Numa Bischof zum Luzerner Sinfonieorchester

«Wir wollen nicht nur Mainstream»

Numa Bischof Ullmann, der Intendant des Luzerner Sinfonieorchesters, schaut gespannt und neugierig in die Zukunft der Luzerner Kulturszene.

(Bild: zvg Kaspar Ruoff)

Numa Bischof Ullmann leitet das Luzerner Sinfonieorchester nun bereits seit 12 Jahren. Damit hat er die Nachbeben des KKL-Baus mitgetragen und den Betrieb zum Laufen gebracht. Derzeit läuft es so geschmiert, dass man Risiken eingehen und sich auf die nächste grosse Veränderung einstellen kann.

Seit 2003 ist Numa Bischof Intendant beim LSO. Seither hat das Orchester eine herausragende Entwicklung aufs Parkett gelegt. Mit einer sechzig-prozentigen Eigenfinanzierung und einer Auslastung von 85 Prozent ist es eines der erfolgreichsten und meistbeachteten Orchester der Schweiz. Und es ruht sich nicht aus auf seinen Lorbeeren und dem Stammpublikum. Bischof hat als junger Intendant viele neue Wege eingeschlagen. Im neuen Festival «Zaubersee» zeigt er einmal mehr seine Vielseitigkeit und seine Risikofreude.

zentral+: Bald startet das Zaubersee-Festival. Dabei kommt jedoch nicht nur die Klassik zum Zuge, sondern auch Volksmusik, religiöse Gesänge und Breakdance. Wie entsteht eine solche Mischung?

Numa Bischof Ullmann: Der Wunsch einer solchen Konzertreihe hat sich schon länger in meinem Kopf entwickelt. Der Fokus liegt dabei auf einer russisch-schweizerischen Beziehung aus musikalischer, aus künstlerischer Sicht. Denn, relativ unbekannt für viele Leute, besteht eine Vielfalt an Werken aus der Belle Epoque, die durch den Austausch von russischen Künstlern in der West- und auch der Zentralschweiz entstanden ist – oder umgekehrt. Diese Musik ist ein Kulturerbe, und es gibt so viele spannende, unbekannte Komponisten und Künstler zu entdecken.

zentral+: Dabei werden viele Künstler auch mit neuen Programmen oder in besonderen Kombinationen zu sehen sein. Was war Ihnen dabei wichtig?

Numa Bischof Ullmann: Wir wollen spontan sein, spontan denken dürfen. Und auch die Künstler wollen das. In Anlehnung an die in Verruf geratene Salonkultur. Aus dem gemeinsamen Parlieren entsteht ein künstlerischer Austausch und damit Inspiration für neue Werke.

Wir wollen auch nicht nur den Mainstream bedienen, sondern ein Entdeckerfestival sein. Dabei steht nicht nur die Klassik im Vordergrund, sondern auch Raritäten wie von  Paul Juon oder moderne Einflüsse wie von Sulchan Tsintsadze, oder den Labèque-Schwestern und dem Choreografen Yaman Okur, der bereits mit Madonna gearbeitet hat.

zentral+: Und will das Zielpublikum diese Gefilde ebenfalls entdecken?

Bischof: Die Rückmeldungen sind sehr positiv. Und wir müssen uns sowieso stets Gedanken darüber machen, für wen wir Musik machen, und dabei auch an übermorgen denken: Wer ist unser Publikum und wer ist unser zukünftiges Publikum?

zentral+: Sie sprechen damit die Jugend an?

Bischof: Genau. Vor acht Jahren haben wir mit der Musikvermittlung für Kinder und Jugendliche begonnen. Damit waren wir zu dieser Zeit Vorreiter in der Schweiz. Heute ist eine solche Stelle überall ein Muss. Wir müssen uns aber auch immer überlegen, wer vergessen geht – neben den Kindern und Jugendlichen. Das ist eine Frage des Bildungsauftrags, den uns die Öffentlichkeit mit den Subventionen überträgt.

zentral+: Wen wollen Sie denn zusätzlich ansprechen?

Bischof: Wir suchen auch am Rande der Gesellschaft – zum Beispiel bei Kleinverdienern, anderen Kulturkreisen, kranken oder alten Menschen. Veranstaltungen, die ein neues Publikum ansprechen sollen, sind natürlich auch immer ein Risiko. Erstens finanziell, denn der Aufwand ist grösser, und zweitens existiert auch die Gefahr der Stigmatisierung, wenn man sich bei einer Veranstaltung zu sehr auf eine Randgruppe fixiert.

«Es steht eine grössere Öffnung des Hauses bevor.»

zentral+: Man hört, das LSO sei eines der Orchester in der Schweiz, welches die höchste Eigenfinanzierung aufweist. Wie sieht die finanzielle Situation genau aus?

Bischof: Wir haben ein Budget von 13 Millionen. Davon sind sieben Millionen Subventionen. Das heisst, wir haben auch viele private Geldgeber und Einnahmen. Das ist sehr selten. Und zusätzlich muss man bedenken: Einen grossen Teil der öffentlichen Gelder, vier Millionen, erhalten wir für die Mitarbeit im Luzerner Theater als Opernorchester. Dort sind wir Lieferanten der Musik. Das heisst, es bleiben noch drei Millionen aus den Subventionen für unseren Konzertbereich.

Numa Bischof und das LSO

Numa Bischof Ullmann ist Betriebsökonom HWV und passionierter Cellist, vereint also den wirtschaftlichen und künstlerischen Geist. Er führte die Basler Sinfonietta unternehmerisch, bevor er im Jahr 2003 zum Luzerner Sinfonieorchester stiess.

Bischof ist bekannt für seine Experimentierfreudigkeit und hat auch in Luzern einige Veränderungen und Modernisierungen herbeigeführt. So entschied über die Wahl des jetzigen Chefdirigenten James Gaffigan beispielsweise das Orchester.

Und rund zwei Millionen Franken haben wir an jährlichen Einnahmen durch die Eintritte. Von diesen zwei Millionen gehen rund zehn Prozent an die Billettsteuer und damit an andere, kleinere kulturelle Projekte und Institutionen. Das heisst eigentlich, dass wir wiederum mit 200’000 Franken pro Jahr eine Art Kulturkompromiss unterstützen.

zentral+: Im Luzerner Theater stehen im nächsten Jahr einige Wechsel an. Durch die enge Verknüpfung wird diese Veränderung auch das LSO betreffen. Was erwarten Sie von der neuen Intendanz?

Bischof: Ich sehe Veränderungen grundsätzlich positiv entgegen. Wechsel sind auch immer Chancen. Das neue Team wird sich einleben, neue Ideen einbringen. Es steht sicher eine grössere Öffnung des Hauses bevor. Die jetzige Leitung um Dominique Mentha hat diesen Weg schon eingeschlagen und bereits viel erreicht. Der designierte Intendant von Peter hat nun den expliziten Auftrag, das Theater auf den Wechsel zu einer Salle-wie-sie-auch–immer-heissen-soll vorzubereiten. Zusammengefasst kann ich sagen: Ich bin freudig gespannt.

zentral+: Inwiefern betrifft auch Sie diese zukünftige räumliche Veränderung?

Bischof: Es werden sich Strukturen verändern und damit werden auch wir umgehen. Es wird ein spannender Weg durchs Feuer begangen und wir werden diesen mitgehen. Die bisherigen, bereits regelmässigen Treffen verlaufen auf jeden Fall sehr vielversprechend.

zentral+: Dominique Menthas Intendanz von 12 Jahren wird als relativ lange angesehen. Wie sehen Sie das selbst nach mittlerweile ebenfalls 12 Jahren?

Bischof: Er lacht. Ich finde lange Verpflichtungen grundsätzlich sympathisch. In drei oder vier Jahren kann man nichts erreichen. Es ist für eine Institution wertvoll, wenn sich jemand für eine längere Zeit an ein Haus oder eine Institution bindet und es mitgestaltet. Entscheidend ist, dass man frisch und dynamisch bleibt und sich wertbringend für die Institution einbringen kann. Ich selbst habe nur kurz nach dem Bau des KKL beim LSO angefangen. Das war eine Ära mit so einigen Nachbeben. Vieles musste neu strukturiert werden. Und nun, kaum läuft alles geschmiert, hat sich eingespielt, steht ein neues riesiges Projekt an. Eine neue Herausforderung.

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