Neu am Luzerner Theater: Regula Schröter

«Ich will Themen, die brennen»

Regula Schröter vor dem Luzerner Theater.

(Bild: jav)

Eine Nomadin mit Luzerner Wurzeln wird im nächsten Jahr zur Schauspielchefin des Luzerner Theaters. Regula Schröter erklärt im Interview, was sie plant und weshalb sie Luzern gerade sehr aufregend findet.

Regula Schröter ist im Schuss – nur kurz hat sie Zeit für ein Interview. Denn die neue Leiterin der Sparte Schauspiel im Luzerner Theater ist für einen Tag voller Sitzungen aus Bremen angereist. Am nächsten Tag geht es weiter nach München, wo ein Stück, an welchem sie mitgearbeitet hat, ein Theaterfestival eröffnet. Ganz normal für ein Theaterleben, wie die Dramaturgin erklärt. Das glaubt man ihr sofort, so frisch wie sie trotzdem daherkommt.

In Meggen aufgewachsen

Die 37-Jährige wurde vor Kurzem als Leiterin der Sparte Schauspiel ans Luzerner Theater berufen. Ab Sommer 2016 wird sie Teil des Teams um den neuen Intendanten Benedikt von Peter.

Im Gegensatz zu ihren zukünftigen Kollegen ist Luzern für Schröter nichts Neues. Bevor sie sich vor 17 Jahren in die weite Welt der Theater aufmachte, wuchs sie in Meggen auf und machte hier das Lehrersemi. Dann zog es sie erst einmal nach Südamerika. Anschliessend arbeitete sie als Dramaturgin in Berlin, Graz und zuletzt in Bremen.

zentral+: Sie sind ursprünglich aus Meggen und kommen nun, nach Jahren in der ganzen Welt, nach Luzern zurück – eine Heimkehr?

Regula Schröter: Nun, ich habe Luzern zwar mit 20 Jahren verlassen, den Kontakt aber nie verloren. Meine Familie lebt hier und ich bin zu Weihnachten und manchmal für ein paar Tage im Sommer zurückgekehrt. Aber natürlich ist es eine Art Rückkehr, ein «nach Hause kommen». Schliesslich habe ich hier meine ersten Theatererfahrungen gesammelt – die ersten Weihnachtsmärchen im Luzerner Theater gesehen. Aber es hat sich sehr viel verändert. Die Uni oder den Südpol gab es zum Beispiel damals noch nicht.

Regula Schröter

Nach der Ausbildung zur Grundschullehrerin verbrachte Schröter mehrere Jahre als Lehrerin in Ecuador. Ab 2002 arbeitete sie in Bern und Berlin frei als Regieassistentin, Übersetzerin und Dramaturgin, unter anderem am Stadttheater Bern, am Theater Marie Aarau und am Maxim Gorki Theater Berlin.

Als feste Dramaturgin war Schröter am Schauspielhaus Graz und seit der Spielzeit 2012/2013 ist sie als Schauspieldramaturgin am Theater Bremen engagiert.

Neben Benedikt von Peter als Intendanten, Brigitte Heusinger und Kathleen McNurney wird sie nun in die Leitung des Luzerner Theaters einsteigen.

Deshalb werde ich es hier wie bei jedem neuen Engagement halten: Ich setze mich auf’s Velo und begebe mich auf Erkundungstour durch die Stadt und die verschiedenen Quartiere. Ich lese lokale Berichterstattungen und nehme Kontakt zu Institutionen und möglichen Kooperationspartnern auf. Was dabei anders sein wird als sonst, ist, dass ich plötzlich auf bekannte Gesichter stossen werde. Meine Kollegen hingegen entdecken die Stadt komplett neu und dabei auch Orte und Themen mit künstlerischem Potential, die mir vielleicht nicht mehr aufgefallen wären. Diese unterschiedlichen Perspektiven sind sehr inspirierend. Benedikt von Peter ist beispielsweise derzeit sehr oft hier. Er besucht das Neubad, den Südpol, das KKL und lernt Stadt, Kanton und Leute kennen. Wir wollen ausdrücklich Theater mit und für die Stadt machen und so müssen wir in sie hineinhorchen und spüren, wie sie tickt.

zentral+: Haben Sie – als Weltenbummlerin – geplant, einmal nach Luzern zurückzukehren?

Schröter: Geplant? Nein. Es kam sehr überraschend. Denn es ist sehr selten, dass man im Theaternomadenleben die Chance hat, an seinen Herkunftsort zurückzukehren. Trotzdem gab es den Wunsch, wieder einmal in der Schweiz arbeiten zu können. Das ich nun für Luzern angefragt wurde, ist daher ein sehr schöner Zufall.

«An anderen Orten werden Theater geschlossen. Und hier soll ein Neues entstehen.»

zentral+: Haben Sie in den letzten Jahren mitverfolgt, was in Luzern und am Theater lief?

Schröter: Ich habe mitbekommen, dass in Luzern ambitioniertes Theater gemacht wird. Ausserdem habe ich von Regisseuren und Bühnenbildnern gehört, dass das Klima, die Atmosphäre im Haus sehr gut sein soll. Sonst war vor allem die Diskussion um die Salle Modulable präsent. Ich finde dieses Projekt sehr spannend. Wo passiert denn sowas noch? An anderen Orten werden Theater geschlossen. Und hier soll ein neues, modulares Theatergebäude entstehen. Das ist einzigartig und auch aufregend. Luzern ist eine bewegte Stadt mit einem starken Willen für Innovation, und gleichzeitig gibt es eine tiefe Verwurzelung in Werten wie Tradition und Bürgerlichkeit – ein interessantes und produktives Spannungsfeld für Theaterschaffende.

zentral+: Wie kam es dazu, dass Sie hier die Leitung der Sparte Schauspiel übernehmen?

Schröter: Benedikt von Peter und ich sind beide seit drei Jahren am Theater Bremen engagiert. Wir haben dort bereits gemeinsam am Geist und der künstlerischen Handschrift eines Hauses gearbeitet. Ich freue mich, mit ihm und seinem Team diesen Weg in Luzern forführen zu können. Für die Zusammenarbeit und die Leitung eines Hauses braucht es ein gegenseitiges künstlerisches Interesse. Doch es braucht auch die Kultur, sich gegenseitig durch konstruktive Kritik heraus zu fordern, schliesslich muss es auch menschlich stimmen. Und das tut es bei uns.

«Wir wollen die Stadt erobern.»

zentral+: Und wie wird ein solcher Geist, eine künstlerische Handschrift aussehen?

Schröter: Wir wollen spartendurchlässiger arbeiten. Tänzer im Sprechtheater, Sänger und Schauspieler in einer Performance. Ausserdem wollen wir das Haus noch mehr öffnen. Wir wollen die Stadt theatral erobern und bespielen – raus aus den eigenen vier Wänden. Wir wollen, dass das Publikum vielfältig bleibt und noch vielfältiger wird. Ich werde bestimmt auch einige Leute ans Haus bringen, Regisseure und andere Künstler, mit welchen ich bereits gearbeitet habe. Eine Möglichkeit ist auch «Artists in Residence», Künstler auf Besuch, die das Ensemble für bestimmte Produktionen ergänzen. Ich will Dehn- und Streckübungen machen – das Ensemble mit anderen Menschen und deren Einflüssen und Ideen ergänzen.

zentral+: Und welche Pläne haben Sie bereits für das Luzerner Theater?

Schröter: Wir treten ein gutes Erbe an. Trotzdem wird sich vieles verändern. Es ist sichr noch zu früh, um konkret über Namen oder Stücke zu sprechen. Prinzipiell stehe ich für eine grosse Formenvielfalt. Ich will Geschichten erzählen und ich will Themen, die brennen, die gesellschaftlich relevant sind. Daher gehe ich vom Thema aus, und der Inhalt bestimmt dann die Form. Ich frage mich immer: Wie können wir das Thema berührend auf die Bühne bringen, wählen wir einen klassischen Theatertext, ein Stück zeitgenössischer Dramatik, oder einen dokumentarischen Ansatz. Ausserdem soll es neben der Bühne, nach dem Stück, nicht abgeschlossen sein.

zentral+: Wie sieht das konkret aus?

Schröter: Nehmen wir das Beispiel der Veranstaltungsreihe «in transit?», welche gerade im Theater Bremen stattfindet. Es dreht sich um Migration, ein Thema das derzeit an vielen Orten brennt. Deshalb veranstalteten wir Diskussionen, Filmvorführungen et cetera rund herum um ein Stück von Elfrieder Jelinek. Nicht alleine die Inszenierung steht im Fokus, sondern auch das, was dahinter steht. Theater soll immer ein Ort des Diskurses sein, des Austausches, und dabei soll es auch die Gastgeberrolle übernehmen.

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