst danach. Auf der Bühne aber ist das alles vergessen. «Auf der Bühne kann man alles sagen – zum Beispiel: Ich mag Sex mit toten Hamstern. Es ist völlig egal, solange es lustig ist.»

Aber ist diese Frau jemals sprachlos? «Ich weiss selten nicht, was sagen. Nur wenn ich zum Beispiel auf eine Gruppe Rechte treffe. Diese mit Argumenten füttern zu wollen, ist verlorene Zeit – da bin ich sehr pragmatisch.» Aber eigentlich fände sich mit jedem Mensch ein Thema für ein Gespräch.

Eitelkeit kenne sie kaum, so Brugger. Highheels zum Beispiel gingen gar nicht – dafür seien ihre Füsse – mit Schuhgrösse 42,5 – einfach zu gross. «Aber das Argument reicht schon nicht mehr, mir werden dann immer Transvestiten-Läden empfohlen», lacht sie. Aber sie habe ja sowieso keine Zeit um auszugehen, denn sie macht Ausgang für die anderen.

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