Die Luzerner Band «Hecht» im Interview

«Mit ‹Zürich› gewinnst du keinen Pokal»

Alle Bandmitglieder von «Hecht» sind 35 Jahre alt. Von links im Bild: Philipp Morscher (Bass), Christoph Schröter (Gitarre), Stefan Buck (Gesang), Rolf Furrer (Schlagzeug) und Daniel Gisler (Tasten). (Bild: zvg)

Das Konzert der Chartstürmer «Hecht» in der Schüür ist bereits ausverkauft – aber nicht für zentral+. Wir trafen die Luzerner Band in ihrer Wahlheimat Zürich zum «Zmittag». Dabei sprachen wir über Musik als Hobby, die selbstbezogene Luzerner Musikszene und auch über unsere Privilegien.

«Hecht» ist ja eigentlich eine Luzerner Band aus dem Seetal, und doch sind sie seit fast 15 Jahren in Zürich zu Hause. Am Freitag 16. Oktober, haben die Herren von Hecht ein Heimspiel – in der Schüür, wo sie laut eigener Aussage 80 Prozent ihres Jugendausgangs verlebt haben.

Wir treffen den Leadsänger Stefan Buck und den Schlagzeuger Rolf Furrer im Restaurant Salon in Zürich – zum Essen, mehr ist nicht drin.

zentral+: Wir treffen uns während der Mittagspause, da ihr alle beruflich viel um die Ohren habt. Wie funktioniert das mit der Band neben der Arbeit?

Rolf Furrer: Es ist tatsächlich gar nicht so einfach zu vereinbaren. Wir arbeiten fast alle 100 Prozent. Da muss man terminlich schon jonglieren können.

zentral+: Wie viel ist Hecht für euch Hobby und wie viel Job?

Stefan Buck: Es ist etwas dazwischen. Wir können und müssen zwar nicht von der Musik leben, investieren aber sehr viel Zeit und Energie in die Band. Unser Anspruch war es auch, kein «Hobby-Album» zu produzieren, welches sich anhört als wäre es mal eben an einem Mittwochnachmittag aufgenommen worden – die Aufnahmen für unser zweites Album dauerten sehr lange und wir haben mit dem Produzenten an den Songs gefeilt bis sie perfekt waren in unseren Ohren, von daher ist es schon mehr als ein Hobby.

zentral+: Aber habt ihr das Ziel, davon leben zu können?

Furrer: Es ist kein erklärtes Ziel. Natürlich ist eine grosse Challenge und viel zusätzliche Arbeit, so wie wir momentan arbeiten. Wir könnten auch nicht jeden zweiten Tag ein Konzert spielen. Aber so wie die Situation ihre Nachteile hat, bringt sie auch viele Vorteile mit sich. Gerade, dass wir nicht davon leben müssen. Wir können mit einer gewissen Lockerheit an die Musik herangehen, die sich andere vielleicht nicht leisten können.

«Es kann dir nichts Besseres passieren, als dass du in Zürich als Luzerner Band wahrgenommen wirst.»
Stefan Buck, Leadsänger «Hecht»

zentral+: Es scheint aber auch so sehr gut zu laufen. Ein wie grosser Fisch seid ihr mittlerweile?

Buck: Lacht. Wir sind sehr zufrieden. Man kann sagen: Der Fisch wird immer grösser. «Adam und Eva» ist nun die fünfte Single, und bei jeder wird mehr am Radio gespielt. Es geht jedesmal einen Schritt vorwärts.

zentral+: Das Konzert vom Freitag in der Schüür ist seit Wochen ausverkauft. Wie ist es für euch, in Luzern zu spielen?

Buck: Es ist wie Heimkommen. Wir waren früher immer in Luzern. Und dann zu 80 Prozent in der Schüür. Wir haben ja schon zweimal in der Schüür gespielt und haben es jedesmal sehr genossen. Auch die Leute wieder zu sehen ist immer toll. Und wir wussten ja auch nicht, wie sehr man uns überhaupt noch als Luzerner Band wahrnimmt. Klar, wir singen im Luzerner Dialekt. Aber trotzdem sind wir schon länger nicht mehr in Luzern unterwegs. Deshalb ist es umso schöner, dass wir noch immer als Luzerner Band zählen. Und es kann dir nichts Besseres passieren, als dass du in Zürich bist und als Luzerner Band wahrgenommen wirst. Denn mit «Zürich» gewinnst du keinen Pokal. Das ist einfach so.

zentral+: Ihr wohnt aber alle seit fast 15 Jahren in Zürich. Achtet ihr denn darauf, den Luzerner Dialekt beizubehalten?

Buck: Schon, ja. Natürlich rutscht mit der Zeit auch etwas Zürich mit rein. Wir diskutieren deshalb auch viel darüber. Ein Beispiel wäre «viel» oder «vöu». Da überlegen wir uns schon zweimal, was wir machen.

 

zentral+: Apropos Mundart: Habt ihr als Band, die Texte im Dialekt singt, überhaupt Ambitionen, international aufzutreten?

Furrer: Ich glaube, das sind romantisierte Bilder, dass man mit Schweizerdeutsch die deutschen Bühnen erobern könnte. Die Leute finden diese Vorstellung toll, aber auf schweizerdeutschen Pop hat im Ausland bestimmt niemand gewartet. Er lacht. Da machen wir uns keine falschen Hoffnungen.

zentral+: Pop sei ein Kompliment, habt ihr mal gesagt?

Buck: Er lacht. Ja, das hab ich gesagt. Da wurde ich mal wieder gefragt: Ist es ok für dich, dass ihr Pop spielt? Und – natürlich ist es das. Die Beatles haben auch Pop gemacht. Guter Pop ist gut. Pop ist für uns überhaupt kein Fluchwort. Das ist so ein Luzerner Ding – Rock City und so. Ich erinnere mich an die alten Diskussionen an der Schüür-Bar. Was wollen wir sein? Indie? Rock? Oder wirklich Pop? Schlussendlich mussten wir sagen: Wir wollen gute Songs schreiben, die den Leuten ein gutes Gefühl mitgeben, und das tun wir mit den Mitteln, die uns zur Verfügung stehen. Man legt das auch immer mehr ab mit den Jahren, sich selbst eine bestimmte Etikette geben zu wollen. Und hier in Zürich interessieren solche Etiketten auch niemanden.

In die ausverkaufte Schüür mit zentral+

zentral+ verlost 2 x 2 Tickets für das ausverkaufte Konzert von Hecht in der Schüür am Freitagabend, 16. Oktober 2015. Schicken Sie eine E-Mail an [email protected] mit dem Betreff «Hecht» und lassen Sie uns Ihren Lieblingssong der Band wissen.

Die Gewinner werden am Donnerstag, 15. Oktober, um 15 Uhr ausgelost und per E-Mail benachrichtigt.

zentral+: Seid ihr deshalb zu Wahlzürchern geworden?

Furrer: Eigentlich ist es viel einfacher: Wir haben alle hier studiert. Deshalb hat sich mit der Zeit der Lebensmittelpunkt immer mehr hierher verlagert. Ein Teil von uns hat zu Beginn noch gependelt. Wir hatten damals sogar den Proberaum noch in Hochdorf und sind alle zweimal die Woche von Zürich nach Hofteren gependelt. Die beiden lachen. Da mussten wir irgendwann einsehen, dass das keinen Sinn macht.
Buck: Und dann hat es sich natürlich auch durch Freundinnen und Frauen so ergeben, dass wir hier sesshaft wurden. Aber ohne dass wir alle hier studiert hätten, wäre es wohl nicht so gekommen.

zentral+: Aber ihr mögt Zürich und macht gerne hier Musik?

Buck: Mittlerweile geniessen wir es sogar sehr. In Luzern Musik zu machen ist etwas ganz anderes. Man ist in Luzern in dieser extrem vernetzten Szene unterwegs, jeder kennt sich, man spricht ständig über die Musik. Hier gibt es eine solche Szene nicht.
Furrer: Auf jeden Fall keine, die sich so stark selbst beobachtet, alles diskutiert und reflektiert – das muss nicht inspirierend und spannend sein. Ich nehme es manchmal eher als einschränkend wahr.

zentral+: Aber ihr seid schon ziemlich zürcherisch geworden, oder? Richtige Zürcher Hipster halt.

Die beiden wirken überrascht.

Buck: Ach so.
Furrer: Ist da so?
Buck: Auch ein Kompliment. Hab ich noch nie überlegt.
Furrer: Nun ja. Das hat beim Album-Cover oder bei den Videoclips schon ein bisschen etwas.
Buck: Wir mögen das sicher, das Modische – das ist schon in uns drin. Wir stellen uns ja auf die Bühne und dann soll es auch ein Auftritt sein. Wir machen ja nicht Grunge. Aber trotzdem halten wir es mit der Mode entspannt und unverkrampft.

«Wieso sind wir so privilegiert und wie viel Luft ist da für uns nach unten, um trotzdem noch gut zu leben?»
Rolf Furrer, Schlagzeuger «Hecht»

zentral+: Derzeit finden die Wahlen statt. Wie wählt ihr? Seid ihr überhaupt politisch?

Buck: In diesen Zeiten möchte ich auf Leute setzen, die solidarisch sind. Solidarität. Natürlich sehe ich die Probleme und Grenzen, die gerade die Flüchtlingsthematik derzeit mit sich bringt. Aber wir sind hier so verdammt privilegiert, dass es doch möglich sein muss, dass es uns etwas schlechter geht. Wir hätten dann ja noch immer viel. Also ich kann sagen, ich werde sicher recht links wählen.
Furrer: Mir geht es ganz ähnlich. Wir müssen uns fragen: Wieso sind wir so privilegiert und wie viel Luft ist da für uns nach unten, um trotzdem noch gut zu leben? Aber natürlich muss man aufpassen, dass man nicht extrem mit extrem beantwortet. Aber man ist derzeit schon dazu verleitet, ein Statement zu setzen.

zentral+: Statements für Solidarität setzen in den vergangenen Wochen ja viele Musiker oder Schauspieler. Kommt das für euch auch infrage oder haltet ihr euch da raus?

Furrer: Wir waren eigentlich nie politisch. Auch unsere Musik ist überhaupt nicht politisch. Natürlich sind wir alle sehr interessiert, tauschen uns aus, aber wir stellen uns damit nicht an die Öffentlichkeit.
Buck: Wir kommunizieren auch nicht so stark einzeln. Aber wenn das so weitergeht – dann kann ich mir schon vorstellen, mich mehr dazu zu äussern, etwas zu posten. Das ist eigentlich keine schlechte Idee. Aber bisher war es bei uns noch nie Thema. Im Moment besprechen wir ganz viel anderes, was wir für Konzerte noch besorgen müssen zum Beispiel.

 

zentral+: Wenn man das Video zu «Gymnastique» gesehen hat, dann fragt man sich: Wie oft habt ihr dafür geübt?

Buck: Wir haben mit einer professionellen Tanzlehrerin 20 Tanzstunden gehabt, haben viel geübt, sind mit der Musik joggen und üben gegangen. Dann auf der Strasse brauchten wir sieben Takes, dann war das Video im Kasten. Wir wollten es nicht perfekt haben. Aber man sollte schon sehen, dass wir uns wirklich viel Mühe gegeben haben.

zentral+: Und wer hatte die besten Voraussetzungen?

Gelächter.
Buck: Phil ist der beste Tänzer. Mister Dance. Er mit der Sonnenbrille im Video. Der spürt sich nicht mehr, wenn er tanzt. Und er hat uns sehr mitgezogen. Gisi hatte es am schwersten. Unser Keyboarder – er hat Blut und Wasser geschwitzt.

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