Zuger Weltmusik

«Wir haben einen Cheib voll Möglichkeiten»

Echtes Handwerk: Café Mondial macht Musik aus den rauchigen Ecken der Welt. (Bild: zvg (Regina Jaeger))

Zug hat eine Weltmusikband. Sie spielt eine «rechte Suppe von Dingen», aus den rauchigen Ecken der Erde. Dabei ist die Band zwar langsam unterwegs, aber aufwärts, und gut gelaunt. Und wurde vom Pop so überholt, dass jetzt sogar Teenies auf «Café Mondial» stehen.

Sie sitzen im Restaurant Rigiblick im Exil, draussen fegt der Wind den Schnee durch die Baustellen an der Artherstrasse in Oberwil. Der Proberaum der vier Männer ist mit Polizeiband abgesperrt: Er ist fast abgebrannt, aber das ist eine andere Geschichte. Jetzt geht es darum, was es zu essen geben soll. «Café Mondial» ist eine langsame Zuger Band, steckt seit fünfzehn Jahren im gemächlichen aber doch ansehnlichen Aufschwung. Und ist dabei gut gelaunt. Ist eine Männerrunde, gleichzeitig eine Profiband und ein Stück Jugendtraum. Wird auf SRF2 gespielt und an Hochzeiten, spielt konzertant und bis in alle Nacht.

«Jedes Stück ist tanzbar», sagt Pascal Bruggisser, er ist der Pianist und Kopf der Band. Auch wenn die Musik melancholisch ist, reise- und koffermelancholisch, weiter-weg-ist-alles-farbiger-melancholisch: «Von 20 Stücken auf dem neuen Album sind nur drei in Dur», sagt Manuel Hebeisen lachend, er ist der Sänger und Holzbläser der Band. Und in der ganzen Melancholie steckt das Fernweh vier gestandener Musiker. Sie spielen eine «rechte Suppe von verschiedenen Dingen», sagt Bruggisser. Ein Kochtopf von Musik, die sonst keiner spielt, Trouvaillen und Eindrücke, Musik aus den rauchigen Ecken der Welt: Französischen Cha Cha, serbische Romalieder, Bolero, Musette und Suomi Folk. Singen vom Picknick mit Cornichon, aus dem bombardierten Paris und von der finnischen Sehnsucht nach dem Meer. Es ist Musik aus einer anderen Zeit, mit einer anderen Idee darüber, was ein Song können muss.

Lieder, keine Songs

«Jedes Stück hat eine Geschichte, ist irgendwo von einem von uns aufgegabelt worden», sagt Bruggisser. Café Mondial ist die Abkehr vom modernen Musikgeschehen: Alles handgespielt, Handwerk, keine Produktion, das Schlagzeug spielt Musik und keine Beats, es sind Lieder, keine Songs. «Unsere Musik ist ehrlich und echt», sagt Bassist und Gitarrist Thomas Custer. Kann das funktionieren, so antizyklisch Musik zu machen? «Eigentlich nicht. Aber es springt ein Funke über, wenn wir spielen, unsere Freude an dieser Musik ist ansteckend. Ich bin ein Vintage-Liebhaber», sagt Bruggisser, «mit heutiger Popmusik kann ich gar nichts anfangen. Ich finde sie langweilig.»

Allerdings hat die Popmusik die Band längst eingeholt. «Das war witzig: Wir haben vor einigen Jahren den Song «tu vuò fa’ l’americano» ausgegraben und aufgenommen, und plötzlich läuft dieser Remix im Radio. Und ein Teenie auf der Strasse spricht mich an: Du bist doch der von Café Mondial oder?» Sagt Bruggisser und verwirft die Hände, «und ich völlig überrascht, äh wie bitte? – Ja, ihr macht coole Musik, hab ich mir gleich runtergeladen.» Insofern, sagt Sänger Hebeisen, «sprechen wir alle Generationen an. Vom Grosi, das sich freut, ihr spielt ja noch den Mustafa! Ihr spielt ja noch Piaf! Bis zu den Teenies, die die alten Hits als Remix kennen.»

Genüssliche Internationalität

Es ist schon das dritte Album, dass die Band produziert, und es ist ein Paradigmenwechsel, weg von der Reiserei und hin zu etwas anderem. «Wir haben das mit dem Reisen als Leim benutzt, um die vielen verschiedenen Dinge zusammenzuhalten», sagt der Bassist Custer. «Wie willst du sonst erklären, dass die Songs zusammenpassen? Aber mit dem Reisen kann man sich das vorstellen, von einem Ort zum anderen.» Das neue Album ist in Geschmäckern gehalten, es heisst «Mélange d’Arôme» und erscheint beim Zytglogge Verlag. Darauf röstet Café Mondial ihre musikalische Mischung in diversen Stilen, es wird viel Französisch gesungen, aber auch in jiddisch, auf Spanisch und Serbisch. Das ist eine Kultur der genüsslichen Internationalität, ohne Scheu vor fremdem Kulturgut, dafür mit viel Identifikation damit. Die Hälfte ist selber geschrieben, «da schreibt Custer über irgendwelche Liebschaften», sagt Bruggisser und die Runde lacht. Die andere Hälfte ist entdeckt und ausgegraben.

Café Mondial geht dabei den Weg der Bigbands, einfach etwas kleiner. «Wir haben einen Cheib voll Möglichkeiten», sagt Bruggisser, «und arrangieren so, dass es für uns umsetzbar ist.» Und jetzt hat Custer zum ersten Mal einen Hit geschrieben, er heisst «c’est parti». «Das Stück ist fröhlich und eingängig», sagt Bruggisser. Und dazu hat die Band auch gleich ihr erstes Musikvideo gedreht – «naja, wir sind etwas langsam was unseren Auftritt im Internet angeht», sagt Custer. Im Video wird Café Mondial zur Junggesellenband, vier fröhliche Männer im Wohnwagen, Aussteigerdasein und trotzdem Café aus der guten Maschine. Für ein Mal keine Melancholie. Die steckt im ganzen Rest des Albums.

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